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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Boulogne-sur-Mer.

Die Küste zwischen Cap Gris-Nez und der Mündung des Somme-
Flusses, der, wie alle Wasserläufe dieser Gegend, das Hügelland des
Departements Pas-de-Calais entwässert, verläuft ohne nennenswerthe
Einbuchtungen in nord-südlicher Richtung und senkrecht gegen
dieselbe wüthen die häufigen Weststürme des Canals mit ihren ver-
heerenden Wogen. Ein Saum von Sandbarren ist der Küste vorge-
gelagert, wodurch das Anlaufen derselben sehr erschwert, bei stürmi-
scher Witterung sogar höchst gefährlich wird. So ist die äussere
Situation von Boulogne-sur-Mer, dieser uralten Hafenstadt, beschaffen,
und es ist begreiflich, dass zu verschiedenen Zeiten grossartige An-
strengungen gemacht wurden, die Zufahrt zu verbessern und geschützte
Hafenbecken zu schaffen, denn Boulogne hat im Gegensatz zu vielen
anderen Verkehrsplätzen niemals seine Handelswichtigkeit eingebüsst.
Zu jeder Zeit war sein Hafen eines der grossen Ausfallsthore des
europäischen Continentes für den Wanderzug der Menschen und für
den Handelsverkehr nach England gewesen. 127.000 Reisende
durchziehen alljährlich die Stadt. Der Menschenstrom wogt hier zu-
meist über den Canal hinüber zu den grossbritannischen Häfen und
von dort zurück. Dieser Verkehrsrichtung sowohl wie nicht minder
den alten Coalitionen mit Albion, ist es wohl zuzuschreiben, dass eine
starke englische Colonie in Boulogne den Sitz aufgeschlagen hat.
Gegenwärtig zählt dieselbe 6000 Personen, welche zumeist die untere
Stadt bewohnen und englische Sprache, Sitte und Lebensweise in der
ganzen Stadt verbreiteten.

Die Wichtigkeit von Boulogne wies der Stadt in früheren Zeiten
eine bedeutende militärische Rolle zu, die nicht ohne Einfluss auf die
Erweiterung des Hafens geblieben war. Boulogne erhielt auch fortifica-
torischen Schutz.

Die Stadt breitet sich am rechten Ufer des Liane-Flusses, der
südlich des Cap Gris-Nez in den Canal einmündet, auf hügeligem

Boulogne-sur-Mer.

Die Küste zwischen Cap Gris-Nez und der Mündung des Somme-
Flusses, der, wie alle Wasserläufe dieser Gegend, das Hügelland des
Departements Pas-de-Calais entwässert, verläuft ohne nennenswerthe
Einbuchtungen in nord-südlicher Richtung und senkrecht gegen
dieselbe wüthen die häufigen Weststürme des Canals mit ihren ver-
heerenden Wogen. Ein Saum von Sandbarren ist der Küste vorge-
gelagert, wodurch das Anlaufen derselben sehr erschwert, bei stürmi-
scher Witterung sogar höchst gefährlich wird. So ist die äussere
Situation von Boulogne-sur-Mer, dieser uralten Hafenstadt, beschaffen,
und es ist begreiflich, dass zu verschiedenen Zeiten grossartige An-
strengungen gemacht wurden, die Zufahrt zu verbessern und geschützte
Hafenbecken zu schaffen, denn Boulogne hat im Gegensatz zu vielen
anderen Verkehrsplätzen niemals seine Handelswichtigkeit eingebüsst.
Zu jeder Zeit war sein Hafen eines der grossen Ausfallsthore des
europäischen Continentes für den Wanderzug der Menschen und für
den Handelsverkehr nach England gewesen. 127.000 Reisende
durchziehen alljährlich die Stadt. Der Menschenstrom wogt hier zu-
meist über den Canal hinüber zu den grossbritannischen Häfen und
von dort zurück. Dieser Verkehrsrichtung sowohl wie nicht minder
den alten Coalitionen mit Albion, ist es wohl zuzuschreiben, dass eine
starke englische Colonie in Boulogne den Sitz aufgeschlagen hat.
Gegenwärtig zählt dieselbe 6000 Personen, welche zumeist die untere
Stadt bewohnen und englische Sprache, Sitte und Lebensweise in der
ganzen Stadt verbreiteten.

Die Wichtigkeit von Boulogne wies der Stadt in früheren Zeiten
eine bedeutende militärische Rolle zu, die nicht ohne Einfluss auf die
Erweiterung des Hafens geblieben war. Boulogne erhielt auch fortifica-
torischen Schutz.

Die Stadt breitet sich am rechten Ufer des Liane-Flusses, der
südlich des Cap Gris-Nez in den Canal einmündet, auf hügeligem

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[[623]/0643] Boulogne-sur-Mer. Die Küste zwischen Cap Gris-Nez und der Mündung des Somme- Flusses, der, wie alle Wasserläufe dieser Gegend, das Hügelland des Departements Pas-de-Calais entwässert, verläuft ohne nennenswerthe Einbuchtungen in nord-südlicher Richtung und senkrecht gegen dieselbe wüthen die häufigen Weststürme des Canals mit ihren ver- heerenden Wogen. Ein Saum von Sandbarren ist der Küste vorge- gelagert, wodurch das Anlaufen derselben sehr erschwert, bei stürmi- scher Witterung sogar höchst gefährlich wird. So ist die äussere Situation von Boulogne-sur-Mer, dieser uralten Hafenstadt, beschaffen, und es ist begreiflich, dass zu verschiedenen Zeiten grossartige An- strengungen gemacht wurden, die Zufahrt zu verbessern und geschützte Hafenbecken zu schaffen, denn Boulogne hat im Gegensatz zu vielen anderen Verkehrsplätzen niemals seine Handelswichtigkeit eingebüsst. Zu jeder Zeit war sein Hafen eines der grossen Ausfallsthore des europäischen Continentes für den Wanderzug der Menschen und für den Handelsverkehr nach England gewesen. 127.000 Reisende durchziehen alljährlich die Stadt. Der Menschenstrom wogt hier zu- meist über den Canal hinüber zu den grossbritannischen Häfen und von dort zurück. Dieser Verkehrsrichtung sowohl wie nicht minder den alten Coalitionen mit Albion, ist es wohl zuzuschreiben, dass eine starke englische Colonie in Boulogne den Sitz aufgeschlagen hat. Gegenwärtig zählt dieselbe 6000 Personen, welche zumeist die untere Stadt bewohnen und englische Sprache, Sitte und Lebensweise in der ganzen Stadt verbreiteten. Die Wichtigkeit von Boulogne wies der Stadt in früheren Zeiten eine bedeutende militärische Rolle zu, die nicht ohne Einfluss auf die Erweiterung des Hafens geblieben war. Boulogne erhielt auch fortifica- torischen Schutz. Die Stadt breitet sich am rechten Ufer des Liane-Flusses, der südlich des Cap Gris-Nez in den Canal einmündet, auf hügeligem

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [623]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/643>, abgerufen am 28.03.2024.