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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der Suez-Canal.

Die ungeheuere Entwicklung der Technik und die Association
des Capitales geben unserem Jahrhundert die Mittel in die Hand,
Werke zu vollführen, welche unsere Vorfahren kaum zu denken wagten.
Ein solches "Weltwunder" ist der Suez-Canal, jener künstliche
Wasserweg, welcher dem Welthandel neue Bahnen wies, und die
Seeherrschaft wieder Staaten und Völkern zurückgab, denen sie die
Entdeckung Vasco de Gama's vor vierhundert Jahren entrissen hatte.

Ein Blick auf die Weltkarte zeigt sogleich die ungeheueren
Vortheile, welche der Seeverkehr auf der Route durch den Suez-Canal
gewonnen hat. Von so weittragender Bedeutung erwies sich das gran-
diose Werk, dass wir uns gegenwärtig, zwanzig Jahre nach dessen
Vollendung, kaum mehr die Langwierigkeit des ehemaligen Seeweges
nach Indien, Ostasien und Australien um das Cap der guten Hoff-
nung vorzustellen vermögen. Der Canal von Suez hat die Verbindung
mit den genannten Gebieten selbst für die Schnellläufer der Oceane
um 15--22, für das gewöhnliche Frachtschiff aber um 27--40 Dampf-
tage abgekürzt, und diese Thatsache erklärt zur Genüge, wie er mit
völlig elementarer Gewalt einen ungeheueren Dampferverkehr an sich
ziehen und schon in den ersten Jahren seines Bestandes zu einer
der hervorragendsten Welthandelsstrassen sich aufschwingen konnte.

Unvergänglich ist daher der Ruhm Ferdinand v. Lesseps', des
genialen Erbauers des Werkes, nicht nur, sondern auch des muthigen
Besiegers der fast unüberwindlich erschienenen Hindernisse, welche
der Ausführung durch politische Sonderinteressen und finanzielle
Schwierigkeiten entgegenstanden.

Wie die Entstehungsgeschichte des Canals, bietet auch die bis
in uralte Zeiten zurückreichende Vorgeschichte desselben einen Gegen-
stand von höchstem Interesse.

Einige Geologen sind der Ansicht, dass die sandige Strecke zwischen dem
alten Pelusium und dem langgedehnten Golf von Suez (Heroopolis), in welchen der
Canal eingeschnitten ist, einstens vom Meere überflutet gewesen war. Das alte

Der Suez-Canal.

Die ungeheuere Entwicklung der Technik und die Association
des Capitales geben unserem Jahrhundert die Mittel in die Hand,
Werke zu vollführen, welche unsere Vorfahren kaum zu denken wagten.
Ein solches „Weltwunder“ ist der Suez-Canal, jener künstliche
Wasserweg, welcher dem Welthandel neue Bahnen wies, und die
Seeherrschaft wieder Staaten und Völkern zurückgab, denen sie die
Entdeckung Vasco de Gama’s vor vierhundert Jahren entrissen hatte.

Ein Blick auf die Weltkarte zeigt sogleich die ungeheueren
Vortheile, welche der Seeverkehr auf der Route durch den Suez-Canal
gewonnen hat. Von so weittragender Bedeutung erwies sich das gran-
diose Werk, dass wir uns gegenwärtig, zwanzig Jahre nach dessen
Vollendung, kaum mehr die Langwierigkeit des ehemaligen Seeweges
nach Indien, Ostasien und Australien um das Cap der guten Hoff-
nung vorzustellen vermögen. Der Canal von Suez hat die Verbindung
mit den genannten Gebieten selbst für die Schnellläufer der Oceane
um 15—22, für das gewöhnliche Frachtschiff aber um 27—40 Dampf-
tage abgekürzt, und diese Thatsache erklärt zur Genüge, wie er mit
völlig elementarer Gewalt einen ungeheueren Dampferverkehr an sich
ziehen und schon in den ersten Jahren seines Bestandes zu einer
der hervorragendsten Welthandelsstrassen sich aufschwingen konnte.

Unvergänglich ist daher der Ruhm Ferdinand v. Lesseps’, des
genialen Erbauers des Werkes, nicht nur, sondern auch des muthigen
Besiegers der fast unüberwindlich erschienenen Hindernisse, welche
der Ausführung durch politische Sonderinteressen und finanzielle
Schwierigkeiten entgegenstanden.

Wie die Entstehungsgeschichte des Canals, bietet auch die bis
in uralte Zeiten zurückreichende Vorgeschichte desselben einen Gegen-
stand von höchstem Interesse.

Einige Geologen sind der Ansicht, dass die sandige Strecke zwischen dem
alten Pelusium und dem langgedehnten Golf von Suez (Heroopolis), in welchen der
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[[254]/0274] Der Suez-Canal. Die ungeheuere Entwicklung der Technik und die Association des Capitales geben unserem Jahrhundert die Mittel in die Hand, Werke zu vollführen, welche unsere Vorfahren kaum zu denken wagten. Ein solches „Weltwunder“ ist der Suez-Canal, jener künstliche Wasserweg, welcher dem Welthandel neue Bahnen wies, und die Seeherrschaft wieder Staaten und Völkern zurückgab, denen sie die Entdeckung Vasco de Gama’s vor vierhundert Jahren entrissen hatte. Ein Blick auf die Weltkarte zeigt sogleich die ungeheueren Vortheile, welche der Seeverkehr auf der Route durch den Suez-Canal gewonnen hat. Von so weittragender Bedeutung erwies sich das gran- diose Werk, dass wir uns gegenwärtig, zwanzig Jahre nach dessen Vollendung, kaum mehr die Langwierigkeit des ehemaligen Seeweges nach Indien, Ostasien und Australien um das Cap der guten Hoff- nung vorzustellen vermögen. Der Canal von Suez hat die Verbindung mit den genannten Gebieten selbst für die Schnellläufer der Oceane um 15—22, für das gewöhnliche Frachtschiff aber um 27—40 Dampf- tage abgekürzt, und diese Thatsache erklärt zur Genüge, wie er mit völlig elementarer Gewalt einen ungeheueren Dampferverkehr an sich ziehen und schon in den ersten Jahren seines Bestandes zu einer der hervorragendsten Welthandelsstrassen sich aufschwingen konnte. Unvergänglich ist daher der Ruhm Ferdinand v. Lesseps’, des genialen Erbauers des Werkes, nicht nur, sondern auch des muthigen Besiegers der fast unüberwindlich erschienenen Hindernisse, welche der Ausführung durch politische Sonderinteressen und finanzielle Schwierigkeiten entgegenstanden. Wie die Entstehungsgeschichte des Canals, bietet auch die bis in uralte Zeiten zurückreichende Vorgeschichte desselben einen Gegen- stand von höchstem Interesse. Einige Geologen sind der Ansicht, dass die sandige Strecke zwischen dem alten Pelusium und dem langgedehnten Golf von Suez (Heroopolis), in welchen der Canal eingeschnitten ist, einstens vom Meere überflutet gewesen war. Das alte

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [254]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/274>, abgerufen am 29.03.2024.