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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

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XV. Fragment. Affenköpfe.
c) Jn der Nähe der Augen, wenigstens der Augenhöhlen im Schädel.
d) Jn der oben schmalen, unten breitgedrückten, nicht hervorspringenden Nase.
e) Jn der widrigen Höhe der Ohren, die am Menschenkopfe beynahe immer mit Aug-
braun und Nase parallel laufen.
f) Jn dem Uebergange von der Nase zum Munde, der beynahe so lang ist, als das Kinn,
da er beym Menschen gemeiniglich nur die Hälfte der Kinnlänge hat.
g) Jn der einfachen bogenförmigen Gestalt der Lippen.
h) Jn der dreyeckigten Form des ganzen Kopfs.

Des Haares -- des Halses nicht zu gedenken. --

Man sagt von diesem Thiere: Es sey in seinen Gebärden traurig; sein Gang sey gravitä-
tisch, seine Bewegungen, wie abgemessen; sein Naturell ziemlich sanftmüthig und von anderer Af-
fen ihrem sehr verschieden; er sey nicht so ungeduldig, wie der Maggot (25. 27.) -- nicht so bös-
artig, wie der Pavian, 21. noch so ausschweifend, wie die langgeschwänzten Affen.

Eine menschlichere Lippe hat unter allen, die wir hier sehen, keiner.

Jm höchsten Grade thierisch sind alle, etwa zwey oder drey ausgenommen.

Der menschlichste nach dem so unmenschlichen Ourang-Outang ist 7. und 8,

Der Gibbon -- wie auch sein Schädel 9. zeigt. Dieser Affe soll ebenfalls von gelaßner
Art, sanftmüthig in seinem Betragen -- seine Bewegungen nicht so hastig und ungestüm seyn;
soll alles, was man ihm zu essen giebt, sachte annehmen, und sich vor Kälte und Feuchtigkeit sehr
scheuen. -- Allein seine ganze Gestalt ist so unmenschlich, wie möglich; seine disproportionirten ent-
setzlichen Arme -- reichen an den Boden, wenn er aufrecht steht. *)

Wie in 6. die Entfernung der Nase von dem Munde das Thierische bezeichnet; so in 7.
besonders in 8. die Nähe der Nase und des Mundes.

Unter die sanftern gehört auch 21. der Maimon, dessen Augenwinkel am meisten Mensch-
liches zu haben scheinen. Er soll sehr umgänglich und liebkosend seyn.

Der
*) Man sehe Buffon Hist. nat. Tom. XIV. p. 5. und 108.
XV. Fragment. Affenkoͤpfe.
c) Jn der Naͤhe der Augen, wenigſtens der Augenhoͤhlen im Schaͤdel.
d) Jn der oben ſchmalen, unten breitgedruͤckten, nicht hervorſpringenden Naſe.
e) Jn der widrigen Hoͤhe der Ohren, die am Menſchenkopfe beynahe immer mit Aug-
braun und Naſe parallel laufen.
f) Jn dem Uebergange von der Naſe zum Munde, der beynahe ſo lang iſt, als das Kinn,
da er beym Menſchen gemeiniglich nur die Haͤlfte der Kinnlaͤnge hat.
g) Jn der einfachen bogenfoͤrmigen Geſtalt der Lippen.
h) Jn der dreyeckigten Form des ganzen Kopfs.

Des Haares — des Halſes nicht zu gedenken. —

Man ſagt von dieſem Thiere: Es ſey in ſeinen Gebaͤrden traurig; ſein Gang ſey gravitaͤ-
tiſch, ſeine Bewegungen, wie abgemeſſen; ſein Naturell ziemlich ſanftmuͤthig und von anderer Af-
fen ihrem ſehr verſchieden; er ſey nicht ſo ungeduldig, wie der Maggot (25. 27.) — nicht ſo boͤs-
artig, wie der Pavian, 21. noch ſo ausſchweifend, wie die langgeſchwaͤnzten Affen.

Eine menſchlichere Lippe hat unter allen, die wir hier ſehen, keiner.

Jm hoͤchſten Grade thieriſch ſind alle, etwa zwey oder drey ausgenommen.

Der menſchlichſte nach dem ſo unmenſchlichen Ourang-Outang iſt 7. und 8,

Der Gibbon — wie auch ſein Schaͤdel 9. zeigt. Dieſer Affe ſoll ebenfalls von gelaßner
Art, ſanftmuͤthig in ſeinem Betragen — ſeine Bewegungen nicht ſo haſtig und ungeſtuͤm ſeyn;
ſoll alles, was man ihm zu eſſen giebt, ſachte annehmen, und ſich vor Kaͤlte und Feuchtigkeit ſehr
ſcheuen. — Allein ſeine ganze Geſtalt iſt ſo unmenſchlich, wie moͤglich; ſeine disproportionirten ent-
ſetzlichen Arme — reichen an den Boden, wenn er aufrecht ſteht. *)

Wie in 6. die Entfernung der Naſe von dem Munde das Thieriſche bezeichnet; ſo in 7.
beſonders in 8. die Naͤhe der Naſe und des Mundes.

Unter die ſanftern gehoͤrt auch 21. der Maimon, deſſen Augenwinkel am meiſten Menſch-
liches zu haben ſcheinen. Er ſoll ſehr umgaͤnglich und liebkoſend ſeyn.

Der
*) Man ſehe Buffon Hiſt. nat. Tom. XIV. p. 5. und 108.
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[176/0252] XV. Fragment. Affenkoͤpfe. c) Jn der Naͤhe der Augen, wenigſtens der Augenhoͤhlen im Schaͤdel. d) Jn der oben ſchmalen, unten breitgedruͤckten, nicht hervorſpringenden Naſe. e) Jn der widrigen Hoͤhe der Ohren, die am Menſchenkopfe beynahe immer mit Aug- braun und Naſe parallel laufen. f) Jn dem Uebergange von der Naſe zum Munde, der beynahe ſo lang iſt, als das Kinn, da er beym Menſchen gemeiniglich nur die Haͤlfte der Kinnlaͤnge hat. g) Jn der einfachen bogenfoͤrmigen Geſtalt der Lippen. h) Jn der dreyeckigten Form des ganzen Kopfs. Des Haares — des Halſes nicht zu gedenken. — Man ſagt von dieſem Thiere: Es ſey in ſeinen Gebaͤrden traurig; ſein Gang ſey gravitaͤ- tiſch, ſeine Bewegungen, wie abgemeſſen; ſein Naturell ziemlich ſanftmuͤthig und von anderer Af- fen ihrem ſehr verſchieden; er ſey nicht ſo ungeduldig, wie der Maggot (25. 27.) — nicht ſo boͤs- artig, wie der Pavian, 21. noch ſo ausſchweifend, wie die langgeſchwaͤnzten Affen. Eine menſchlichere Lippe hat unter allen, die wir hier ſehen, keiner. Jm hoͤchſten Grade thieriſch ſind alle, etwa zwey oder drey ausgenommen. Der menſchlichſte nach dem ſo unmenſchlichen Ourang-Outang iſt 7. und 8, Der Gibbon — wie auch ſein Schaͤdel 9. zeigt. Dieſer Affe ſoll ebenfalls von gelaßner Art, ſanftmuͤthig in ſeinem Betragen — ſeine Bewegungen nicht ſo haſtig und ungeſtuͤm ſeyn; ſoll alles, was man ihm zu eſſen giebt, ſachte annehmen, und ſich vor Kaͤlte und Feuchtigkeit ſehr ſcheuen. — Allein ſeine ganze Geſtalt iſt ſo unmenſchlich, wie moͤglich; ſeine disproportionirten ent- ſetzlichen Arme — reichen an den Boden, wenn er aufrecht ſteht. *) Wie in 6. die Entfernung der Naſe von dem Munde das Thieriſche bezeichnet; ſo in 7. beſonders in 8. die Naͤhe der Naſe und des Mundes. Unter die ſanftern gehoͤrt auch 21. der Maimon, deſſen Augenwinkel am meiſten Menſch- liches zu haben ſcheinen. Er ſoll ſehr umgaͤnglich und liebkoſend ſeyn. Der *) Man ſehe Buffon Hiſt. nat. Tom. XIV. p. 5. und 108.

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/252>, abgerufen am 20.04.2024.