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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Bergen.

Die Lage Bergens ist von der Seeseite aus betrachtet sehr
malerisch. Links eine Reihe nackter, grauer Hügel, an deren Seiten-
wand ein Theil der Stadt in Form eines Amphitheaters hinansteigt,
während der andere Theil sich tief in einem Kessel verliert; ein
hoher Hügel, auf dessen Spitze sich Schloss Bergenhus erhebt, trennt
einen Theil der Stadt von einer anderen kleinen Bucht. Der Hafen
ist schmal, zu beiden Seiten von Waarenhäusern umgeben und tief.

Bergen ist nach 1070 von König Olaf Kyrre gegründet worden. Im
XIII. Jahrhundert verdrängte bereits der Handel der Hansa den der einheimischen
Bürger; um 1340 bildete sich auf der östlichen Seite des Hafens eine eigene
deutsche Handelsfactorei, die bald den ganzen Handel beherrschte. Das Stadt-
viertel, das die deutschen Kaufleute bewohnten, ist noch heute der Mittelpunkt
des Handels. Als die Befreiung von der Herrschaft der Hansa begann, wurden
die Handelsprivilegien derselben eingeschränkt, und nach Auflösung der Hansa
gingen die deutschen Besitzungen in Bergen an die Norweger über. Bergen war
früher die erste Handelsstadt Norwegens und verlor erst in neuester Zeit seinen
Vorrang an Christiania.

Bergen, die Hauptstadt des gleichnamigen Stifts, ist nach
Christiania die wichtigste Handelsstadt Norwegens und beherbergt über
47.000 Einwohner. Unter 60° 24' nördl. Br. und 5° 19' östl. L. v. Gr.
gelegen, hat es unter dem Einfluss des Golfstromes ein ausserordent-
lich mildes Klima -- die mittlere Jahrestemperatur beträgt 8·12°C.,
während sie in dem ein wenig südlicheren Christiania nur 5·3° be-
trägt; Bergen weist aber auch die grösste Regenmenge unter allen
skandinavischen Küstenstädten auf. Die Stadt liegt, wie unser Plan
zeigt, auf einem Vorgebirge, ganz von Wasser umgeben, und besitzt
jetzt bedeutungslos gewordene Festungswerke. Ihren Namen hat sie
von den hohen kahlen Bergen, welche den Hafen überragen. Die
Stadt zeigt ein reges Verkehrsleben, dessen Mittelpunkt der Fisch-
handel bildet. Die Strassen sind eng und unregelmässig, die meisten
Häuser von Holz.


Bergen.

Die Lage Bergens ist von der Seeseite aus betrachtet sehr
malerisch. Links eine Reihe nackter, grauer Hügel, an deren Seiten-
wand ein Theil der Stadt in Form eines Amphitheaters hinansteigt,
während der andere Theil sich tief in einem Kessel verliert; ein
hoher Hügel, auf dessen Spitze sich Schloss Bergenhus erhebt, trennt
einen Theil der Stadt von einer anderen kleinen Bucht. Der Hafen
ist schmal, zu beiden Seiten von Waarenhäusern umgeben und tief.

Bergen ist nach 1070 von König Olaf Kyrre gegründet worden. Im
XIII. Jahrhundert verdrängte bereits der Handel der Hansa den der einheimischen
Bürger; um 1340 bildete sich auf der östlichen Seite des Hafens eine eigene
deutsche Handelsfactorei, die bald den ganzen Handel beherrschte. Das Stadt-
viertel, das die deutschen Kaufleute bewohnten, ist noch heute der Mittelpunkt
des Handels. Als die Befreiung von der Herrschaft der Hansa begann, wurden
die Handelsprivilegien derselben eingeschränkt, und nach Auflösung der Hansa
gingen die deutschen Besitzungen in Bergen an die Norweger über. Bergen war
früher die erste Handelsstadt Norwegens und verlor erst in neuester Zeit seinen
Vorrang an Christiania.

Bergen, die Hauptstadt des gleichnamigen Stifts, ist nach
Christiania die wichtigste Handelsstadt Norwegens und beherbergt über
47.000 Einwohner. Unter 60° 24′ nördl. Br. und 5° 19′ östl. L. v. Gr.
gelegen, hat es unter dem Einfluss des Golfstromes ein ausserordent-
lich mildes Klima — die mittlere Jahrestemperatur beträgt 8·12°C.,
während sie in dem ein wenig südlicheren Christiania nur 5·3° be-
trägt; Bergen weist aber auch die grösste Regenmenge unter allen
skandinavischen Küstenstädten auf. Die Stadt liegt, wie unser Plan
zeigt, auf einem Vorgebirge, ganz von Wasser umgeben, und besitzt
jetzt bedeutungslos gewordene Festungswerke. Ihren Namen hat sie
von den hohen kahlen Bergen, welche den Hafen überragen. Die
Stadt zeigt ein reges Verkehrsleben, dessen Mittelpunkt der Fisch-
handel bildet. Die Strassen sind eng und unregelmässig, die meisten
Häuser von Holz.


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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [911]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/931>, abgerufen am 16.04.2024.