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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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IV. Abschnitt. II. Fragment.
ist, daß es nur drey Hauptklassen von solchen Grundlinien geben kann -- solche, deren Perpen-
dikularhöhe größer, kleiner, oder gleichgroß ist, wie die Hälfte der Horizontallinie.

Sodann kann man wieder einen Zoll höher, als der erste Punkt unmittelbar über den Au-
genbraunen war, wo der Halbzirkel angesetzt ward, diesen Halbzirkel aufs Neue ansetzen, um die
Grundlinie des Mittels der Stirne genau zu finden. Diese Mittelgrundlinie wird denn in die erste
ganze Grundlinie hinein gezeichnet.

Hernach -- woferne nämlich der Kopf nicht dick behaaret ist, kann das Jnstrument über
den Wirbel angeschlagen, und auch diese Linie gefunden werden; sowohl von der Stirne, als von
den Ohren an. Weiter auch die Grundlinie vom Hinterhaupte in derselben Höhe, in welcher die
erste Grundlinie gezogen worden war. -- Sodann auch, den allzuweichen Mund ausgenommen,
das Profil, wiewohl dieß durch genaue Schattenrisse, die Vertiefung in der Mitte der Stirne
ausgenommen, leichter gezeichnet werden kann.

Da das Jnstrument kaum noch vor dem Beschlusse dieses Werkes fertig gemacht werden
konnte, so war es unmöglich, mehr als etwa 16. oder 18. Stirngrundlinien zu ziehen, und nur we-
nige kahle oder leichtbehaarte Köpfe ganz zu messen. Die wenigen Versuche aber bestätigen meine
anfangs gehegte Hoffnung, daß sich vermittelst dieser Ausmessungen -- ob sie gleich der mehr oder
weniger weichen Haut wegen nicht ganz haarscharf möglich sind, die Capazität und die verschiedenen
Charaktere der Stirne mit völlig brauchbarer Genauigkeit bestimmen lassen.

Hier folgen also einige von den ersten Versuchen. Jch ließ alle Köpfe hinten auf demselben
Punkte fest anliegen. Der Halbzirkel griff also bey dem einen tiefer ein, als bey dem andern. Mit
behaarten Köpfen läßt es sich wohl nicht anders anfangen. Mit kahlen lassen sich viel genauere
Calkul machen; indem man einen und denselben fixen Ansetzungspunkt bey dem äußersten Stäbchen,
z. E. gerade vor den Ohren haben kann. Da indessen auch bey dieser itzt gebrauchten Meßart für
alle ein fixer Punkt angenommen worden, so ist dieß schon hinlänglich, das Verhältniß dieser gegen
einander mit hinreichender Genauigkeit zu bestimmen.

Eine

IV. Abſchnitt. II. Fragment.
iſt, daß es nur drey Hauptklaſſen von ſolchen Grundlinien geben kann — ſolche, deren Perpen-
dikularhoͤhe groͤßer, kleiner, oder gleichgroß iſt, wie die Haͤlfte der Horizontallinie.

Sodann kann man wieder einen Zoll hoͤher, als der erſte Punkt unmittelbar uͤber den Au-
genbraunen war, wo der Halbzirkel angeſetzt ward, dieſen Halbzirkel aufs Neue anſetzen, um die
Grundlinie des Mittels der Stirne genau zu finden. Dieſe Mittelgrundlinie wird denn in die erſte
ganze Grundlinie hinein gezeichnet.

Hernach — woferne naͤmlich der Kopf nicht dick behaaret iſt, kann das Jnſtrument uͤber
den Wirbel angeſchlagen, und auch dieſe Linie gefunden werden; ſowohl von der Stirne, als von
den Ohren an. Weiter auch die Grundlinie vom Hinterhaupte in derſelben Hoͤhe, in welcher die
erſte Grundlinie gezogen worden war. — Sodann auch, den allzuweichen Mund ausgenommen,
das Profil, wiewohl dieß durch genaue Schattenriſſe, die Vertiefung in der Mitte der Stirne
ausgenommen, leichter gezeichnet werden kann.

Da das Jnſtrument kaum noch vor dem Beſchluſſe dieſes Werkes fertig gemacht werden
konnte, ſo war es unmoͤglich, mehr als etwa 16. oder 18. Stirngrundlinien zu ziehen, und nur we-
nige kahle oder leichtbehaarte Koͤpfe ganz zu meſſen. Die wenigen Verſuche aber beſtaͤtigen meine
anfangs gehegte Hoffnung, daß ſich vermittelſt dieſer Ausmeſſungen — ob ſie gleich der mehr oder
weniger weichen Haut wegen nicht ganz haarſcharf moͤglich ſind, die Capazitaͤt und die verſchiedenen
Charaktere der Stirne mit voͤllig brauchbarer Genauigkeit beſtimmen laſſen.

Hier folgen alſo einige von den erſten Verſuchen. Jch ließ alle Koͤpfe hinten auf demſelben
Punkte feſt anliegen. Der Halbzirkel griff alſo bey dem einen tiefer ein, als bey dem andern. Mit
behaarten Koͤpfen laͤßt es ſich wohl nicht anders anfangen. Mit kahlen laſſen ſich viel genauere
Calkul machen; indem man einen und denſelben fixen Anſetzungspunkt bey dem aͤußerſten Staͤbchen,
z. E. gerade vor den Ohren haben kann. Da indeſſen auch bey dieſer itzt gebrauchten Meßart fuͤr
alle ein fixer Punkt angenommen worden, ſo iſt dieß ſchon hinlaͤnglich, das Verhaͤltniß dieſer gegen
einander mit hinreichender Genauigkeit zu beſtimmen.

Eine
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[240/0274] IV. Abſchnitt. II. Fragment. iſt, daß es nur drey Hauptklaſſen von ſolchen Grundlinien geben kann — ſolche, deren Perpen- dikularhoͤhe groͤßer, kleiner, oder gleichgroß iſt, wie die Haͤlfte der Horizontallinie. Sodann kann man wieder einen Zoll hoͤher, als der erſte Punkt unmittelbar uͤber den Au- genbraunen war, wo der Halbzirkel angeſetzt ward, dieſen Halbzirkel aufs Neue anſetzen, um die Grundlinie des Mittels der Stirne genau zu finden. Dieſe Mittelgrundlinie wird denn in die erſte ganze Grundlinie hinein gezeichnet. Hernach — woferne naͤmlich der Kopf nicht dick behaaret iſt, kann das Jnſtrument uͤber den Wirbel angeſchlagen, und auch dieſe Linie gefunden werden; ſowohl von der Stirne, als von den Ohren an. Weiter auch die Grundlinie vom Hinterhaupte in derſelben Hoͤhe, in welcher die erſte Grundlinie gezogen worden war. — Sodann auch, den allzuweichen Mund ausgenommen, das Profil, wiewohl dieß durch genaue Schattenriſſe, die Vertiefung in der Mitte der Stirne ausgenommen, leichter gezeichnet werden kann. Da das Jnſtrument kaum noch vor dem Beſchluſſe dieſes Werkes fertig gemacht werden konnte, ſo war es unmoͤglich, mehr als etwa 16. oder 18. Stirngrundlinien zu ziehen, und nur we- nige kahle oder leichtbehaarte Koͤpfe ganz zu meſſen. Die wenigen Verſuche aber beſtaͤtigen meine anfangs gehegte Hoffnung, daß ſich vermittelſt dieſer Ausmeſſungen — ob ſie gleich der mehr oder weniger weichen Haut wegen nicht ganz haarſcharf moͤglich ſind, die Capazitaͤt und die verſchiedenen Charaktere der Stirne mit voͤllig brauchbarer Genauigkeit beſtimmen laſſen. Hier folgen alſo einige von den erſten Verſuchen. Jch ließ alle Koͤpfe hinten auf demſelben Punkte feſt anliegen. Der Halbzirkel griff alſo bey dem einen tiefer ein, als bey dem andern. Mit behaarten Koͤpfen laͤßt es ſich wohl nicht anders anfangen. Mit kahlen laſſen ſich viel genauere Calkul machen; indem man einen und denſelben fixen Anſetzungspunkt bey dem aͤußerſten Staͤbchen, z. E. gerade vor den Ohren haben kann. Da indeſſen auch bey dieſer itzt gebrauchten Meßart fuͤr alle ein fixer Punkt angenommen worden, ſo iſt dieß ſchon hinlaͤnglich, das Verhaͤltniß dieſer gegen einander mit hinreichender Genauigkeit zu beſtimmen. Eine

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/274>, abgerufen am 25.04.2024.