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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

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I. Fragment.
Geistes zu erforschen, für Thorheit halte -- Diese Bezeugung wird man an dieser Stelle darum
nicht für überflüßig achten, weil wackere Männer, die mich lieben, und die ich liebe, öffentlich Be-
sorgnisse äusserten, daß ich dem groben Materialismus das Wort rede ...

7.

VI. Fragment. Vom Bemerken der Vollkommenheiten und Unvollkom-
menheiten überhaupt. Seite
43.

Ueber dieses Fragment weiß ich weiter nichts zu sagen, als über die letzte Zeile:

"Und in einer Welt, wie die unsrige ist, guter Gott! wer kann Unvollkommenheiten be-
"kannt machen, ohne mehr zu schaden als zu nützen." --

Es giebt eine Weise, ich hoffe sie zum Theil gelernt zu haben, von Unvollkommenheiten zu
reden, die -- nicht nur nicht schädlich, die nützlich ist -- Nur sey's allemal des Herzens Drang --
nützlich zu seyn! wer will, der kann -- nicht freylich ausser sich würken, was er will; aber in
sich ... Nicht so, daß, was er von der guten oder fehlerhaften Seite anderer sagt -- nicht miß-
braucht werden könne -- aber so, daß er keine Schuld hat, wenn es mißbraucht wird.

8.

Ueber das VII. und VIII. Fragment, Wahrheit der Physiognomik; Physiognomik
eine Wissenschaft,
hab' ich itzo kein Wort hinzu, keines davon zu thun.

9.

IX. Fragment. Von der Harmonie moralischer und körperlicher
Schönheit. Seite
62.

"Ein jeder vielmals wiederholter Zug, eine jede oftmalige Lage, Veränderung des Ge-
"sichtes, macht endlich einen bleibenden Eindruck auf den weichen Theilen des Angesichts. Je
"stärker der Zug, und je öfter er wiederholt wird, desto stärkern, tiefern, unvertilgbarern Eindruck
"(und wie unten wird erwiesen werden, selbst auf die knochigten Theile von früher Jugend an)
"macht er."

Hierüber einige nähere Bestimmung. -- Wenn wir von Eindrücken auf die Knochen re-
den; so versteht sich's nicht so, daß bey einem erwachsenen Menschen, dessen Knochen schon die voll-
kommenste Härte haben -- bloße Aufwallungen vorübergehender Leidenschaften sehr merkbare

Fußstapfen

I. Fragment.
Geiſtes zu erforſchen, fuͤr Thorheit halte — Dieſe Bezeugung wird man an dieſer Stelle darum
nicht fuͤr uͤberfluͤßig achten, weil wackere Maͤnner, die mich lieben, und die ich liebe, oͤffentlich Be-
ſorgniſſe aͤuſſerten, daß ich dem groben Materialismus das Wort rede ...

7.

VI. Fragment. Vom Bemerken der Vollkommenheiten und Unvollkom-
menheiten uͤberhaupt. Seite
43.

Ueber dieſes Fragment weiß ich weiter nichts zu ſagen, als uͤber die letzte Zeile:

„Und in einer Welt, wie die unſrige iſt, guter Gott! wer kann Unvollkommenheiten be-
„kannt machen, ohne mehr zu ſchaden als zu nuͤtzen.“ —

Es giebt eine Weiſe, ich hoffe ſie zum Theil gelernt zu haben, von Unvollkommenheiten zu
reden, die — nicht nur nicht ſchaͤdlich, die nuͤtzlich iſt — Nur ſey’s allemal des Herzens Drang —
nuͤtzlich zu ſeyn! wer will, der kann — nicht freylich auſſer ſich wuͤrken, was er will; aber in
ſich ... Nicht ſo, daß, was er von der guten oder fehlerhaften Seite anderer ſagt — nicht miß-
braucht werden koͤnne — aber ſo, daß er keine Schuld hat, wenn es mißbraucht wird.

8.

Ueber das VII. und VIII. Fragment, Wahrheit der Phyſiognomik; Phyſiognomik
eine Wiſſenſchaft,
hab’ ich itzo kein Wort hinzu, keines davon zu thun.

9.

IX. Fragment. Von der Harmonie moraliſcher und koͤrperlicher
Schoͤnheit. Seite
62.

„Ein jeder vielmals wiederholter Zug, eine jede oftmalige Lage, Veraͤnderung des Ge-
„ſichtes, macht endlich einen bleibenden Eindruck auf den weichen Theilen des Angeſichts. Je
„ſtaͤrker der Zug, und je oͤfter er wiederholt wird, deſto ſtaͤrkern, tiefern, unvertilgbarern Eindruck
„(und wie unten wird erwieſen werden, ſelbſt auf die knochigten Theile von fruͤher Jugend an)
„macht er.“

Hieruͤber einige naͤhere Beſtimmung. — Wenn wir von Eindruͤcken auf die Knochen re-
den; ſo verſteht ſich’s nicht ſo, daß bey einem erwachſenen Menſchen, deſſen Knochen ſchon die voll-
kommenſte Haͤrte haben — bloße Aufwallungen voruͤbergehender Leidenſchaften ſehr merkbare

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[10/0026] I. Fragment. Geiſtes zu erforſchen, fuͤr Thorheit halte — Dieſe Bezeugung wird man an dieſer Stelle darum nicht fuͤr uͤberfluͤßig achten, weil wackere Maͤnner, die mich lieben, und die ich liebe, oͤffentlich Be- ſorgniſſe aͤuſſerten, daß ich dem groben Materialismus das Wort rede ... 7. VI. Fragment. Vom Bemerken der Vollkommenheiten und Unvollkom- menheiten uͤberhaupt. Seite 43. Ueber dieſes Fragment weiß ich weiter nichts zu ſagen, als uͤber die letzte Zeile: „Und in einer Welt, wie die unſrige iſt, guter Gott! wer kann Unvollkommenheiten be- „kannt machen, ohne mehr zu ſchaden als zu nuͤtzen.“ — Es giebt eine Weiſe, ich hoffe ſie zum Theil gelernt zu haben, von Unvollkommenheiten zu reden, die — nicht nur nicht ſchaͤdlich, die nuͤtzlich iſt — Nur ſey’s allemal des Herzens Drang — nuͤtzlich zu ſeyn! wer will, der kann — nicht freylich auſſer ſich wuͤrken, was er will; aber in ſich ... Nicht ſo, daß, was er von der guten oder fehlerhaften Seite anderer ſagt — nicht miß- braucht werden koͤnne — aber ſo, daß er keine Schuld hat, wenn es mißbraucht wird. 8. Ueber das VII. und VIII. Fragment, Wahrheit der Phyſiognomik; Phyſiognomik eine Wiſſenſchaft, hab’ ich itzo kein Wort hinzu, keines davon zu thun. 9. IX. Fragment. Von der Harmonie moraliſcher und koͤrperlicher Schoͤnheit. Seite 62. „Ein jeder vielmals wiederholter Zug, eine jede oftmalige Lage, Veraͤnderung des Ge- „ſichtes, macht endlich einen bleibenden Eindruck auf den weichen Theilen des Angeſichts. Je „ſtaͤrker der Zug, und je oͤfter er wiederholt wird, deſto ſtaͤrkern, tiefern, unvertilgbarern Eindruck „(und wie unten wird erwieſen werden, ſelbſt auf die knochigten Theile von fruͤher Jugend an) „macht er.“ Hieruͤber einige naͤhere Beſtimmung. — Wenn wir von Eindruͤcken auf die Knochen re- den; ſo verſteht ſich’s nicht ſo, daß bey einem erwachſenen Menſchen, deſſen Knochen ſchon die voll- kommenſte Haͤrte haben — bloße Aufwallungen voruͤbergehender Leidenſchaften ſehr merkbare Fußſtapfen

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/26>, abgerufen am 24.04.2024.