Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
IX. Abschnitt. III. Fragment.
D. Ein anderer Christuskopf.
[Abbildung]

Jch wüßte nicht, in welcher wirklichen oder erdichteten Situation ich mir diesen Christus denken
könnte. -- Die Güte des Mundes ist so sanguinisch weich, die Nase vornen so breitklug -- die
Augen so wollüstig, Stirn und Raum zwischen den Augenbraunen so kalt und kahl; alles so rund,
so flach, so leidenlos, so seelenlos -- alles ein Ausdruck von behaglich wollüstiger Atonie -- daß
man weder ein Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer; noch ein Selig sind die
geistlich arm sind,
aus diesem Gesichte erwarten darf.

E. Chri-
IX. Abſchnitt. III. Fragment.
D. Ein anderer Chriſtuskopf.
[Abbildung]

Jch wuͤßte nicht, in welcher wirklichen oder erdichteten Situation ich mir dieſen Chriſtus denken
koͤnnte. — Die Guͤte des Mundes iſt ſo ſanguiniſch weich, die Naſe vornen ſo breitklug — die
Augen ſo wolluͤſtig, Stirn und Raum zwiſchen den Augenbraunen ſo kalt und kahl; alles ſo rund,
ſo flach, ſo leidenlos, ſo ſeelenlos — alles ein Ausdruck von behaglich wolluͤſtiger Atonie — daß
man weder ein Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Phariſaͤer; noch ein Selig ſind die
geiſtlich arm ſind,
aus dieſem Geſichte erwarten darf.

E. Chri-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0568" n="442"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Ab&#x017F;chnitt. <hi rendition="#aq">III.</hi> Fragment.</hi> </fw><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">D.</hi> <hi rendition="#g">Ein anderer Chri&#x017F;tuskopf.</hi> </hi> </head><lb/>
              <figure/>
              <p><hi rendition="#in">J</hi>ch wu&#x0364;ßte nicht, in welcher wirklichen oder erdichteten Situation ich mir die&#x017F;en <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tus</hi> denken<lb/>
ko&#x0364;nnte. &#x2014; Die Gu&#x0364;te des Mundes i&#x017F;t &#x017F;o <hi rendition="#fr">&#x017F;anguini&#x017F;ch weich,</hi> die Na&#x017F;e vornen &#x017F;o breitklug &#x2014; die<lb/>
Augen &#x017F;o wollu&#x0364;&#x017F;tig, Stirn und Raum zwi&#x017F;chen den Augenbraunen &#x017F;o kalt und kahl; alles &#x017F;o rund,<lb/>
&#x017F;o flach, &#x017F;o leidenlos, &#x017F;o &#x017F;eelenlos &#x2014; alles ein Ausdruck von behaglich wollu&#x0364;&#x017F;tiger Atonie &#x2014; daß<lb/>
man weder ein <hi rendition="#fr">Weh euch,</hi> ihr <hi rendition="#fr">Schriftgelehrten und Phari&#x017F;a&#x0364;er;</hi> noch ein <hi rendition="#fr">Selig &#x017F;ind die<lb/>
gei&#x017F;tlich arm &#x017F;ind,</hi> aus die&#x017F;em Ge&#x017F;ichte erwarten darf.</p>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">E.</hi> Chri-</hi> </fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[442/0568] IX. Abſchnitt. III. Fragment. D. Ein anderer Chriſtuskopf. [Abbildung] Jch wuͤßte nicht, in welcher wirklichen oder erdichteten Situation ich mir dieſen Chriſtus denken koͤnnte. — Die Guͤte des Mundes iſt ſo ſanguiniſch weich, die Naſe vornen ſo breitklug — die Augen ſo wolluͤſtig, Stirn und Raum zwiſchen den Augenbraunen ſo kalt und kahl; alles ſo rund, ſo flach, ſo leidenlos, ſo ſeelenlos — alles ein Ausdruck von behaglich wolluͤſtiger Atonie — daß man weder ein Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Phariſaͤer; noch ein Selig ſind die geiſtlich arm ſind, aus dieſem Geſichte erwarten darf. E. Chri-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/568
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/568>, abgerufen am 28.03.2024.