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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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III. Abschnitt. II. Fragment.
Zweytes Fragment.
Stellen aus Huart.
1.

Einige sind klug, und scheinen es nicht zu seyn. Andere scheinen es (Unklugen) und sind es nicht. Andere
sind es nicht, und scheinen es auch nicht. Andere sind es und scheinen es auch. -- Ein einfacher Probierstein
für viele Gesichter.

2.

Der Sohn muß oft den großen Verstand seines Vaters bezahlen.

3.

Das allzufrühe Vernünfteln und Klugseyn ist eine Anzeige eines künstigen Narren.

4.

Wer nicht schwanger ist, kann nicht gebähren, und wenn die geschickteste Hebamme da ist. -- Dar-
um fordre von keinem Gesichte Früchte, deren Saamen es nie empfieng! wie wichtig ist -- wie nütz-
lich die Physiognomik, wenn sie -- weise Wehmutter ist; -- die Kennzeichen jeder geistigen und
moralischen Schwangerschaft kennt -- und nur den Schwangern und allen Schwangern hilft!

5.

Die Figur und äußere Gestalt des Kopfes ist alsdann so, wie sie seyn muß, wenn in einer vollkommen
runden, hohlen Kugel von Wachs, die man ganz sachte auf den Seiten zusammen angedrückt hat, die Stirne
und das hintere Theil des Hauptes einen kleinen Buckel machen. Eine sehr platte Stirn und ein sehr abschießen-
der Hintertheil des Hauptes sind kein gutes Verstandeszeichen. -- Auch bey der Zusammendrückung ei-
ner solchen Form bliebe das Profil des ganzen Kopfes doch noch mehr zirkelförmig, als oval --
und das Profil eines guten Kopfes darf sich nur samt der Nase in eine Zirkelform hineindenken
lassen; also ohne die Nase nähert er sich vielmehr dem Oval, als dem Zirkel. Eine sehr platte Stirn,
sagt unser Verfasser, ist kein gutes Verstandeszeichen. Ja, wenn sie der Plattheit mancher Ochsenstirne
gleicht; aber ich habe Bretstirnen gesehen, wohl verstanden, nur zwischen und über den Augenbrau-
nen breteben -- die außerordentlich klug waren. Es kömmt gar viel auf die Lage und den Um-
schwung des Stirnumrisses an.

6. Kein
III. Abſchnitt. II. Fragment.
Zweytes Fragment.
Stellen aus Huart.
1.

Einige ſind klug, und ſcheinen es nicht zu ſeyn. Andere ſcheinen es (Unklugen) und ſind es nicht. Andere
ſind es nicht, und ſcheinen es auch nicht. Andere ſind es und ſcheinen es auch. — Ein einfacher Probierſtein
fuͤr viele Geſichter.

2.

Der Sohn muß oft den großen Verſtand ſeines Vaters bezahlen.

3.

Das allzufruͤhe Vernuͤnfteln und Klugſeyn iſt eine Anzeige eines kuͤnſtigen Narren.

4.

Wer nicht ſchwanger iſt, kann nicht gebaͤhren, und wenn die geſchickteſte Hebamme da iſt. — Dar-
um fordre von keinem Geſichte Fruͤchte, deren Saamen es nie empfieng! wie wichtig iſt — wie nuͤtz-
lich die Phyſiognomik, wenn ſie — weiſe Wehmutter iſt; — die Kennzeichen jeder geiſtigen und
moraliſchen Schwangerſchaft kennt — und nur den Schwangern und allen Schwangern hilft!

5.

Die Figur und aͤußere Geſtalt des Kopfes iſt alsdann ſo, wie ſie ſeyn muß, wenn in einer vollkommen
runden, hohlen Kugel von Wachs, die man ganz ſachte auf den Seiten zuſammen angedruͤckt hat, die Stirne
und das hintere Theil des Hauptes einen kleinen Buckel machen. Eine ſehr platte Stirn und ein ſehr abſchießen-
der Hintertheil des Hauptes ſind kein gutes Verſtandeszeichen. — Auch bey der Zuſammendruͤckung ei-
ner ſolchen Form bliebe das Profil des ganzen Kopfes doch noch mehr zirkelfoͤrmig, als oval —
und das Profil eines guten Kopfes darf ſich nur ſamt der Naſe in eine Zirkelform hineindenken
laſſen; alſo ohne die Naſe naͤhert er ſich vielmehr dem Oval, als dem Zirkel. Eine ſehr platte Stirn,
ſagt unſer Verfaſſer, iſt kein gutes Verſtandeszeichen. Ja, wenn ſie der Plattheit mancher Ochſenſtirne
gleicht; aber ich habe Bretſtirnen geſehen, wohl verſtanden, nur zwiſchen und uͤber den Augenbrau-
nen breteben — die außerordentlich klug waren. Es koͤmmt gar viel auf die Lage und den Um-
ſchwung des Stirnumriſſes an.

6. Kein
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[176/0206] III. Abſchnitt. II. Fragment. Zweytes Fragment. Stellen aus Huart. 1. Einige ſind klug, und ſcheinen es nicht zu ſeyn. Andere ſcheinen es (Unklugen) und ſind es nicht. Andere ſind es nicht, und ſcheinen es auch nicht. Andere ſind es und ſcheinen es auch. — Ein einfacher Probierſtein fuͤr viele Geſichter. 2. Der Sohn muß oft den großen Verſtand ſeines Vaters bezahlen. 3. Das allzufruͤhe Vernuͤnfteln und Klugſeyn iſt eine Anzeige eines kuͤnſtigen Narren. 4. Wer nicht ſchwanger iſt, kann nicht gebaͤhren, und wenn die geſchickteſte Hebamme da iſt. — Dar- um fordre von keinem Geſichte Fruͤchte, deren Saamen es nie empfieng! wie wichtig iſt — wie nuͤtz- lich die Phyſiognomik, wenn ſie — weiſe Wehmutter iſt; — die Kennzeichen jeder geiſtigen und moraliſchen Schwangerſchaft kennt — und nur den Schwangern und allen Schwangern hilft! 5. Die Figur und aͤußere Geſtalt des Kopfes iſt alsdann ſo, wie ſie ſeyn muß, wenn in einer vollkommen runden, hohlen Kugel von Wachs, die man ganz ſachte auf den Seiten zuſammen angedruͤckt hat, die Stirne und das hintere Theil des Hauptes einen kleinen Buckel machen. Eine ſehr platte Stirn und ein ſehr abſchießen- der Hintertheil des Hauptes ſind kein gutes Verſtandeszeichen. — Auch bey der Zuſammendruͤckung ei- ner ſolchen Form bliebe das Profil des ganzen Kopfes doch noch mehr zirkelfoͤrmig, als oval — und das Profil eines guten Kopfes darf ſich nur ſamt der Naſe in eine Zirkelform hineindenken laſſen; alſo ohne die Naſe naͤhert er ſich vielmehr dem Oval, als dem Zirkel. Eine ſehr platte Stirn, ſagt unſer Verfaſſer, iſt kein gutes Verſtandeszeichen. Ja, wenn ſie der Plattheit mancher Ochſenſtirne gleicht; aber ich habe Bretſtirnen geſehen, wohl verſtanden, nur zwiſchen und uͤber den Augenbrau- nen breteben — die außerordentlich klug waren. Es koͤmmt gar viel auf die Lage und den Um- ſchwung des Stirnumriſſes an. 6. Kein

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/206>, abgerufen am 25.04.2024.