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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

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XIV. Fragment. Menschenschädel.

Auch ist die besondere Enge der Augenhöhlen an diesem Schädel -- merkwürdig -- und
zeichnet ihn vor dem Schädel des Calmucken und Europäers ungemein aus.

Seltsam, daß unser Verfasser des Unterkiefers nicht gedenket.

Der ist z. E. beym Calmucken durch die ungeheure Stärke, das flache viereckigte Kinn,
die starken Winkel u. s. f. ausgezeichnet. Haben nicht die Augenhöhlen besonders beym Mohren
eine schiefere Lage, als beym Europäer?

Noch bemerke und vergleiche man besonders den Umriß des Hinterhauptes bey allen
dreyen .. wie viel herausgewölbter, kugelförmiger der Europäer, als der Mohr?

Freylich -- auf diese Copien von Copien läßt sich nicht ganz sicher fußen -- Des Cal-
mucken
Schädel ist, mit dem Originale verglichen, wornach unsere Tafel copiert ist, zu schmal,
nicht platt, nicht stark genug. Auch das Eigne über und unter der Nase ist nicht bestimmt genug
ausgedrückt. Der Europäer ist nicht rund genug. Der Mohrenkopf nicht schmal genug.
Der eigne Charakter des Unterkiefers bey allen nicht genug in Acht genommen. Jnzwischen hoff'
ich doch bey aller Unvollkommenheit des Abrisses dadurch wenigstens einige Veranlassung zu ei-
gentlichern genauern Beobachtungen der Schädel gegeben zu haben.

IX.
Noch einige Anmerkungen über den Bau und die Gestaltung
der Schädel.

Die Hirnschale, so hart sie ist, ist anfangs und lange so weich, so bildsam, daß Furchen,
Rinnen, Unebenheiten innwendig an der Hirnschale, von dem beständigen Drucke des Blutes,
der Adern, selbst des Gehirns gegen dieselbe entstehen.

Die Aushöhlung der Hirnschale richtet sich, wie man deutlich bemerken kann, nach der
darinn enthaltenen Masse des großen und kleinen Gehirns, und dessen Zunahme durch alle
Stufen des Alters hindurch, so daß die äussere Gestalt dieses Eingeweides an der innern Fläche
der Hirnschale vollkommen ausgedrückt erscheint; und wer zweifelt, daß eben so wohl auch der
Umriß ihrer äussern Fläche dadurch bestimmt wird?

Die
Phys. Fragm. II Versuch. X
XIV. Fragment. Menſchenſchaͤdel.

Auch iſt die beſondere Enge der Augenhoͤhlen an dieſem Schaͤdel — merkwuͤrdig — und
zeichnet ihn vor dem Schaͤdel des Calmucken und Europaͤers ungemein aus.

Seltſam, daß unſer Verfaſſer des Unterkiefers nicht gedenket.

Der iſt z. E. beym Calmucken durch die ungeheure Staͤrke, das flache viereckigte Kinn,
die ſtarken Winkel u. ſ. f. ausgezeichnet. Haben nicht die Augenhoͤhlen beſonders beym Mohren
eine ſchiefere Lage, als beym Europaͤer?

Noch bemerke und vergleiche man beſonders den Umriß des Hinterhauptes bey allen
dreyen .. wie viel herausgewoͤlbter, kugelfoͤrmiger der Europaͤer, als der Mohr?

Freylich — auf dieſe Copien von Copien laͤßt ſich nicht ganz ſicher fußen — Des Cal-
mucken
Schaͤdel iſt, mit dem Originale verglichen, wornach unſere Tafel copiert iſt, zu ſchmal,
nicht platt, nicht ſtark genug. Auch das Eigne uͤber und unter der Naſe iſt nicht beſtimmt genug
ausgedruͤckt. Der Europaͤer iſt nicht rund genug. Der Mohrenkopf nicht ſchmal genug.
Der eigne Charakter des Unterkiefers bey allen nicht genug in Acht genommen. Jnzwiſchen hoff’
ich doch bey aller Unvollkommenheit des Abriſſes dadurch wenigſtens einige Veranlaſſung zu ei-
gentlichern genauern Beobachtungen der Schaͤdel gegeben zu haben.

IX.
Noch einige Anmerkungen uͤber den Bau und die Geſtaltung
der Schaͤdel.

Die Hirnſchale, ſo hart ſie iſt, iſt anfangs und lange ſo weich, ſo bildſam, daß Furchen,
Rinnen, Unebenheiten innwendig an der Hirnſchale, von dem beſtaͤndigen Drucke des Blutes,
der Adern, ſelbſt des Gehirns gegen dieſelbe entſtehen.

Die Aushoͤhlung der Hirnſchale richtet ſich, wie man deutlich bemerken kann, nach der
darinn enthaltenen Maſſe des großen und kleinen Gehirns, und deſſen Zunahme durch alle
Stufen des Alters hindurch, ſo daß die aͤuſſere Geſtalt dieſes Eingeweides an der innern Flaͤche
der Hirnſchale vollkommen ausgedruͤckt erſcheint; und wer zweifelt, daß eben ſo wohl auch der
Umriß ihrer aͤuſſern Flaͤche dadurch beſtimmt wird?

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Phyſ. Fragm. II Verſuch. X
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[161/0227] XIV. Fragment. Menſchenſchaͤdel. Auch iſt die beſondere Enge der Augenhoͤhlen an dieſem Schaͤdel — merkwuͤrdig — und zeichnet ihn vor dem Schaͤdel des Calmucken und Europaͤers ungemein aus. Seltſam, daß unſer Verfaſſer des Unterkiefers nicht gedenket. Der iſt z. E. beym Calmucken durch die ungeheure Staͤrke, das flache viereckigte Kinn, die ſtarken Winkel u. ſ. f. ausgezeichnet. Haben nicht die Augenhoͤhlen beſonders beym Mohren eine ſchiefere Lage, als beym Europaͤer? Noch bemerke und vergleiche man beſonders den Umriß des Hinterhauptes bey allen dreyen .. wie viel herausgewoͤlbter, kugelfoͤrmiger der Europaͤer, als der Mohr? Freylich — auf dieſe Copien von Copien laͤßt ſich nicht ganz ſicher fußen — Des Cal- mucken Schaͤdel iſt, mit dem Originale verglichen, wornach unſere Tafel copiert iſt, zu ſchmal, nicht platt, nicht ſtark genug. Auch das Eigne uͤber und unter der Naſe iſt nicht beſtimmt genug ausgedruͤckt. Der Europaͤer iſt nicht rund genug. Der Mohrenkopf nicht ſchmal genug. Der eigne Charakter des Unterkiefers bey allen nicht genug in Acht genommen. Jnzwiſchen hoff’ ich doch bey aller Unvollkommenheit des Abriſſes dadurch wenigſtens einige Veranlaſſung zu ei- gentlichern genauern Beobachtungen der Schaͤdel gegeben zu haben. IX. Noch einige Anmerkungen uͤber den Bau und die Geſtaltung der Schaͤdel. Die Hirnſchale, ſo hart ſie iſt, iſt anfangs und lange ſo weich, ſo bildſam, daß Furchen, Rinnen, Unebenheiten innwendig an der Hirnſchale, von dem beſtaͤndigen Drucke des Blutes, der Adern, ſelbſt des Gehirns gegen dieſelbe entſtehen. Die Aushoͤhlung der Hirnſchale richtet ſich, wie man deutlich bemerken kann, nach der darinn enthaltenen Maſſe des großen und kleinen Gehirns, und deſſen Zunahme durch alle Stufen des Alters hindurch, ſo daß die aͤuſſere Geſtalt dieſes Eingeweides an der innern Flaͤche der Hirnſchale vollkommen ausgedruͤckt erſcheint; und wer zweifelt, daß eben ſo wohl auch der Umriß ihrer aͤuſſern Flaͤche dadurch beſtimmt wird? Die Phyſ. Fragm. II Verſuch. X

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/227>, abgerufen am 28.03.2024.