Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Alte zweifelhafte Ueberlieferungen von Christusgestalten.
1. Nach Lentulus.

"Es hat sich bey uns hervorgethan und lebt noch ein Mensch von vielen Tugenden, den man Jesus
"nennt, welcher von vielen Leuten ein Prophet der Wahrheit, von seinen Jüngern aber ein Sohn Gottes genannt
"wird; dieser erweckt die Todten, und heilet die Kranken; er ist ansehnlich und lang von Statur, und von sol-
"chem Ansehen, daß ihn jedermann liebet und fürchtet; er hat bräunlichte Haare, wie die Farbe einer reifen Ha-
"selnuß, oben glatt und dunkel, doch unten zu etwas kraus und heller um die Schultern, auf dem Haupte ge-
"theilet, nach Art der Nazareer, eine freye Stirn und munteres Angesicht, ohne Runzeln und Flecken, mit ei-
"ner mäßigen Röthe geziert; Nase und Mund sind ohne Tadel.

"Er ist eines aufrichtigen und beständigen Gesichtes, von großen klaren Augen, entsetzlich, wenn er be-
"straft; liebreich und sanftmüthig, wenn er ermahnet; frölich, doch mit einer anständigen Gravität, den man nie-
"mals hat lachen gesehen, wohl aber zum öftern weinen; er spricht wenig, aber alles mit Ansehen; seine Gestalt
"ist vortrefflich vor andern Menschenkindern."

Nicephori Callisti, H. E. LI. c. 40. De forma Christi, verba ex interpretatione Ioh. Langii.

"Ut ex antiquis descriptionibus accepimus, sigura Christi talis fuit."

"Formosa species corporis fuit: Statura septem integras spithamas excessit. Capillum habuit nonni-
"hil flavescentem, non densum et in extrema parte aliquantulum crispum: nigra supercilia, non multum cur-
"va nec sine intervallo. Oculos fulvos, qui nominantur charopi: non lusciosos, nulla deformitate insignes, non
"vagabundos, naso erecto, barba flava, non prolixa. Capilli vero capitis prolixi fuerunt: quia nunquam no-
"vacula, aut unius hominis manu tonsi fuerunt. Collum leviter inflexum fuit, ne prorsus erectus incederet.
"Color faciei subfuscus, tritico similis: facies non rotunda, sed qualis fuit matris, aliquantulum demissa, pau-
"lulum rubescens: et vultus ipse significabat hominem intelligentem, et mores graves et placidos, et prorsus
"ab iracundia alienos. Prorsus autem similis erat purissimae matri suae." Centuriator. Magdenburg. Cent. I.
l. 1. c. 10.



Erstes
Alte zweifelhafte Ueberlieferungen von Chriſtusgeſtalten.
1. Nach Lentulus.

„Es hat ſich bey uns hervorgethan und lebt noch ein Menſch von vielen Tugenden, den man Jeſus
„nennt, welcher von vielen Leuten ein Prophet der Wahrheit, von ſeinen Juͤngern aber ein Sohn Gottes genannt
„wird; dieſer erweckt die Todten, und heilet die Kranken; er iſt anſehnlich und lang von Statur, und von ſol-
„chem Anſehen, daß ihn jedermann liebet und fuͤrchtet; er hat braͤunlichte Haare, wie die Farbe einer reifen Ha-
„ſelnuß, oben glatt und dunkel, doch unten zu etwas kraus und heller um die Schultern, auf dem Haupte ge-
„theilet, nach Art der Nazareer, eine freye Stirn und munteres Angeſicht, ohne Runzeln und Flecken, mit ei-
„ner maͤßigen Roͤthe geziert; Naſe und Mund ſind ohne Tadel.

„Er iſt eines aufrichtigen und beſtaͤndigen Geſichtes, von großen klaren Augen, entſetzlich, wenn er be-
„ſtraft; liebreich und ſanftmuͤthig, wenn er ermahnet; froͤlich, doch mit einer anſtaͤndigen Gravitaͤt, den man nie-
„mals hat lachen geſehen, wohl aber zum oͤftern weinen; er ſpricht wenig, aber alles mit Anſehen; ſeine Geſtalt
„iſt vortrefflich vor andern Menſchenkindern.“

Nicephori Calliſti, H. E. LI. c. 40. De forma Chriſti, verba ex interpretatione Ioh. Langii.

„Ut ex antiquis deſcriptionibus accepimus, ſigura Chriſti talis fuit.“

„Formoſa ſpecies corporis fuit: Statura ſeptem integras ſpithamas exceſſit. Capillum habuit nonni-
„hil flaveſcentem, non denſum et in extrema parte aliquantulum criſpum: nigra ſupercilia, non multum cur-
„va nec ſine intervallo. Oculos fulvos, qui nominantur charopi: non luſcioſos, nulla deformitate inſignes, non
„vagabundos, naſo erecto, barba flava, non prolixa. Capilli vero capitis prolixi fuerunt: quia nunquam no-
„vacula, aut unius hominis manu tonſi fuerunt. Collum leviter inflexum fuit, ne prorſus erectus incederet.
„Color faciei ſubfuſcus, tritico ſimilis: facies non rotunda, ſed qualis fuit matris, aliquantulum demiſſa, pau-
„lulum rubeſcens: et vultus ipſe ſignificabat hominem intelligentem, et mores graves et placidos, et prorſus
„ab iracundia alienos. Prorſus autem ſimilis erat puriſſimae matri ſuae.“ Centuriator. Magdenburg. Cent. I.
l. 1. c. 10.



Erſtes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0542"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Alte zweifelhafte Ueberlieferungen von Chri&#x017F;tusge&#x017F;talten.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">1. Nach Lentulus.</hi> </head><lb/>
            <p>&#x201E;Es hat &#x017F;ich bey uns hervorgethan und lebt noch ein Men&#x017F;ch von vielen Tugenden, den man <hi rendition="#fr">Je&#x017F;us</hi><lb/>
&#x201E;nennt, welcher von vielen Leuten ein Prophet der Wahrheit, von &#x017F;einen Ju&#x0364;ngern aber ein Sohn Gottes genannt<lb/>
&#x201E;wird; die&#x017F;er erweckt die Todten, und heilet die Kranken; er i&#x017F;t an&#x017F;ehnlich und lang von Statur, und von &#x017F;ol-<lb/>
&#x201E;chem An&#x017F;ehen, daß ihn jedermann liebet und fu&#x0364;rchtet; er hat bra&#x0364;unlichte Haare, wie die Farbe einer reifen Ha-<lb/>
&#x201E;&#x017F;elnuß, oben glatt und dunkel, doch unten zu etwas kraus und heller um die Schultern, auf dem Haupte ge-<lb/>
&#x201E;theilet, nach Art der Nazareer, eine freye Stirn und munteres Ange&#x017F;icht, ohne Runzeln und Flecken, mit ei-<lb/>
&#x201E;ner ma&#x0364;ßigen Ro&#x0364;the geziert; Na&#x017F;e und Mund &#x017F;ind ohne Tadel.</p><lb/>
            <p>&#x201E;Er i&#x017F;t eines aufrichtigen und be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Ge&#x017F;ichtes, von großen klaren Augen, ent&#x017F;etzlich, wenn er be-<lb/>
&#x201E;&#x017F;traft; liebreich und &#x017F;anftmu&#x0364;thig, wenn er ermahnet; fro&#x0364;lich, doch mit einer an&#x017F;ta&#x0364;ndigen Gravita&#x0364;t, den man nie-<lb/>
&#x201E;mals hat lachen ge&#x017F;ehen, wohl aber zum o&#x0364;ftern weinen; er &#x017F;pricht wenig, aber alles mit An&#x017F;ehen; &#x017F;eine Ge&#x017F;talt<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t vortrefflich vor andern Men&#x017F;chenkindern.&#x201C;</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Nicephori</hi> Calli&#x017F;ti, H. E. LI. c. 40. <hi rendition="#i">De forma Chri&#x017F;ti,</hi> verba ex interpretatione Ioh. <hi rendition="#i">Langii.</hi></hi> </p><lb/>
            <p> <hi rendition="#aq">&#x201E;Ut ex antiquis de&#x017F;criptionibus accepimus, &#x017F;igura Chri&#x017F;ti talis fuit.&#x201C;</hi> </p><lb/>
            <p> <hi rendition="#aq">&#x201E;Formo&#x017F;a &#x017F;pecies corporis fuit: Statura &#x017F;eptem integras &#x017F;pithamas exce&#x017F;&#x017F;it. Capillum habuit nonni-<lb/>
&#x201E;hil flave&#x017F;centem, non den&#x017F;um et in extrema parte aliquantulum cri&#x017F;pum: nigra &#x017F;upercilia, non multum cur-<lb/>
&#x201E;va nec &#x017F;ine intervallo. Oculos fulvos, qui nominantur charopi: non lu&#x017F;cio&#x017F;os, nulla deformitate in&#x017F;ignes, non<lb/>
&#x201E;vagabundos, na&#x017F;o erecto, barba flava, non prolixa. Capilli vero capitis prolixi fuerunt: quia nunquam no-<lb/>
&#x201E;vacula, aut unius hominis manu ton&#x017F;i fuerunt. Collum leviter inflexum fuit, ne pror&#x017F;us erectus incederet.<lb/>
&#x201E;Color faciei &#x017F;ubfu&#x017F;cus, tritico &#x017F;imilis: facies non rotunda, &#x017F;ed qualis fuit matris, aliquantulum demi&#x017F;&#x017F;a, pau-<lb/>
&#x201E;lulum rube&#x017F;cens: et vultus ip&#x017F;e &#x017F;ignificabat hominem intelligentem, et mores graves et placidos, et pror&#x017F;us<lb/>
&#x201E;ab iracundia alienos. Pror&#x017F;us autem &#x017F;imilis erat puri&#x017F;&#x017F;imae matri &#x017F;uae.&#x201C; Centuriator. Magdenburg. Cent. I.<lb/>
l. 1. c. 10.</hi> </p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Er&#x017F;tes</hi> </fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0542] Alte zweifelhafte Ueberlieferungen von Chriſtusgeſtalten. 1. Nach Lentulus. „Es hat ſich bey uns hervorgethan und lebt noch ein Menſch von vielen Tugenden, den man Jeſus „nennt, welcher von vielen Leuten ein Prophet der Wahrheit, von ſeinen Juͤngern aber ein Sohn Gottes genannt „wird; dieſer erweckt die Todten, und heilet die Kranken; er iſt anſehnlich und lang von Statur, und von ſol- „chem Anſehen, daß ihn jedermann liebet und fuͤrchtet; er hat braͤunlichte Haare, wie die Farbe einer reifen Ha- „ſelnuß, oben glatt und dunkel, doch unten zu etwas kraus und heller um die Schultern, auf dem Haupte ge- „theilet, nach Art der Nazareer, eine freye Stirn und munteres Angeſicht, ohne Runzeln und Flecken, mit ei- „ner maͤßigen Roͤthe geziert; Naſe und Mund ſind ohne Tadel. „Er iſt eines aufrichtigen und beſtaͤndigen Geſichtes, von großen klaren Augen, entſetzlich, wenn er be- „ſtraft; liebreich und ſanftmuͤthig, wenn er ermahnet; froͤlich, doch mit einer anſtaͤndigen Gravitaͤt, den man nie- „mals hat lachen geſehen, wohl aber zum oͤftern weinen; er ſpricht wenig, aber alles mit Anſehen; ſeine Geſtalt „iſt vortrefflich vor andern Menſchenkindern.“ Nicephori Calliſti, H. E. LI. c. 40. De forma Chriſti, verba ex interpretatione Ioh. Langii. „Ut ex antiquis deſcriptionibus accepimus, ſigura Chriſti talis fuit.“ „Formoſa ſpecies corporis fuit: Statura ſeptem integras ſpithamas exceſſit. Capillum habuit nonni- „hil flaveſcentem, non denſum et in extrema parte aliquantulum criſpum: nigra ſupercilia, non multum cur- „va nec ſine intervallo. Oculos fulvos, qui nominantur charopi: non luſcioſos, nulla deformitate inſignes, non „vagabundos, naſo erecto, barba flava, non prolixa. Capilli vero capitis prolixi fuerunt: quia nunquam no- „vacula, aut unius hominis manu tonſi fuerunt. Collum leviter inflexum fuit, ne prorſus erectus incederet. „Color faciei ſubfuſcus, tritico ſimilis: facies non rotunda, ſed qualis fuit matris, aliquantulum demiſſa, pau- „lulum rubeſcens: et vultus ipſe ſignificabat hominem intelligentem, et mores graves et placidos, et prorſus „ab iracundia alienos. Prorſus autem ſimilis erat puriſſimae matri ſuae.“ Centuriator. Magdenburg. Cent. I. l. 1. c. 10. Erſtes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/542
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/542>, abgerufen am 29.03.2024.