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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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III. Abschnitt. VIII. Fragment.

Respekt vor der Menschheit, wo du sie siehst -- an andern und an dir -- einziges tiefstes
Fundament aller Tugend. -- Wie kann der Körper des Menschen mehr geehrt werden, als durch
den Namen Tempel des Geistes -- Stätte göttlicher Offenbarung!

6.

Jn welchem Beruf ein jeder berufen worden, in demselben bleibe er. 1 Cor. VII. 20.
24. Die Summe aller Physiognomik. Handle nach deinem Gesichte. Thue nur das Gute, was
du nach deinem Charakter thun kannst und sollst. Bleib in deinem Kreise!

7.

Das Geistliche ist nicht zum ersten, sondern das Natürliche, darnach das Geist-
liche. Der erste Mensch aus der Erde ist irrdisch. Der andere Mensch ist der Herr
aus dem Himmel. Welcherley der irrdische ist, solcherley sind auch die irrdischen.
Welcherley der himmlische ist, solcherley sind auch die himmlischen. Und wie wir das
Bildniß des irrdischen getragen haben -- also werden wir auch das Bildniß des himm-
lischen tragen. Freylich Fleisch und Blut mögen das Reich Gottes nicht ererben. Wir
werden alle verwandelt werden.
1. Cor. XV.

Siehe da Geist und Zweck aller Religion, Fürsehung -- die Catastrophe des unüberseh-
lichen Drama -- am Ende alles Christusähnlich, wie nun alles Adamähnlich -- dessen freue ich
mich, und werde mich freuen, so oft ich Gutes oder Böses an mir wahrnehme. Das Böse wird
gut, das menschlich Gute göttlich gut werden. Mein Leib -- wird Organum der Gottheit wer-
den, wie Christus Leib.

8.

Jhr seyd unser Brief, geschrieben nicht mit Dinten, sondern mit dem Geiste
des lebendigen Gottes -- ein Brief Christi, der von allen Menschen verstanden und
gelesen wird.
2. Cor. III. 2. Was braucht's Empfehlungsschreiben für gute Menschen an gute
Menschen? Das offne Gesicht empfiehlt sich dem offnen Gesichte -- Alle Empfehlungsschreiben
empfehlen ein falsches Gesicht nicht -- und keine Verläumder können einem Gesichte voll göttlichen
Geistes seine Empfehlungsbriefe zerreissen. Ein gutes Gesicht ist der beste Paß.

9. Der
III. Abſchnitt. VIII. Fragment.

Reſpekt vor der Menſchheit, wo du ſie ſiehſt — an andern und an dir — einziges tiefſtes
Fundament aller Tugend. — Wie kann der Koͤrper des Menſchen mehr geehrt werden, als durch
den Namen Tempel des Geiſtes — Staͤtte goͤttlicher Offenbarung!

6.

Jn welchem Beruf ein jeder berufen worden, in demſelben bleibe er. 1 Cor. VII. 20.
24. Die Summe aller Phyſiognomik. Handle nach deinem Geſichte. Thue nur das Gute, was
du nach deinem Charakter thun kannſt und ſollſt. Bleib in deinem Kreiſe!

7.

Das Geiſtliche iſt nicht zum erſten, ſondern das Natuͤrliche, darnach das Geiſt-
liche. Der erſte Menſch aus der Erde iſt irrdiſch. Der andere Menſch iſt der Herr
aus dem Himmel. Welcherley der irrdiſche iſt, ſolcherley ſind auch die irrdiſchen.
Welcherley der himmliſche iſt, ſolcherley ſind auch die himmliſchen. Und wie wir das
Bildniß des irrdiſchen getragen haben — alſo werden wir auch das Bildniß des himm-
liſchen tragen. Freylich Fleiſch und Blut moͤgen das Reich Gottes nicht ererben. Wir
werden alle verwandelt werden.
1. Cor. XV.

Siehe da Geiſt und Zweck aller Religion, Fuͤrſehung — die Cataſtrophe des unuͤberſeh-
lichen Drama — am Ende alles Chriſtusaͤhnlich, wie nun alles Adamaͤhnlich — deſſen freue ich
mich, und werde mich freuen, ſo oft ich Gutes oder Boͤſes an mir wahrnehme. Das Boͤſe wird
gut, das menſchlich Gute goͤttlich gut werden. Mein Leib — wird Organum der Gottheit wer-
den, wie Chriſtus Leib.

8.

Jhr ſeyd unſer Brief, geſchrieben nicht mit Dinten, ſondern mit dem Geiſte
des lebendigen Gottes — ein Brief Chriſti, der von allen Menſchen verſtanden und
geleſen wird.
2. Cor. III. 2. Was braucht’s Empfehlungsſchreiben fuͤr gute Menſchen an gute
Menſchen? Das offne Geſicht empfiehlt ſich dem offnen Geſichte — Alle Empfehlungsſchreiben
empfehlen ein falſches Geſicht nicht — und keine Verlaͤumder koͤnnen einem Geſichte voll goͤttlichen
Geiſtes ſeine Empfehlungsbriefe zerreiſſen. Ein gutes Geſicht iſt der beſte Paß.

9. Der
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[210/0240] III. Abſchnitt. VIII. Fragment. Reſpekt vor der Menſchheit, wo du ſie ſiehſt — an andern und an dir — einziges tiefſtes Fundament aller Tugend. — Wie kann der Koͤrper des Menſchen mehr geehrt werden, als durch den Namen Tempel des Geiſtes — Staͤtte goͤttlicher Offenbarung! 6. Jn welchem Beruf ein jeder berufen worden, in demſelben bleibe er. 1 Cor. VII. 20. 24. Die Summe aller Phyſiognomik. Handle nach deinem Geſichte. Thue nur das Gute, was du nach deinem Charakter thun kannſt und ſollſt. Bleib in deinem Kreiſe! 7. Das Geiſtliche iſt nicht zum erſten, ſondern das Natuͤrliche, darnach das Geiſt- liche. Der erſte Menſch aus der Erde iſt irrdiſch. Der andere Menſch iſt der Herr aus dem Himmel. Welcherley der irrdiſche iſt, ſolcherley ſind auch die irrdiſchen. Welcherley der himmliſche iſt, ſolcherley ſind auch die himmliſchen. Und wie wir das Bildniß des irrdiſchen getragen haben — alſo werden wir auch das Bildniß des himm- liſchen tragen. Freylich Fleiſch und Blut moͤgen das Reich Gottes nicht ererben. Wir werden alle verwandelt werden. 1. Cor. XV. Siehe da Geiſt und Zweck aller Religion, Fuͤrſehung — die Cataſtrophe des unuͤberſeh- lichen Drama — am Ende alles Chriſtusaͤhnlich, wie nun alles Adamaͤhnlich — deſſen freue ich mich, und werde mich freuen, ſo oft ich Gutes oder Boͤſes an mir wahrnehme. Das Boͤſe wird gut, das menſchlich Gute goͤttlich gut werden. Mein Leib — wird Organum der Gottheit wer- den, wie Chriſtus Leib. 8. Jhr ſeyd unſer Brief, geſchrieben nicht mit Dinten, ſondern mit dem Geiſte des lebendigen Gottes — ein Brief Chriſti, der von allen Menſchen verſtanden und geleſen wird. 2. Cor. III. 2. Was braucht’s Empfehlungsſchreiben fuͤr gute Menſchen an gute Menſchen? Das offne Geſicht empfiehlt ſich dem offnen Geſichte — Alle Empfehlungsſchreiben empfehlen ein falſches Geſicht nicht — und keine Verlaͤumder koͤnnen einem Geſichte voll goͤttlichen Geiſtes ſeine Empfehlungsbriefe zerreiſſen. Ein gutes Geſicht iſt der beſte Paß. 9. Der

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/240>, abgerufen am 28.03.2024.