Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.

Bild:
<< vorherige Seite
Musiker.
b. Niklas Jomelli. Zwey Vollgesichter.
Des III Ban-
des LVIII.
Tafel.

Hier der wahrhaftig verdeutschte Jomelli! hier steht oder sitzt der Virtuose in politischer
Würde; das Gesicht in producirende Ordnung gelegt -- der vorige war der Tonschö-
pfer in seiner unraubbaren Freyheit; dieser ist der Tonkünstler am Hofe! Entfaltet und
ausgekehrt -- wie im Gallakleide, rasirt und gewaschen zu glücklicher Uebereinkunft mit Parucke
und Haarbeutel.

Jm Umrisse ist noch mehr vom musikalischen Genie sichtbar, als im schattirten Bilde.

Das Aug in 1. ist verstaunt -- in 2. treffender.

Gewiß aber ist's doch, daß diese beyden Gesichter -- wahrer, alltäglicher, jomellischer, und
daneben -- nur musikalisch Virtuos sind. So kann kein Philosoph, kein Staatskluger, kein --
moralischer Seiltänzer aussehen.

Das Zurückgehen der Stirne ist in beyden diesen Bildern sichtbarer -- und dadurch erhält
der Ausdruck von reicherm Jmaginationsgenie -- wieder so viel, als ihm durch die Breitheit des
Gesichtes abzugehen scheint.

Das untere Gesicht scheint mehr Prätension zu haben, als das obere.

Wir setzen hier noch einen jungen musikalischen Kopf zur Vignette hin.

[Abbildung]

Drittes
Muſiker.
b. Niklas Jomelli. Zwey Vollgeſichter.
Des III Ban-
des LVIII.
Tafel.

Hier der wahrhaftig verdeutſchte Jomelli! hier ſteht oder ſitzt der Virtuoſe in politiſcher
Wuͤrde; das Geſicht in producirende Ordnung gelegt — der vorige war der Tonſchoͤ-
pfer in ſeiner unraubbaren Freyheit; dieſer iſt der Tonkuͤnſtler am Hofe! Entfaltet und
ausgekehrt — wie im Gallakleide, raſirt und gewaſchen zu gluͤcklicher Uebereinkunft mit Parucke
und Haarbeutel.

Jm Umriſſe iſt noch mehr vom muſikaliſchen Genie ſichtbar, als im ſchattirten Bilde.

Das Aug in 1. iſt verſtaunt — in 2. treffender.

Gewiß aber iſt’s doch, daß dieſe beyden Geſichter — wahrer, alltaͤglicher, jomelliſcher, und
daneben — nur muſikaliſch Virtuos ſind. So kann kein Philoſoph, kein Staatskluger, kein —
moraliſcher Seiltaͤnzer ausſehen.

Das Zuruͤckgehen der Stirne iſt in beyden dieſen Bildern ſichtbarer — und dadurch erhaͤlt
der Ausdruck von reicherm Jmaginationsgenie — wieder ſo viel, als ihm durch die Breitheit des
Geſichtes abzugehen ſcheint.

Das untere Geſicht ſcheint mehr Praͤtenſion zu haben, als das obere.

Wir ſetzen hier noch einen jungen muſikaliſchen Kopf zur Vignette hin.

[Abbildung]

Drittes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0331" n="199"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Mu&#x017F;iker</hi>.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">b.</hi> Niklas Jomelli. Zwey Vollge&#x017F;ichter.</hi> </head><lb/>
            <note place="left">Des <hi rendition="#aq">III</hi> Ban-<lb/>
des <hi rendition="#aq">LVIII.</hi><lb/>
Tafel.</note>
            <p><hi rendition="#in">H</hi>ier der wahrhaftig verdeut&#x017F;chte <hi rendition="#fr">Jomelli!</hi> hier &#x017F;teht oder &#x017F;itzt der Virtuo&#x017F;e in politi&#x017F;cher<lb/>
Wu&#x0364;rde; das Ge&#x017F;icht in producirende Ordnung gelegt &#x2014; der vorige war der Ton&#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
pfer in &#x017F;einer unraubbaren Freyheit; die&#x017F;er i&#x017F;t der Tonku&#x0364;n&#x017F;tler am Hofe! Entfaltet und<lb/>
ausgekehrt &#x2014; wie im Gallakleide, ra&#x017F;irt und gewa&#x017F;chen zu glu&#x0364;cklicher Uebereinkunft mit Parucke<lb/>
und Haarbeutel.</p><lb/>
            <p>Jm Umri&#x017F;&#x017F;e i&#x017F;t noch mehr vom mu&#x017F;ikali&#x017F;chen Genie &#x017F;ichtbar, als im &#x017F;chattirten Bilde.</p><lb/>
            <p>Das Aug in 1. i&#x017F;t ver&#x017F;taunt &#x2014; in 2. treffender.</p><lb/>
            <p>Gewiß aber i&#x017F;t&#x2019;s doch, daß die&#x017F;e beyden Ge&#x017F;ichter &#x2014; wahrer, allta&#x0364;glicher, jomelli&#x017F;cher, und<lb/>
daneben &#x2014; nur mu&#x017F;ikali&#x017F;ch Virtuos &#x017F;ind. So kann kein Philo&#x017F;oph, kein Staatskluger, kein &#x2014;<lb/>
morali&#x017F;cher Seilta&#x0364;nzer aus&#x017F;ehen.</p><lb/>
            <p>Das Zuru&#x0364;ckgehen der Stirne i&#x017F;t in beyden die&#x017F;en Bildern &#x017F;ichtbarer &#x2014; und dadurch erha&#x0364;lt<lb/>
der Ausdruck von reicherm Jmaginationsgenie &#x2014; wieder &#x017F;o viel, als ihm durch die Breitheit des<lb/>
Ge&#x017F;ichtes abzugehen &#x017F;cheint.</p><lb/>
            <p>Das untere Ge&#x017F;icht &#x017F;cheint mehr Pra&#x0364;ten&#x017F;ion zu haben, als das obere.</p><lb/>
            <p>Wir &#x017F;etzen hier noch einen jungen mu&#x017F;ikali&#x017F;chen Kopf zur Vignette hin.</p><lb/>
            <figure/>
          </div>
        </div>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Drittes</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0331] Muſiker. b. Niklas Jomelli. Zwey Vollgeſichter. Hier der wahrhaftig verdeutſchte Jomelli! hier ſteht oder ſitzt der Virtuoſe in politiſcher Wuͤrde; das Geſicht in producirende Ordnung gelegt — der vorige war der Tonſchoͤ- pfer in ſeiner unraubbaren Freyheit; dieſer iſt der Tonkuͤnſtler am Hofe! Entfaltet und ausgekehrt — wie im Gallakleide, raſirt und gewaſchen zu gluͤcklicher Uebereinkunft mit Parucke und Haarbeutel. Jm Umriſſe iſt noch mehr vom muſikaliſchen Genie ſichtbar, als im ſchattirten Bilde. Das Aug in 1. iſt verſtaunt — in 2. treffender. Gewiß aber iſt’s doch, daß dieſe beyden Geſichter — wahrer, alltaͤglicher, jomelliſcher, und daneben — nur muſikaliſch Virtuos ſind. So kann kein Philoſoph, kein Staatskluger, kein — moraliſcher Seiltaͤnzer ausſehen. Das Zuruͤckgehen der Stirne iſt in beyden dieſen Bildern ſichtbarer — und dadurch erhaͤlt der Ausdruck von reicherm Jmaginationsgenie — wieder ſo viel, als ihm durch die Breitheit des Geſichtes abzugehen ſcheint. Das untere Geſicht ſcheint mehr Praͤtenſion zu haben, als das obere. Wir ſetzen hier noch einen jungen muſikaliſchen Kopf zur Vignette hin. [Abbildung] Drittes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/331
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente03_1777/331>, abgerufen am 19.04.2024.