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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Triest.

Der Siegeszug der morgenländischen Cultur erreichte frühzeitig
die sonnigen Gestade des heutigen adriatischen Meeres, das -- worauf
die ältesten Quellen hinweisen -- von dem Reize einer erlauchten
Urzeit umflossen ist.

Nach den altgriechischen Sagen, in welchen schon der Name
Illyrien erklingt, das ist jener der indo-germanischen Bewohner der
adriatischen Küstenländer, dürfen Kadmos, Herakles, ja selbst Jason,
der gefeierte Argonautenführer, für den geschichtlichen Hintergrund
des Adriameeres in Anspruch genommen werden. Immerhin kann fest-
gestellt werden, dass mehr als drei Jahrtausende verflossen sind, seit-
dem die Phönikier an diesen Küsten erschienen und den Seeverkehr
dahin ausdehnten. Zunächst folgten die Pelasger, jene ältesten Be-
wohner Griechenlands, die als Erbauer der kyklopischen Mauern
gelten; dann kamen in späteren Jahrhunderten die Etrusker, Japiden
und Liburnier, bis Illyrien, durch die Legionen des Kaisers Augustus
28 v. Chr. nach langen Kämpfen erobert, unter römische Herrschaft
gerieth.

Die Erinnerung an die römische Zeit ist in den meisten Küsten-
städten der Adria durch herrliche Baudenkmale erhalten. Auch
Triest ist eine Gründung der Römer. Die Stadt hiess Tergeste und
wurde aus strategischen Gründen an dem Punkte, wo sie noch steht,
angelegt. Hätten die Römer eine Handelsstation gründen wollen, so
hätten sie wohl die Bucht von Muggia gewählt. Ihr Handelshafen
war Aquileja.

In den folgenden Jahrhunderten gelangten die Städte Aquileja,
Ravenna und Venedig zu geschichtlicher Bedeutung; die beiden erst-
genannten unterlagen den Hunnen und Herulern, während die grossen
Umwälzungen in Italien nach dem Sturze des weströmischen Reiches
zur Gründung der glanzvollen Republik Venedig führten, die während

Triest.

Der Siegeszug der morgenländischen Cultur erreichte frühzeitig
die sonnigen Gestade des heutigen adriatischen Meeres, das — worauf
die ältesten Quellen hinweisen — von dem Reize einer erlauchten
Urzeit umflossen ist.

Nach den altgriechischen Sagen, in welchen schon der Name
Illyrien erklingt, das ist jener der indo-germanischen Bewohner der
adriatischen Küstenländer, dürfen Kadmos, Herakles, ja selbst Jason,
der gefeierte Argonautenführer, für den geschichtlichen Hintergrund
des Adriameeres in Anspruch genommen werden. Immerhin kann fest-
gestellt werden, dass mehr als drei Jahrtausende verflossen sind, seit-
dem die Phönikier an diesen Küsten erschienen und den Seeverkehr
dahin ausdehnten. Zunächst folgten die Pelasger, jene ältesten Be-
wohner Griechenlands, die als Erbauer der kyklopischen Mauern
gelten; dann kamen in späteren Jahrhunderten die Etrusker, Japiden
und Liburnier, bis Illyrien, durch die Legionen des Kaisers Augustus
28 v. Chr. nach langen Kämpfen erobert, unter römische Herrschaft
gerieth.

Die Erinnerung an die römische Zeit ist in den meisten Küsten-
städten der Adria durch herrliche Baudenkmale erhalten. Auch
Triest ist eine Gründung der Römer. Die Stadt hiess Tergeste und
wurde aus strategischen Gründen an dem Punkte, wo sie noch steht,
angelegt. Hätten die Römer eine Handelsstation gründen wollen, so
hätten sie wohl die Bucht von Muggia gewählt. Ihr Handelshafen
war Aquileja.

In den folgenden Jahrhunderten gelangten die Städte Aquileja,
Ravenna und Venedig zu geschichtlicher Bedeutung; die beiden erst-
genannten unterlagen den Hunnen und Herulern, während die grossen
Umwälzungen in Italien nach dem Sturze des weströmischen Reiches
zur Gründung der glanzvollen Republik Venedig führten, die während

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/25>, abgerufen am 29.03.2024.