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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

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XII. Fragment. Was sich aus bloßen
"wie möchte sie's trösten, erquicken, neubeleben! Sie kann über die Fehler und Schwachheiten der
"Menschen spotten, mit denen sie sich dennoch zu Tode weinen möchte, wenn ihnen ein Uebel begeg-
"net. Sie scheint das eitelste Ding zu seyn, und ist doch nichts weniger, -- Halbkenner würden
"nicht wissen, ob sie ihrem Kopfe oder Herzen den Vorzug geben sollten? -- Jch gebe ihrem Herzen
"unendlich den Vorzug. Unter tausenden findet man nicht Eine so; von 2. unter anderthalb Du-
"tzend; von 1 -- hundert" --

Weibliche Güte drückt der Bogen der Stirne, und das Gemisch von Spott über Fehler
und Mitleiden über den unglücklichen fehlenden drücken die Lippen bis zum Unterkinn trefflich aus.

Die Vignette -- auch im mattesten Umrisse, welche himmlische Güte! welche Unschuld,
Reinheit! wie tief unterm Original -- und dennoch wie edel! wie sprechend besonders für Adel
und Reinheit des Charakters -- die Nase!

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Eilfte

XII. Fragment. Was ſich aus bloßen
„wie moͤchte ſie’s troͤſten, erquicken, neubeleben! Sie kann uͤber die Fehler und Schwachheiten der
„Menſchen ſpotten, mit denen ſie ſich dennoch zu Tode weinen moͤchte, wenn ihnen ein Uebel begeg-
„net. Sie ſcheint das eitelſte Ding zu ſeyn, und iſt doch nichts weniger, — Halbkenner wuͤrden
„nicht wiſſen, ob ſie ihrem Kopfe oder Herzen den Vorzug geben ſollten? — Jch gebe ihrem Herzen
„unendlich den Vorzug. Unter tauſenden findet man nicht Eine ſo; von 2. unter anderthalb Du-
„tzend; von 1 — hundert“ —

Weibliche Guͤte druͤckt der Bogen der Stirne, und das Gemiſch von Spott uͤber Fehler
und Mitleiden uͤber den ungluͤcklichen fehlenden druͤcken die Lippen bis zum Unterkinn trefflich aus.

Die Vignette — auch im matteſten Umriſſe, welche himmliſche Guͤte! welche Unſchuld,
Reinheit! wie tief unterm Original — und dennoch wie edel! wie ſprechend beſonders fuͤr Adel
und Reinheit des Charakters — die Naſe!

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Eilfte
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[120/0168] XII. Fragment. Was ſich aus bloßen „wie moͤchte ſie’s troͤſten, erquicken, neubeleben! Sie kann uͤber die Fehler und Schwachheiten der „Menſchen ſpotten, mit denen ſie ſich dennoch zu Tode weinen moͤchte, wenn ihnen ein Uebel begeg- „net. Sie ſcheint das eitelſte Ding zu ſeyn, und iſt doch nichts weniger, — Halbkenner wuͤrden „nicht wiſſen, ob ſie ihrem Kopfe oder Herzen den Vorzug geben ſollten? — Jch gebe ihrem Herzen „unendlich den Vorzug. Unter tauſenden findet man nicht Eine ſo; von 2. unter anderthalb Du- „tzend; von 1 — hundert“ — Weibliche Guͤte druͤckt der Bogen der Stirne, und das Gemiſch von Spott uͤber Fehler und Mitleiden uͤber den ungluͤcklichen fehlenden druͤcken die Lippen bis zum Unterkinn trefflich aus. Die Vignette — auch im matteſten Umriſſe, welche himmliſche Guͤte! welche Unſchuld, Reinheit! wie tief unterm Original — und dennoch wie edel! wie ſprechend beſonders fuͤr Adel und Reinheit des Charakters — die Naſe! [Abbildung] Eilfte

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/168>, abgerufen am 18.04.2024.