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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Das Gefüge.
ausdrücklich betont werden, dass auch die gelungenste Schweis-
sung fast niemals die volle Festigkeit des ungeschweissten
Eisens besitzt
. Häufig wird man durch mehrmals wiederholtes Hin-
und Herbiegen einer Schweissstelle mit scheinbar gut gelungener
Schweissung die Verbindung wieder lösen können.

Bei Versuchen, welche durch eine vom Vereine zur Beförderung
des Gewerbfleisses ernannte Commission über die Schweissbarkeit des
Eisens angestellt wurden, ergab sich, dass die Festigkeit

ungeschweissten harten Flusseisens (mit ca. 0.2 Proc. C, 0.2 bis
0.3 Proc. Mn) 1.725 mal so gross war als die des geschweissten;

ungeschweissten weichen Flusseisens (mit ca. 0.1 Proc. C, 0.2 Proc.
Mn) 1.410 mal so gross als die des geschweissten; und

ungeschweissten Schweisseisens 1.229 mal so gross als die des ge-
schweissten. 1)

Dieser Umstand verleiht allem Flusseisen, welches einer Reinigung
von Schlacke und demnach jener Schweissung, mit deren Hilfe die-
selbe herbeigeführt wird, nicht bedarf, ein entschiedenes Uebergewicht
über das Schweisseisen in solchen Fällen, wo vorwiegend Festigkeit
und Haltbarkeit verlangt werden. Gegenstände aus ungeschweisstem
Flusseisen besitzen in fast allen diesen Fällen eine weit längere Dauer,
als aus Schweisseisen. Eisenbahnschienen, aus Schweisseisen (Schweiss-
stahl) gefertigt, splittern unter der Einwirkung der darüber rollenden
Räder im Laufe der Zeit auf, indem die Schweissfugen allmählich sich
lösen; ähnlich verhalten sich zahlreiche andere Gegenstände, die auf
Abnutzung durch mechanische Einflüsse in Anspruch genommen werden.

4. Das Gefüge.

Das eigentliche, ursprüngliche Gefüge des schmiedbaren Eisens
lässt sich als krystallinisch-körnig bezeichnen. Alles im flüssigen Zu-
stande gewonnene und noch nicht weiter verarbeitete schmiedbare Eisen
besitzt ein solches krystallinisch-körniges Gefüge. Auch bei dem unter
Hämmern oder Walzen bearbeiteten schmiedbaren Eisen lässt sich, wenn
der Bruch in richtiger Weise bewirkt wird, dieses krystallinisch-körnige
Gefüge fast immer erkennen.

Die Grösse der Absonderungsflächen (des Korns) hängt theils von
der chemischen Zusammensetzung, theils von der vorausgegangenen
Bearbeitung des Eisens ab. Kohlenstoff, Mangan, Wolfram erzeugen
ein feinkörniges, Phosphor ein grobkörniges Gefüge. Da die zuerst
genannten Körper zugleich die Härte des schmiedbaren Eisens steigern,
und ein höherer Kohlenstoffgehalt in chemischer Hinsicht das Haupt-
unterscheidungsmerkmal des Stahles vom Schmiedeeisen bildet, so ist
Stahl feinkörniger als Schmiedeeisen und mit der Härte desselben nimmt
die Feinheit des Gefüges zu. Bei den härteren Stahlsorten (Werk-
zeugstahl) sind die einzelnen Absonderungsflächen oft so klein, dass
sie mit unbewaffnetem Auge nicht mehr sich erkennen lassen, und die

1) Vergl. Literatur.

Das Gefüge.
ausdrücklich betont werden, dass auch die gelungenste Schweis-
sung fast niemals die volle Festigkeit des ungeschweissten
Eisens besitzt
. Häufig wird man durch mehrmals wiederholtes Hin-
und Herbiegen einer Schweissstelle mit scheinbar gut gelungener
Schweissung die Verbindung wieder lösen können.

Bei Versuchen, welche durch eine vom Vereine zur Beförderung
des Gewerbfleisses ernannte Commission über die Schweissbarkeit des
Eisens angestellt wurden, ergab sich, dass die Festigkeit

ungeschweissten harten Flusseisens (mit ca. 0.2 Proc. C, 0.2 bis
0.3 Proc. Mn) 1.725 mal so gross war als die des geschweissten;

ungeschweissten weichen Flusseisens (mit ca. 0.1 Proc. C, 0.2 Proc.
Mn) 1.410 mal so gross als die des geschweissten; und

ungeschweissten Schweisseisens 1.229 mal so gross als die des ge-
schweissten. 1)

Dieser Umstand verleiht allem Flusseisen, welches einer Reinigung
von Schlacke und demnach jener Schweissung, mit deren Hilfe die-
selbe herbeigeführt wird, nicht bedarf, ein entschiedenes Uebergewicht
über das Schweisseisen in solchen Fällen, wo vorwiegend Festigkeit
und Haltbarkeit verlangt werden. Gegenstände aus ungeschweisstem
Flusseisen besitzen in fast allen diesen Fällen eine weit längere Dauer,
als aus Schweisseisen. Eisenbahnschienen, aus Schweisseisen (Schweiss-
stahl) gefertigt, splittern unter der Einwirkung der darüber rollenden
Räder im Laufe der Zeit auf, indem die Schweissfugen allmählich sich
lösen; ähnlich verhalten sich zahlreiche andere Gegenstände, die auf
Abnutzung durch mechanische Einflüsse in Anspruch genommen werden.

4. Das Gefüge.

Das eigentliche, ursprüngliche Gefüge des schmiedbaren Eisens
lässt sich als krystallinisch-körnig bezeichnen. Alles im flüssigen Zu-
stande gewonnene und noch nicht weiter verarbeitete schmiedbare Eisen
besitzt ein solches krystallinisch-körniges Gefüge. Auch bei dem unter
Hämmern oder Walzen bearbeiteten schmiedbaren Eisen lässt sich, wenn
der Bruch in richtiger Weise bewirkt wird, dieses krystallinisch-körnige
Gefüge fast immer erkennen.

Die Grösse der Absonderungsflächen (des Korns) hängt theils von
der chemischen Zusammensetzung, theils von der vorausgegangenen
Bearbeitung des Eisens ab. Kohlenstoff, Mangan, Wolfram erzeugen
ein feinkörniges, Phosphor ein grobkörniges Gefüge. Da die zuerst
genannten Körper zugleich die Härte des schmiedbaren Eisens steigern,
und ein höherer Kohlenstoffgehalt in chemischer Hinsicht das Haupt-
unterscheidungsmerkmal des Stahles vom Schmiedeeisen bildet, so ist
Stahl feinkörniger als Schmiedeeisen und mit der Härte desselben nimmt
die Feinheit des Gefüges zu. Bei den härteren Stahlsorten (Werk-
zeugstahl) sind die einzelnen Absonderungsflächen oft so klein, dass
sie mit unbewaffnetem Auge nicht mehr sich erkennen lassen, und die

1) Vergl. Literatur.
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[641/0709] Das Gefüge. ausdrücklich betont werden, dass auch die gelungenste Schweis- sung fast niemals die volle Festigkeit des ungeschweissten Eisens besitzt. Häufig wird man durch mehrmals wiederholtes Hin- und Herbiegen einer Schweissstelle mit scheinbar gut gelungener Schweissung die Verbindung wieder lösen können. Bei Versuchen, welche durch eine vom Vereine zur Beförderung des Gewerbfleisses ernannte Commission über die Schweissbarkeit des Eisens angestellt wurden, ergab sich, dass die Festigkeit ungeschweissten harten Flusseisens (mit ca. 0.2 Proc. C, 0.2 bis 0.3 Proc. Mn) 1.725 mal so gross war als die des geschweissten; ungeschweissten weichen Flusseisens (mit ca. 0.1 Proc. C, 0.2 Proc. Mn) 1.410 mal so gross als die des geschweissten; und ungeschweissten Schweisseisens 1.229 mal so gross als die des ge- schweissten. 1) Dieser Umstand verleiht allem Flusseisen, welches einer Reinigung von Schlacke und demnach jener Schweissung, mit deren Hilfe die- selbe herbeigeführt wird, nicht bedarf, ein entschiedenes Uebergewicht über das Schweisseisen in solchen Fällen, wo vorwiegend Festigkeit und Haltbarkeit verlangt werden. Gegenstände aus ungeschweisstem Flusseisen besitzen in fast allen diesen Fällen eine weit längere Dauer, als aus Schweisseisen. Eisenbahnschienen, aus Schweisseisen (Schweiss- stahl) gefertigt, splittern unter der Einwirkung der darüber rollenden Räder im Laufe der Zeit auf, indem die Schweissfugen allmählich sich lösen; ähnlich verhalten sich zahlreiche andere Gegenstände, die auf Abnutzung durch mechanische Einflüsse in Anspruch genommen werden. 4. Das Gefüge. Das eigentliche, ursprüngliche Gefüge des schmiedbaren Eisens lässt sich als krystallinisch-körnig bezeichnen. Alles im flüssigen Zu- stande gewonnene und noch nicht weiter verarbeitete schmiedbare Eisen besitzt ein solches krystallinisch-körniges Gefüge. Auch bei dem unter Hämmern oder Walzen bearbeiteten schmiedbaren Eisen lässt sich, wenn der Bruch in richtiger Weise bewirkt wird, dieses krystallinisch-körnige Gefüge fast immer erkennen. Die Grösse der Absonderungsflächen (des Korns) hängt theils von der chemischen Zusammensetzung, theils von der vorausgegangenen Bearbeitung des Eisens ab. Kohlenstoff, Mangan, Wolfram erzeugen ein feinkörniges, Phosphor ein grobkörniges Gefüge. Da die zuerst genannten Körper zugleich die Härte des schmiedbaren Eisens steigern, und ein höherer Kohlenstoffgehalt in chemischer Hinsicht das Haupt- unterscheidungsmerkmal des Stahles vom Schmiedeeisen bildet, so ist Stahl feinkörniger als Schmiedeeisen und mit der Härte desselben nimmt die Feinheit des Gefüges zu. Bei den härteren Stahlsorten (Werk- zeugstahl) sind die einzelnen Absonderungsflächen oft so klein, dass sie mit unbewaffnetem Auge nicht mehr sich erkennen lassen, und die 1) Vergl. Literatur.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/709>, abgerufen am 19.04.2024.