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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

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Revision des ersten Bandes.
19.

Seite 123.

Der Pferdekopf ist eines trägen und tückischen Pferdes.

20.

IX. Fragment. Neunzehnte Zugabe. Seite 124.

"Die Stirn des ersten ist nichts außerordentliches" -- Jn gewissem Sinne ist sie's doch,
weil die meisten Stirnen nur Einen Einbug, und zwo Erhöhungen haben; diese hingegen zwo
Höhlungen und drey Höhen -- Nicht außerordentlich -- ist sie also nur in dem Sinne -- daß sie
nicht außerordentliche Geistesgröße anzeigt.

21.

IX. Fragment. 21. Zugabe. Seite 132.

Die Anmerkung über den Winkelmannschen Ausdruck: Unkörperliche Schönheit wer-
de weggestrichen. An sich wahr, aber sie trifft nicht Winkelmann, der, wie ich, auch ohne Herrn
Nikolais richtige Erinnerung, hätte sehen sollen, dadurch bloß idealische, nicht würklich in der
Körperwelt vorhandene Schönheiten versteht. Daß es übrigens auf Eins hinauskomme, soll ein
besonderes Fragment zeigen, das bald folgen wird.

22.

Zu dem XI. Fragmente von den Schwierigkeiten der Physiognomik.

Eine der größten ist -- wie ich bald auf allen Seiten angedeutet habe, und weiter andeu-
ten muß, -- der Mangel an Zeichnungsgabe -- und die allergrößte, der Mangel an Sprache.
Die meisten Zeichner sehen nicht; sehen nur Nebel und Gewölke; -- und wenn sie sehen; so sind
sie so gewohnt, nicht zu zeichnen, was sie sehen, sondern was Modegeschmack und Manier heißt,
daß ich oft beynahe an dem Fortgange physiognomischer Kenntnisse, Gefühle, Handlungen,
oder einer physiognomischen Weltreformation, physiognomischen Beförderung des sichtbaren und
unsichtbaren Reichs unsers Herrn, dem alles, alles, jeder Pinselzug, jeder Radirnadelpunkt dienen
soll und muß, -- verzage. Nur Jünglinge, unter großen physiognomischen Zeichnern elementarisch
gebildet, können nach und nach -- die Physiognomik unglaublich erleichtern. Diese aber müßten

erst
Reviſion des erſten Bandes.
19.

Seite 123.

Der Pferdekopf iſt eines traͤgen und tuͤckiſchen Pferdes.

20.

IX. Fragment. Neunzehnte Zugabe. Seite 124.

„Die Stirn des erſten iſt nichts außerordentliches“ — Jn gewiſſem Sinne iſt ſie’s doch,
weil die meiſten Stirnen nur Einen Einbug, und zwo Erhoͤhungen haben; dieſe hingegen zwo
Hoͤhlungen und drey Hoͤhen — Nicht außerordentlich — iſt ſie alſo nur in dem Sinne — daß ſie
nicht außerordentliche Geiſtesgroͤße anzeigt.

21.

IX. Fragment. 21. Zugabe. Seite 132.

Die Anmerkung uͤber den Winkelmannſchen Ausdruck: Unkoͤrperliche Schoͤnheit wer-
de weggeſtrichen. An ſich wahr, aber ſie trifft nicht Winkelmann, der, wie ich, auch ohne Herrn
Nikolais richtige Erinnerung, haͤtte ſehen ſollen, dadurch bloß idealiſche, nicht wuͤrklich in der
Koͤrperwelt vorhandene Schoͤnheiten verſteht. Daß es uͤbrigens auf Eins hinauskomme, ſoll ein
beſonderes Fragment zeigen, das bald folgen wird.

22.

Zu dem XI. Fragmente von den Schwierigkeiten der Phyſiognomik.

Eine der groͤßten iſt — wie ich bald auf allen Seiten angedeutet habe, und weiter andeu-
ten muß, — der Mangel an Zeichnungsgabe — und die allergroͤßte, der Mangel an Sprache.
Die meiſten Zeichner ſehen nicht; ſehen nur Nebel und Gewoͤlke; — und wenn ſie ſehen; ſo ſind
ſie ſo gewohnt, nicht zu zeichnen, was ſie ſehen, ſondern was Modegeſchmack und Manier heißt,
daß ich oft beynahe an dem Fortgange phyſiognomiſcher Kenntniſſe, Gefuͤhle, Handlungen,
oder einer phyſiognomiſchen Weltreformation, phyſiognomiſchen Befoͤrderung des ſichtbaren und
unſichtbaren Reichs unſers Herrn, dem alles, alles, jeder Pinſelzug, jeder Radirnadelpunkt dienen
ſoll und muß, — verzage. Nur Juͤnglinge, unter großen phyſiognomiſchen Zeichnern elementariſch
gebildet, koͤnnen nach und nach — die Phyſiognomik unglaublich erleichtern. Dieſe aber muͤßten

erſt
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[15/0031] Reviſion des erſten Bandes. 19. Seite 123. Der Pferdekopf iſt eines traͤgen und tuͤckiſchen Pferdes. 20. IX. Fragment. Neunzehnte Zugabe. Seite 124. „Die Stirn des erſten iſt nichts außerordentliches“ — Jn gewiſſem Sinne iſt ſie’s doch, weil die meiſten Stirnen nur Einen Einbug, und zwo Erhoͤhungen haben; dieſe hingegen zwo Hoͤhlungen und drey Hoͤhen — Nicht außerordentlich — iſt ſie alſo nur in dem Sinne — daß ſie nicht außerordentliche Geiſtesgroͤße anzeigt. 21. IX. Fragment. 21. Zugabe. Seite 132. Die Anmerkung uͤber den Winkelmannſchen Ausdruck: Unkoͤrperliche Schoͤnheit wer- de weggeſtrichen. An ſich wahr, aber ſie trifft nicht Winkelmann, der, wie ich, auch ohne Herrn Nikolais richtige Erinnerung, haͤtte ſehen ſollen, dadurch bloß idealiſche, nicht wuͤrklich in der Koͤrperwelt vorhandene Schoͤnheiten verſteht. Daß es uͤbrigens auf Eins hinauskomme, ſoll ein beſonderes Fragment zeigen, das bald folgen wird. 22. Zu dem XI. Fragmente von den Schwierigkeiten der Phyſiognomik. Eine der groͤßten iſt — wie ich bald auf allen Seiten angedeutet habe, und weiter andeu- ten muß, — der Mangel an Zeichnungsgabe — und die allergroͤßte, der Mangel an Sprache. Die meiſten Zeichner ſehen nicht; ſehen nur Nebel und Gewoͤlke; — und wenn ſie ſehen; ſo ſind ſie ſo gewohnt, nicht zu zeichnen, was ſie ſehen, ſondern was Modegeſchmack und Manier heißt, daß ich oft beynahe an dem Fortgange phyſiognomiſcher Kenntniſſe, Gefuͤhle, Handlungen, oder einer phyſiognomiſchen Weltreformation, phyſiognomiſchen Befoͤrderung des ſichtbaren und unſichtbaren Reichs unſers Herrn, dem alles, alles, jeder Pinſelzug, jeder Radirnadelpunkt dienen ſoll und muß, — verzage. Nur Juͤnglinge, unter großen phyſiognomiſchen Zeichnern elementariſch gebildet, koͤnnen nach und nach — die Phyſiognomik unglaublich erleichtern. Dieſe aber muͤßten erſt

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/31>, abgerufen am 29.03.2024.