Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
XXIX. Fragment. Noch einige andere Künstler.
Vierte Tafel.
Zwey Porträte von Vandyk.

Hier also der erhabene Naturverschönerer selbst in zweyen nicht übelgerathenen Bildern ...

Adel, Würde, Selbstständigkeit, ... verliebte Beobachtung, stille Verschlingung des fest-
gefaßten Gegenstandes, Kraftfülle, Fruchtbarkeit, Entschlossenheit -- Selbstgefühl mit Stolz und
Liebe gemischt -- scheinen mir in beyden Gesichtern auffallend zu seyn.

Nicht des scharfen, tiefen, aber des hellen, bestimmten, reichen Denkers oder Schnellsehers
ist die unscharfe wohlgewölbte Stirn.

Die Augenbraunen sind in beyden Köpfen borstig, schlecht, und mit dem herrlichen, frey-
schwebenden -- halbidealischen Haare kontrastirend.

Die Augen, freylich etwas hart, besonders im obern. Jm untern wahrer, voll Jnnig-
keit, Durchdringung, Würkung ... Seiner Porträte Augen haben beynah' alle was von diesem
treffend schmachtenden; dieser fruchtbaren Empfänglichkeit.

Die Nase -- mir entscheidend für die innere, unerlernte, eigne Größe, die Größe -- em-
pfindsamer, feiner Schnell- und Schöpfungskraft. Die obere ist noch eckigter, kräftiger, kecker.

Muth, Stolz und Adel in dem Munde, so viel sich davon sehen läßt.

Jm Kinne gerade derselbe Ausdruck.

Der äussere Umriß von der Stirn an, wo sie nicht mehr vom Haare bedeckt wird, bis an
den Hals ist ebenfalls voll Feinheit und Geist -- so wie die Stellung und alles.

[Abbildung]
Dreyßig-
XXIX. Fragment. Noch einige andere Kuͤnſtler.
Vierte Tafel.
Zwey Portraͤte von Vandyk.

Hier alſo der erhabene Naturverſchoͤnerer ſelbſt in zweyen nicht uͤbelgerathenen Bildern ...

Adel, Wuͤrde, Selbſtſtaͤndigkeit, ... verliebte Beobachtung, ſtille Verſchlingung des feſt-
gefaßten Gegenſtandes, Kraftfuͤlle, Fruchtbarkeit, Entſchloſſenheit — Selbſtgefuͤhl mit Stolz und
Liebe gemiſcht — ſcheinen mir in beyden Geſichtern auffallend zu ſeyn.

Nicht des ſcharfen, tiefen, aber des hellen, beſtimmten, reichen Denkers oder Schnellſehers
iſt die unſcharfe wohlgewoͤlbte Stirn.

Die Augenbraunen ſind in beyden Koͤpfen borſtig, ſchlecht, und mit dem herrlichen, frey-
ſchwebenden — halbidealiſchen Haare kontraſtirend.

Die Augen, freylich etwas hart, beſonders im obern. Jm untern wahrer, voll Jnnig-
keit, Durchdringung, Wuͤrkung ... Seiner Portraͤte Augen haben beynah’ alle was von dieſem
treffend ſchmachtenden; dieſer fruchtbaren Empfaͤnglichkeit.

Die Naſe — mir entſcheidend fuͤr die innere, unerlernte, eigne Groͤße, die Groͤße — em-
pfindſamer, feiner Schnell- und Schoͤpfungskraft. Die obere iſt noch eckigter, kraͤftiger, kecker.

Muth, Stolz und Adel in dem Munde, ſo viel ſich davon ſehen laͤßt.

Jm Kinne gerade derſelbe Ausdruck.

Der aͤuſſere Umriß von der Stirn an, wo ſie nicht mehr vom Haare bedeckt wird, bis an
den Hals iſt ebenfalls voll Feinheit und Geiſt — ſo wie die Stellung und alles.

[Abbildung]
Dreyßig-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0386" n="232"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXIX.</hi> Fragment. Noch einige andere Ku&#x0364;n&#x017F;tler.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#fr">Vierte Tafel.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Zwey Portra&#x0364;te von Vandyk.</hi> </hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">H</hi>ier al&#x017F;o der erhabene Naturver&#x017F;cho&#x0364;nerer &#x017F;elb&#x017F;t in zweyen nicht u&#x0364;belgerathenen Bildern ...</p><lb/>
            <p>Adel, Wu&#x0364;rde, Selb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit, ... verliebte Beobachtung, &#x017F;tille Ver&#x017F;chlingung des fe&#x017F;t-<lb/>
gefaßten Gegen&#x017F;tandes, Kraftfu&#x0364;lle, Fruchtbarkeit, Ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit &#x2014; Selb&#x017F;tgefu&#x0364;hl mit Stolz und<lb/>
Liebe gemi&#x017F;cht &#x2014; &#x017F;cheinen mir in beyden Ge&#x017F;ichtern auffallend zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <p>Nicht des &#x017F;charfen, tiefen, aber des hellen, be&#x017F;timmten, reichen Denkers oder Schnell&#x017F;ehers<lb/>
i&#x017F;t die un&#x017F;charfe wohlgewo&#x0364;lbte <hi rendition="#fr">Stirn.</hi></p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#fr">Augenbraunen</hi> &#x017F;ind in beyden Ko&#x0364;pfen bor&#x017F;tig, &#x017F;chlecht, und mit dem herrlichen, frey-<lb/>
&#x017F;chwebenden &#x2014; halbideali&#x017F;chen Haare kontra&#x017F;tirend.</p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#fr">Augen,</hi> freylich etwas hart, be&#x017F;onders im obern. Jm untern wahrer, voll Jnnig-<lb/>
keit, Durchdringung, Wu&#x0364;rkung ... Seiner Portra&#x0364;te Augen haben beynah&#x2019; alle was von die&#x017F;em<lb/>
treffend &#x017F;chmachtenden; die&#x017F;er fruchtbaren Empfa&#x0364;nglichkeit.</p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#fr">Na&#x017F;e</hi> &#x2014; mir ent&#x017F;cheidend fu&#x0364;r die innere, unerlernte, eigne Gro&#x0364;ße, die Gro&#x0364;ße &#x2014; em-<lb/>
pfind&#x017F;amer, feiner Schnell- und Scho&#x0364;pfungskraft. Die obere i&#x017F;t noch eckigter, kra&#x0364;ftiger, kecker.</p><lb/>
            <p>Muth, Stolz und Adel in dem <hi rendition="#fr">Munde,</hi> &#x017F;o viel &#x017F;ich davon &#x017F;ehen la&#x0364;ßt.</p><lb/>
            <p>Jm <hi rendition="#fr">Kinne</hi> gerade der&#x017F;elbe Ausdruck.</p><lb/>
            <p>Der <hi rendition="#fr">a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere Umriß</hi> von der Stirn an, wo &#x017F;ie nicht mehr vom Haare bedeckt wird, bis an<lb/>
den Hals i&#x017F;t ebenfalls voll Feinheit und Gei&#x017F;t &#x2014; &#x017F;o wie die <hi rendition="#fr">Stellung</hi> und alles.</p><lb/>
            <figure/><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Dreyßig-</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0386] XXIX. Fragment. Noch einige andere Kuͤnſtler. Vierte Tafel. Zwey Portraͤte von Vandyk. Hier alſo der erhabene Naturverſchoͤnerer ſelbſt in zweyen nicht uͤbelgerathenen Bildern ... Adel, Wuͤrde, Selbſtſtaͤndigkeit, ... verliebte Beobachtung, ſtille Verſchlingung des feſt- gefaßten Gegenſtandes, Kraftfuͤlle, Fruchtbarkeit, Entſchloſſenheit — Selbſtgefuͤhl mit Stolz und Liebe gemiſcht — ſcheinen mir in beyden Geſichtern auffallend zu ſeyn. Nicht des ſcharfen, tiefen, aber des hellen, beſtimmten, reichen Denkers oder Schnellſehers iſt die unſcharfe wohlgewoͤlbte Stirn. Die Augenbraunen ſind in beyden Koͤpfen borſtig, ſchlecht, und mit dem herrlichen, frey- ſchwebenden — halbidealiſchen Haare kontraſtirend. Die Augen, freylich etwas hart, beſonders im obern. Jm untern wahrer, voll Jnnig- keit, Durchdringung, Wuͤrkung ... Seiner Portraͤte Augen haben beynah’ alle was von dieſem treffend ſchmachtenden; dieſer fruchtbaren Empfaͤnglichkeit. Die Naſe — mir entſcheidend fuͤr die innere, unerlernte, eigne Groͤße, die Groͤße — em- pfindſamer, feiner Schnell- und Schoͤpfungskraft. Die obere iſt noch eckigter, kraͤftiger, kecker. Muth, Stolz und Adel in dem Munde, ſo viel ſich davon ſehen laͤßt. Jm Kinne gerade derſelbe Ausdruck. Der aͤuſſere Umriß von der Stirn an, wo ſie nicht mehr vom Haare bedeckt wird, bis an den Hals iſt ebenfalls voll Feinheit und Geiſt — ſo wie die Stellung und alles. [Abbildung] Dreyßig-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/386
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/386>, abgerufen am 28.03.2024.