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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Cette.

Im nordwestlichsten Theile der Flachküste des Golfe du Lion,
den, wie bereits erwähnt, eine Kette von Küstenseen (Etangs) von
den Rhone-Mündungen an bis zum Fuss der Pyrenäen umschliesst,
lagert am Ausflusse des Etang de Thau die bedeutende Industrie- und
Handelsstadt Cette, eine altrömische Colonie, die aber erst im
XVII. Jahrhundert, seitdem der grosse Schiffahrtscanal (Canal du Midi,
Canal du Languedoc), welcher die Garonne bei Toulouse mit dem
Mittelmeere verbindet und in den Etang du Thau einmündet, ausge-
baut war, zu einem wichtigen Platz aufgeblüht ist.

Ebenso haben die vorzüglichen Eisenbahnverbindungen des
Platzes und der ostwärts längs der Etangs bis zur Rhone bei Beau-
caire geführte Schiffahrtscanal zur Hebung des Verkehrs und zur Ent-
wicklung einer leistungsfähigen Industrie mächtig beigetragen, so dass
Cette gegenwärtig neben Marseille der lebhafteste und wichtigste
Handelsplatz des südlichen Frankreichs geworden ist.

Die Stadt bietet aber nur in der ebengedachten Hinsicht
ein Interesse, denn sie entbehrt nicht nur landschaftlicher Reize und
jener Wohnlichkeit und Behaglichkeit, die nur selten einem grösseren
Orte abgehen, sondern gilt sogar als die unreinste und zu jeder
Jahreszeit unangenehmste im ganzen Gebiete des Golfes.

Cette liegt, von Canälen und Hafenbassins durchzogen, am Fusse
eines aus der Nehrung emporsteigenden, völlig isolirten, 180 m hohen
Berges, Mt. Cette, auch Mt. St.-Clair, dessen kahle Abhänge nur eine
geringe Bewegung aufweisen und mit Landhäusern bedeckt sind. Ein
Thurm krönt die Höhe, von der aus ein lohnender Ausblick über die
ganze Umgebung gewonnen werden kann. An einer südöstlich vor-
springenden Terrainwelle beherrscht das alterthümliche von Thürmen
flankirte befestigte Schloss Richelieu die Stadt und den Hafen.

Der äussere Anblik von Cette ist ein durchaus nüchterner. Der
Cette-Canal, welcher den Hafen mit dem Etang du Thau verbindet,

Cette.

Im nordwestlichsten Theile der Flachküste des Golfe du Lion,
den, wie bereits erwähnt, eine Kette von Küstenseen (Étangs) von
den Rhône-Mündungen an bis zum Fuss der Pyrenäen umschliesst,
lagert am Ausflusse des Étang de Thau die bedeutende Industrie- und
Handelsstadt Cette, eine altrömische Colonie, die aber erst im
XVII. Jahrhundert, seitdem der grosse Schiffahrtscanal (Canal du Midi,
Canal du Languedoc), welcher die Garonne bei Toulouse mit dem
Mittelmeere verbindet und in den Étang du Thau einmündet, ausge-
baut war, zu einem wichtigen Platz aufgeblüht ist.

Ebenso haben die vorzüglichen Eisenbahnverbindungen des
Platzes und der ostwärts längs der Étangs bis zur Rhône bei Beau-
caire geführte Schiffahrtscanal zur Hebung des Verkehrs und zur Ent-
wicklung einer leistungsfähigen Industrie mächtig beigetragen, so dass
Cette gegenwärtig neben Marseille der lebhafteste und wichtigste
Handelsplatz des südlichen Frankreichs geworden ist.

Die Stadt bietet aber nur in der ebengedachten Hinsicht
ein Interesse, denn sie entbehrt nicht nur landschaftlicher Reize und
jener Wohnlichkeit und Behaglichkeit, die nur selten einem grösseren
Orte abgehen, sondern gilt sogar als die unreinste und zu jeder
Jahreszeit unangenehmste im ganzen Gebiete des Golfes.

Cette liegt, von Canälen und Hafenbassins durchzogen, am Fusse
eines aus der Nehrung emporsteigenden, völlig isolirten, 180 m hohen
Berges, Mt. Cette, auch Mt. St.-Clair, dessen kahle Abhänge nur eine
geringe Bewegung aufweisen und mit Landhäusern bedeckt sind. Ein
Thurm krönt die Höhe, von der aus ein lohnender Ausblick über die
ganze Umgebung gewonnen werden kann. An einer südöstlich vor-
springenden Terrainwelle beherrscht das alterthümliche von Thürmen
flankirte befestigte Schloss Richelieu die Stadt und den Hafen.

Der äussere Anblik von Cette ist ein durchaus nüchterner. Der
Cette-Canal, welcher den Hafen mit dem Étang du Thau verbindet,

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[[414]/0434] Cette. Im nordwestlichsten Theile der Flachküste des Golfe du Lion, den, wie bereits erwähnt, eine Kette von Küstenseen (Étangs) von den Rhône-Mündungen an bis zum Fuss der Pyrenäen umschliesst, lagert am Ausflusse des Étang de Thau die bedeutende Industrie- und Handelsstadt Cette, eine altrömische Colonie, die aber erst im XVII. Jahrhundert, seitdem der grosse Schiffahrtscanal (Canal du Midi, Canal du Languedoc), welcher die Garonne bei Toulouse mit dem Mittelmeere verbindet und in den Étang du Thau einmündet, ausge- baut war, zu einem wichtigen Platz aufgeblüht ist. Ebenso haben die vorzüglichen Eisenbahnverbindungen des Platzes und der ostwärts längs der Étangs bis zur Rhône bei Beau- caire geführte Schiffahrtscanal zur Hebung des Verkehrs und zur Ent- wicklung einer leistungsfähigen Industrie mächtig beigetragen, so dass Cette gegenwärtig neben Marseille der lebhafteste und wichtigste Handelsplatz des südlichen Frankreichs geworden ist. Die Stadt bietet aber nur in der ebengedachten Hinsicht ein Interesse, denn sie entbehrt nicht nur landschaftlicher Reize und jener Wohnlichkeit und Behaglichkeit, die nur selten einem grösseren Orte abgehen, sondern gilt sogar als die unreinste und zu jeder Jahreszeit unangenehmste im ganzen Gebiete des Golfes. Cette liegt, von Canälen und Hafenbassins durchzogen, am Fusse eines aus der Nehrung emporsteigenden, völlig isolirten, 180 m hohen Berges, Mt. Cette, auch Mt. St.-Clair, dessen kahle Abhänge nur eine geringe Bewegung aufweisen und mit Landhäusern bedeckt sind. Ein Thurm krönt die Höhe, von der aus ein lohnender Ausblick über die ganze Umgebung gewonnen werden kann. An einer südöstlich vor- springenden Terrainwelle beherrscht das alterthümliche von Thürmen flankirte befestigte Schloss Richelieu die Stadt und den Hafen. Der äussere Anblik von Cette ist ein durchaus nüchterner. Der Cette-Canal, welcher den Hafen mit dem Étang du Thau verbindet,

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [414]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/434>, abgerufen am 25.04.2024.