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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Messina.

Zu den grossartigsten und zugleich an lieblichen Details reichsten
Naturscenerien zählt die Meerenge von Messina, welche das gewaltige
Inseldreieck Sicilien von Calabrien trennt. Beiderseits der vielbe-
fahrenen Wasserstrasse, die schon im grauesten Alterthum die Kriegs-
flotten der herrschenden Völker durchschnitten, streichen die Ausläufer
bedeutender Gebirgsketten und entsenden kräftige Seitenzüge zum
Meere. In den gedrängten dunklen Schluchten glänzt die helle Linie
der Sturzbäche und des Gerölles der vertrockneten Küstenflüsse, deren
steiles Bett oft, wie jenes bei Melita an der calabresischen Seite, in seiner
ganzen Ausdehnung bis zur Höhe des Gebirges von See aus über-
blickt werden kann. Fruchtbare Abhänge, ein blühender Strand mit
einem überraschenden Reichthum an Städten, Ortschaften und Ge-
höften, dazu die herrliche, von Schiffen und Fahrzeugen jeder Art
belebte Wasserfläche würden an und für sich ein Bild von seltener Schön-
heit bieten. Da tritt aber auch das kräftige Massiv des 3313 m hohen
Mte. Aetna, des höchsten Vulcans in Europa, als malerisches Element
hinzu und schafft eine Landschaft von völlig majestätischem Glanze,
würdig der grandiosen Vergangenheit dieser Gegend.

Im ganzen Laufe der Meerenge, die von Süden gegen Norden
zu trichterartig von 12 km bis auf 3200 m Breite sich bewegt, zieht
eine kräftige Gezeitenströmung, deren Lauf ein ziemlich complicirter
ist. Dampfer überwinden die Strömung wohl mit Leichtigkeit, allein
Segelschiffe müssen ihrer achten, um nicht in die Nähe des Landes
zu gerathen. In der Strasse steht indes ein gut geschultes Lootsen-
personale zur Verfügung, das die Führung der Schiffe gegen mässige
Entlohnung übernimmt. Eine Eigenthümlichkeit der nach je sechs
Stunden die Richtung wechselnden Strömung (Rema) sind die Wasser-
wirbel, deren bedeutendster jener beim Faro an der nördlichen Aus-
mündung der Enge ist, und wo selbst die grössten Schiffe von dem

Messina.

Zu den grossartigsten und zugleich an lieblichen Details reichsten
Naturscenerien zählt die Meerenge von Messina, welche das gewaltige
Inseldreieck Sicilien von Calabrien trennt. Beiderseits der vielbe-
fahrenen Wasserstrasse, die schon im grauesten Alterthum die Kriegs-
flotten der herrschenden Völker durchschnitten, streichen die Ausläufer
bedeutender Gebirgsketten und entsenden kräftige Seitenzüge zum
Meere. In den gedrängten dunklen Schluchten glänzt die helle Linie
der Sturzbäche und des Gerölles der vertrockneten Küstenflüsse, deren
steiles Bett oft, wie jenes bei Melita an der calabresischen Seite, in seiner
ganzen Ausdehnung bis zur Höhe des Gebirges von See aus über-
blickt werden kann. Fruchtbare Abhänge, ein blühender Strand mit
einem überraschenden Reichthum an Städten, Ortschaften und Ge-
höften, dazu die herrliche, von Schiffen und Fahrzeugen jeder Art
belebte Wasserfläche würden an und für sich ein Bild von seltener Schön-
heit bieten. Da tritt aber auch das kräftige Massiv des 3313 m hohen
Mte. Aetna, des höchsten Vulcans in Europa, als malerisches Element
hinzu und schafft eine Landschaft von völlig majestätischem Glanze,
würdig der grandiosen Vergangenheit dieser Gegend.

Im ganzen Laufe der Meerenge, die von Süden gegen Norden
zu trichterartig von 12 km bis auf 3200 m Breite sich bewegt, zieht
eine kräftige Gezeitenströmung, deren Lauf ein ziemlich complicirter
ist. Dampfer überwinden die Strömung wohl mit Leichtigkeit, allein
Segelschiffe müssen ihrer achten, um nicht in die Nähe des Landes
zu gerathen. In der Strasse steht indes ein gut geschultes Lootsen-
personale zur Verfügung, das die Führung der Schiffe gegen mässige
Entlohnung übernimmt. Eine Eigenthümlichkeit der nach je sechs
Stunden die Richtung wechselnden Strömung (Rema) sind die Wasser-
wirbel, deren bedeutendster jener beim Faro an der nördlichen Aus-
mündung der Enge ist, und wo selbst die grössten Schiffe von dem

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[[333]/0353] Messina. Zu den grossartigsten und zugleich an lieblichen Details reichsten Naturscenerien zählt die Meerenge von Messina, welche das gewaltige Inseldreieck Sicilien von Calabrien trennt. Beiderseits der vielbe- fahrenen Wasserstrasse, die schon im grauesten Alterthum die Kriegs- flotten der herrschenden Völker durchschnitten, streichen die Ausläufer bedeutender Gebirgsketten und entsenden kräftige Seitenzüge zum Meere. In den gedrängten dunklen Schluchten glänzt die helle Linie der Sturzbäche und des Gerölles der vertrockneten Küstenflüsse, deren steiles Bett oft, wie jenes bei Melita an der calabresischen Seite, in seiner ganzen Ausdehnung bis zur Höhe des Gebirges von See aus über- blickt werden kann. Fruchtbare Abhänge, ein blühender Strand mit einem überraschenden Reichthum an Städten, Ortschaften und Ge- höften, dazu die herrliche, von Schiffen und Fahrzeugen jeder Art belebte Wasserfläche würden an und für sich ein Bild von seltener Schön- heit bieten. Da tritt aber auch das kräftige Massiv des 3313 m hohen Mte. Aetna, des höchsten Vulcans in Europa, als malerisches Element hinzu und schafft eine Landschaft von völlig majestätischem Glanze, würdig der grandiosen Vergangenheit dieser Gegend. Im ganzen Laufe der Meerenge, die von Süden gegen Norden zu trichterartig von 12 km bis auf 3200 m Breite sich bewegt, zieht eine kräftige Gezeitenströmung, deren Lauf ein ziemlich complicirter ist. Dampfer überwinden die Strömung wohl mit Leichtigkeit, allein Segelschiffe müssen ihrer achten, um nicht in die Nähe des Landes zu gerathen. In der Strasse steht indes ein gut geschultes Lootsen- personale zur Verfügung, das die Führung der Schiffe gegen mässige Entlohnung übernimmt. Eine Eigenthümlichkeit der nach je sechs Stunden die Richtung wechselnden Strömung (Rema) sind die Wasser- wirbel, deren bedeutendster jener beim Faro an der nördlichen Aus- mündung der Enge ist, und wo selbst die grössten Schiffe von dem

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [333]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/353>, abgerufen am 29.03.2024.