Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite
Nantes.

Wir stehen Nantes gegenüber mit theilnahmsvollem Blicke voi
einer gefallenen Grösse. Die Stadt hat ihre Bedeutung als Seehandels-
platz durch die Ungunst der hydrographischen Verhältnisse völlig
eingebüsst, und wenn die Stadt heute noch genannt wird, so dankt
sie es ihrer Transformation in eine Industriestadt. Wenn es eine Ironie
des Schicksals gibt, so hat sie sich hier bethätigt.

Dasselbe unternehmende Nantes, welches heute durch die ver-
sandete Loire von dem Meere fast abgeschnitten ist, hatte, in der
Meinung, dass Saint-Nazaire sein natürlicher Hafenplatz werden könne,
die Gründung desselben lebhaft begünstigt, bald aber musste man
zugeben, dass man eine gefährliche Nebenbuhlerin grossgezogen
hatte. Für die modernen Schiffe ist der seichte Hafen von Nantes un-
nahbar geworden, während sie in Saint-Nazaire bequem ankern können.

Nantes liegt ungefähr 53 km flussaufwärts von Saint-Nazaire und
ist nur für Schiffe bis 3 m Tauchung ohne Gefahr erreichbar; grössere
Schiffe dagegen finden in den zahllosen Sandbänken des Flusses
ernstliche und gefährliche Verkehrshindernisse.

Einst die viertgrösste Seehandelsstadt Frankreichs, rangirt Nantes
gegenwärtig ungefähr auf dem achtzehnten Platz.

Auch der grosse Passagierverkehr nach Amerika hat die Stadt
umgangen und Saint-Nazaire zur Kopfstation erwählt, wo die mäch-
tigen Postdampfer der Compagnie Transatlantique anlegen.

Dessenungeachtet besitzt Nantes noch immer eine beträchtliche
Rhederei, allein der Schiffsverkehr hat bedenklich abgenommen.

Die Hauptmasse der Stadt liegt am rechten Ufer der Loire,
während auf den vorliegenden Flussinseln und am linken Ufer, wie
unser Plan zeigt, einzelne Stadttheile und Vorstädte lagern, die durch
zahlreiche Brücken, meist Steinbauten, untereinander verbunden sind.
Von einem Punkte des Hafens nördlich der kleinen Insel Lemaire
aus gesehen, bietet Nantes ein recht malerisches Bild. Rechter Hand

Nantes.

Wir stehen Nantes gegenüber mit theilnahmsvollem Blicke voi
einer gefallenen Grösse. Die Stadt hat ihre Bedeutung als Seehandels-
platz durch die Ungunst der hydrographischen Verhältnisse völlig
eingebüsst, und wenn die Stadt heute noch genannt wird, so dankt
sie es ihrer Transformation in eine Industriestadt. Wenn es eine Ironie
des Schicksals gibt, so hat sie sich hier bethätigt.

Dasselbe unternehmende Nantes, welches heute durch die ver-
sandete Loire von dem Meere fast abgeschnitten ist, hatte, in der
Meinung, dass Saint-Nazaire sein natürlicher Hafenplatz werden könne,
die Gründung desselben lebhaft begünstigt, bald aber musste man
zugeben, dass man eine gefährliche Nebenbuhlerin grossgezogen
hatte. Für die modernen Schiffe ist der seichte Hafen von Nantes un-
nahbar geworden, während sie in Saint-Nazaire bequem ankern können.

Nantes liegt ungefähr 53 km flussaufwärts von Saint-Nazaire und
ist nur für Schiffe bis 3 m Tauchung ohne Gefahr erreichbar; grössere
Schiffe dagegen finden in den zahllosen Sandbänken des Flusses
ernstliche und gefährliche Verkehrshindernisse.

Einst die viertgrösste Seehandelsstadt Frankreichs, rangirt Nantes
gegenwärtig ungefähr auf dem achtzehnten Platz.

Auch der grosse Passagierverkehr nach Amerika hat die Stadt
umgangen und Saint-Nazaire zur Kopfstation erwählt, wo die mäch-
tigen Postdampfer der Compagnie Transatlantique anlegen.

Dessenungeachtet besitzt Nantes noch immer eine beträchtliche
Rhederei, allein der Schiffsverkehr hat bedenklich abgenommen.

Die Hauptmasse der Stadt liegt am rechten Ufer der Loire,
während auf den vorliegenden Flussinseln und am linken Ufer, wie
unser Plan zeigt, einzelne Stadttheile und Vorstädte lagern, die durch
zahlreiche Brücken, meist Steinbauten, untereinander verbunden sind.
Von einem Punkte des Hafens nördlich der kleinen Insel Lemaire
aus gesehen, bietet Nantes ein recht malerisches Bild. Rechter Hand

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0606" n="[586]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Nantes.</hi> </head><lb/>
          <p>Wir stehen Nantes gegenüber mit theilnahmsvollem Blicke <hi rendition="#k">voi</hi><lb/>
einer gefallenen Grösse. Die Stadt hat ihre Bedeutung als Seehandels-<lb/>
platz durch die Ungunst der hydrographischen Verhältnisse völlig<lb/>
eingebüsst, und wenn die Stadt heute noch genannt wird, so dankt<lb/>
sie es ihrer Transformation in eine Industriestadt. Wenn es eine Ironie<lb/>
des Schicksals gibt, so hat sie sich hier bethätigt.</p><lb/>
          <p>Dasselbe unternehmende Nantes, welches heute durch die ver-<lb/>
sandete Loire von dem Meere fast abgeschnitten ist, hatte, in der<lb/>
Meinung, dass Saint-Nazaire sein natürlicher Hafenplatz werden könne,<lb/>
die Gründung desselben lebhaft begünstigt, bald aber musste man<lb/>
zugeben, dass man eine gefährliche Nebenbuhlerin grossgezogen<lb/>
hatte. Für die modernen Schiffe ist der seichte Hafen von Nantes un-<lb/>
nahbar geworden, während sie in Saint-Nazaire bequem ankern können.</p><lb/>
          <p>Nantes liegt ungefähr 53 <hi rendition="#i">km</hi> flussaufwärts von Saint-Nazaire und<lb/>
ist nur für Schiffe bis 3 <hi rendition="#i">m</hi> Tauchung ohne Gefahr erreichbar; grössere<lb/>
Schiffe dagegen finden in den zahllosen Sandbänken des Flusses<lb/>
ernstliche und gefährliche Verkehrshindernisse.</p><lb/>
          <p>Einst die viertgrösste Seehandelsstadt Frankreichs, rangirt Nantes<lb/>
gegenwärtig ungefähr auf dem achtzehnten Platz.</p><lb/>
          <p>Auch der grosse Passagierverkehr nach Amerika hat die Stadt<lb/>
umgangen und Saint-Nazaire zur Kopfstation erwählt, wo die mäch-<lb/>
tigen Postdampfer der Compagnie Transatlantique anlegen.</p><lb/>
          <p>Dessenungeachtet besitzt Nantes noch immer eine beträchtliche<lb/>
Rhederei, allein der Schiffsverkehr hat bedenklich abgenommen.</p><lb/>
          <p>Die Hauptmasse der Stadt liegt am rechten Ufer der Loire,<lb/>
während auf den vorliegenden Flussinseln und am linken Ufer, wie<lb/>
unser Plan zeigt, einzelne Stadttheile und Vorstädte lagern, die durch<lb/>
zahlreiche Brücken, meist Steinbauten, untereinander verbunden sind.<lb/>
Von einem Punkte des Hafens nördlich der kleinen Insel Lemaire<lb/>
aus gesehen, bietet Nantes ein recht malerisches Bild. Rechter Hand<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[586]/0606] Nantes. Wir stehen Nantes gegenüber mit theilnahmsvollem Blicke voi einer gefallenen Grösse. Die Stadt hat ihre Bedeutung als Seehandels- platz durch die Ungunst der hydrographischen Verhältnisse völlig eingebüsst, und wenn die Stadt heute noch genannt wird, so dankt sie es ihrer Transformation in eine Industriestadt. Wenn es eine Ironie des Schicksals gibt, so hat sie sich hier bethätigt. Dasselbe unternehmende Nantes, welches heute durch die ver- sandete Loire von dem Meere fast abgeschnitten ist, hatte, in der Meinung, dass Saint-Nazaire sein natürlicher Hafenplatz werden könne, die Gründung desselben lebhaft begünstigt, bald aber musste man zugeben, dass man eine gefährliche Nebenbuhlerin grossgezogen hatte. Für die modernen Schiffe ist der seichte Hafen von Nantes un- nahbar geworden, während sie in Saint-Nazaire bequem ankern können. Nantes liegt ungefähr 53 km flussaufwärts von Saint-Nazaire und ist nur für Schiffe bis 3 m Tauchung ohne Gefahr erreichbar; grössere Schiffe dagegen finden in den zahllosen Sandbänken des Flusses ernstliche und gefährliche Verkehrshindernisse. Einst die viertgrösste Seehandelsstadt Frankreichs, rangirt Nantes gegenwärtig ungefähr auf dem achtzehnten Platz. Auch der grosse Passagierverkehr nach Amerika hat die Stadt umgangen und Saint-Nazaire zur Kopfstation erwählt, wo die mäch- tigen Postdampfer der Compagnie Transatlantique anlegen. Dessenungeachtet besitzt Nantes noch immer eine beträchtliche Rhederei, allein der Schiffsverkehr hat bedenklich abgenommen. Die Hauptmasse der Stadt liegt am rechten Ufer der Loire, während auf den vorliegenden Flussinseln und am linken Ufer, wie unser Plan zeigt, einzelne Stadttheile und Vorstädte lagern, die durch zahlreiche Brücken, meist Steinbauten, untereinander verbunden sind. Von einem Punkte des Hafens nördlich der kleinen Insel Lemaire aus gesehen, bietet Nantes ein recht malerisches Bild. Rechter Hand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/606
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [586]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/606>, abgerufen am 29.03.2024.