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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Sevilla.

Weitab von der atlantischen Küste entstand am Ufer des
schlammigen Guadalquivir in herrlicher Fruchtebene schon in vor-
historischer Zeit ein reiches und blühendes Gemeinwesen der Phö-
nikier. Sie gründeten diesen Ort, dessen Namen man nicht mehr sicher
kennt, offenbar an dieser Stelle, weil nur bis dorthin die oceanische
Flut ihre Seeschiffe trug. An derselben Stelle erblicken wir heute
Sevilla, eine der interessantesten und bedeutendsten Städte Spaniens,
den bewährten Hort der katholischen Kirche und zugleich die nie ver-
siegende Quelle lebensfroher Freude. In dieser uralten Stadt vermuthet
man das Tartessus der heiligen Schrift, welches dem südlichen Theil
der iberischen Halbinsel einst den Namen gab. Nach anderen Deutungen
soll dort das phönikische Sephela, auch Spela (Ebene) gelegen sein,
aus welchen Namen die Römer Hispalis, die Mauren aber Ischbiliah
machten, woraus dann Sibilia und Sevilla entstand.

In ihrer heutigen Gestaltung erinnert die Stadt mit keiner Spur
mehr an die älteste Periode ihres Bestandes; erst aus der Römerzeit
finden sich Monumente der damaligen Baukunst und Baulust vor. So die
grossartige Wasserleitung mit ihren 410 gewaltigen Bogen, auf
welchen das Wasser von Alcala de Guadaira nach Sevilla zu fliesst.
Ein Theil dieses Bauwerkes -- das hier Cannos de Carmona genannt
wird -- stammt von Julius Cäsar her.

Allein kein Zeitabschnitt hat der Stadt ein so specifisches und
unverwüstliches Gepräge zu ertheilen vermocht wie die Glanzperiode
der Maurenherrschaft, die hier einen ihrer wichtigsten Stützpunkte
gefunden hatte.

Viele der grössten Bauwerke Sevillas zeigen noch heute die
charakteristischen Merkmale des Styles dieser Zeit ebenso wie das
Innere der Privathäuser mit ihren marmorgetäfelten, blumenge-
schmückten Höfen (patio) und der leise plätschernden Fontaine.

Jahrhunderte hindurch war hier die katholische Kirche bestrebt,

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Sevilla.

Weitab von der atlantischen Küste entstand am Ufer des
schlammigen Guadalquivir in herrlicher Fruchtebene schon in vor-
historischer Zeit ein reiches und blühendes Gemeinwesen der Phö-
nikier. Sie gründeten diesen Ort, dessen Namen man nicht mehr sicher
kennt, offenbar an dieser Stelle, weil nur bis dorthin die oceanische
Flut ihre Seeschiffe trug. An derselben Stelle erblicken wir heute
Sevilla, eine der interessantesten und bedeutendsten Städte Spaniens,
den bewährten Hort der katholischen Kirche und zugleich die nie ver-
siegende Quelle lebensfroher Freude. In dieser uralten Stadt vermuthet
man das Tartessus der heiligen Schrift, welches dem südlichen Theil
der iberischen Halbinsel einst den Namen gab. Nach anderen Deutungen
soll dort das phönikische Sephela, auch Spela (Ebene) gelegen sein,
aus welchen Namen die Römer Hispalis, die Mauren aber Ischbiliah
machten, woraus dann Sibilia und Sevilla entstand.

In ihrer heutigen Gestaltung erinnert die Stadt mit keiner Spur
mehr an die älteste Periode ihres Bestandes; erst aus der Römerzeit
finden sich Monumente der damaligen Baukunst und Baulust vor. So die
grossartige Wasserleitung mit ihren 410 gewaltigen Bogen, auf
welchen das Wasser von Alcala de Guadaira nach Sevilla zu fliesst.
Ein Theil dieses Bauwerkes — das hier Caños de Carmona genannt
wird — stammt von Julius Cäsar her.

Allein kein Zeitabschnitt hat der Stadt ein so specifisches und
unverwüstliches Gepräge zu ertheilen vermocht wie die Glanzperiode
der Maurenherrschaft, die hier einen ihrer wichtigsten Stützpunkte
gefunden hatte.

Viele der grössten Bauwerke Sevillas zeigen noch heute die
charakteristischen Merkmale des Styles dieser Zeit ebenso wie das
Innere der Privathäuser mit ihren marmorgetäfelten, blumenge-
schmückten Höfen (patio) und der leise plätschernden Fontaine.

Jahrhunderte hindurch war hier die katholische Kirche bestrebt,

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[[507]/0527] Sevilla. Weitab von der atlantischen Küste entstand am Ufer des schlammigen Guadalquivir in herrlicher Fruchtebene schon in vor- historischer Zeit ein reiches und blühendes Gemeinwesen der Phö- nikier. Sie gründeten diesen Ort, dessen Namen man nicht mehr sicher kennt, offenbar an dieser Stelle, weil nur bis dorthin die oceanische Flut ihre Seeschiffe trug. An derselben Stelle erblicken wir heute Sevilla, eine der interessantesten und bedeutendsten Städte Spaniens, den bewährten Hort der katholischen Kirche und zugleich die nie ver- siegende Quelle lebensfroher Freude. In dieser uralten Stadt vermuthet man das Tartessus der heiligen Schrift, welches dem südlichen Theil der iberischen Halbinsel einst den Namen gab. Nach anderen Deutungen soll dort das phönikische Sephela, auch Spela (Ebene) gelegen sein, aus welchen Namen die Römer Hispalis, die Mauren aber Ischbiliah machten, woraus dann Sibilia und Sevilla entstand. In ihrer heutigen Gestaltung erinnert die Stadt mit keiner Spur mehr an die älteste Periode ihres Bestandes; erst aus der Römerzeit finden sich Monumente der damaligen Baukunst und Baulust vor. So die grossartige Wasserleitung mit ihren 410 gewaltigen Bogen, auf welchen das Wasser von Alcala de Guadaira nach Sevilla zu fliesst. Ein Theil dieses Bauwerkes — das hier Caños de Carmona genannt wird — stammt von Julius Cäsar her. Allein kein Zeitabschnitt hat der Stadt ein so specifisches und unverwüstliches Gepräge zu ertheilen vermocht wie die Glanzperiode der Maurenherrschaft, die hier einen ihrer wichtigsten Stützpunkte gefunden hatte. Viele der grössten Bauwerke Sevillas zeigen noch heute die charakteristischen Merkmale des Styles dieser Zeit ebenso wie das Innere der Privathäuser mit ihren marmorgetäfelten, blumenge- schmückten Höfen (patio) und der leise plätschernden Fontaine. Jahrhunderte hindurch war hier die katholische Kirche bestrebt, 64*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [507]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/527>, abgerufen am 25.04.2024.