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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Rangoon.

An dem östlichen Ausflusse des Irawadi-Deltas, am Fluss-Arm
Rangoon, 32 km von der See entfernt, dehnt sich die Stadt Rangoon
(Rangun) aus, deren günstige Lage bereits die Herrscher des König-
reiches Ava erkannten, welche den Sitz eines Vicekönigreiches hie-
her verlegten. Jetzt ist Rangoon die Hauptstadt von Birma, einer
Provinz des Kaiserthums Indien.

Die älteste Geschichte Birmas ist in einiges Dunkel gehüllt, die einhei-
mischen Geschichtsquellen beginnen erst mit dem Jahre 79 v. Chr.; im III. Jahr-
hundert n. Chr. wurde der Buddhismus durch indische Missionäre im Lande ver-
breitet.

An der Stelle des jetzigen Rangoon befand sich schon vor Jahrhunderten
die auch noch gegenwärtig existirende grosse Dagon Pagode, welche die Haare
Gautamas und Reliquien Buddhas enthalten soll und dadurch den Platz zu einem
geheiligten macht. Um 1740 wurde Birma von Pegu erobert, 1750 erhob ein bir-
manischer Bauer aus dem Orte Mozzobo die Fahne des Aufstandes, besiegte die
Peguer, schwang sich unter dem Namen Alompra (Alaung-Phra) auf den Thron
und verkündigte seinen Sieg feierlich zu Rangoon, das er bei diesem Anlasse zur
Stadt erhob. Alompra, dessen glänzende Siegeslaufbahn seinen Namen zu dem
beliebtesten in den Erinnerungen des Volkes gemacht hat, und nicht minder auch
seine Nachfolger zierten Rangoon mit schönen buddhistischen Bauwerken.

König Phagyidan dachte gemeinsam mit Cochinchina die Vertreibung der
Engländer aus Indien bewirken zu können; sein Uebermuth führte 1824 zum
Kriege mit England, bei welchem die den Irawadi aufwärts vordringenden britischen
Truppen unter General A. Campbell in rascher Aufeinanderfolge Rangoon und
eine Anzahl anderer Orte einnahmen. Eine zweite englische Armee, die von
Assam aus vordringen sollte, erlitt zwar wiederholt Niederlagen, doch endete der
Krieg mit dem Frieden von Yandabo (24. Februar 1826) und der Abtretung Mul-
meins und mehrerer Provinzen des Landes an England.

Einem Vertragsbruche seitens Birmas folgte 1851 ein erneuerter Krieg mit
England, bei welchem am 14. April des folgenden Jahres Rangoon erobert und
wenige Monate später mit der Provinz Pegu dem indo-britischen Reiche als Britisch-
Birma einverleibt wurde.

Durch einen dritten Krieg mit England wurde 1885 der Rest des König-
reiches Birma unter General Prendergast erobert, der König Thibau abgesetzt und

Rangoon.

An dem östlichen Ausflusse des Irawadi-Deltas, am Fluss-Arm
Rangoon, 32 km von der See entfernt, dehnt sich die Stadt Rangoon
(Rangun) aus, deren günstige Lage bereits die Herrscher des König-
reiches Ava erkannten, welche den Sitz eines Vicekönigreiches hie-
her verlegten. Jetzt ist Rangoon die Hauptstadt von Birma, einer
Provinz des Kaiserthums Indien.

Die älteste Geschichte Birmas ist in einiges Dunkel gehüllt, die einhei-
mischen Geschichtsquellen beginnen erst mit dem Jahre 79 v. Chr.; im III. Jahr-
hundert n. Chr. wurde der Buddhismus durch indische Missionäre im Lande ver-
breitet.

An der Stelle des jetzigen Rangoon befand sich schon vor Jahrhunderten
die auch noch gegenwärtig existirende grosse Dagon Pagode, welche die Haare
Gautamas und Reliquien Buddhas enthalten soll und dadurch den Platz zu einem
geheiligten macht. Um 1740 wurde Birma von Pegu erobert, 1750 erhob ein bir-
manischer Bauer aus dem Orte Mozzobo die Fahne des Aufstandes, besiegte die
Peguer, schwang sich unter dem Namen Alompra (Alaung-Phra) auf den Thron
und verkündigte seinen Sieg feierlich zu Rangoon, das er bei diesem Anlasse zur
Stadt erhob. Alompra, dessen glänzende Siegeslaufbahn seinen Namen zu dem
beliebtesten in den Erinnerungen des Volkes gemacht hat, und nicht minder auch
seine Nachfolger zierten Rangoon mit schönen buddhistischen Bauwerken.

König Phagyidan dachte gemeinsam mit Cochinchina die Vertreibung der
Engländer aus Indien bewirken zu können; sein Uebermuth führte 1824 zum
Kriege mit England, bei welchem die den Irawadi aufwärts vordringenden britischen
Truppen unter General A. Campbell in rascher Aufeinanderfolge Rangoon und
eine Anzahl anderer Orte einnahmen. Eine zweite englische Armee, die von
Assam aus vordringen sollte, erlitt zwar wiederholt Niederlagen, doch endete der
Krieg mit dem Frieden von Yandabo (24. Februar 1826) und der Abtretung Mul-
meins und mehrerer Provinzen des Landes an England.

Einem Vertragsbruche seitens Birmas folgte 1851 ein erneuerter Krieg mit
England, bei welchem am 14. April des folgenden Jahres Rangoon erobert und
wenige Monate später mit der Provinz Pegu dem indo-britischen Reiche als Britisch-
Birma einverleibt wurde.

Durch einen dritten Krieg mit Englànd wurde 1885 der Rest des König-
reiches Birma unter General Prendergast erobert, der König Thibau abgesetzt und

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[[538]/0554] Rangoon. An dem östlichen Ausflusse des Irawadi-Deltas, am Fluss-Arm Rangoon, 32 km von der See entfernt, dehnt sich die Stadt Rangoon (Rangun) aus, deren günstige Lage bereits die Herrscher des König- reiches Ava erkannten, welche den Sitz eines Vicekönigreiches hie- her verlegten. Jetzt ist Rangoon die Hauptstadt von Birma, einer Provinz des Kaiserthums Indien. Die älteste Geschichte Birmas ist in einiges Dunkel gehüllt, die einhei- mischen Geschichtsquellen beginnen erst mit dem Jahre 79 v. Chr.; im III. Jahr- hundert n. Chr. wurde der Buddhismus durch indische Missionäre im Lande ver- breitet. An der Stelle des jetzigen Rangoon befand sich schon vor Jahrhunderten die auch noch gegenwärtig existirende grosse Dagon Pagode, welche die Haare Gautamas und Reliquien Buddhas enthalten soll und dadurch den Platz zu einem geheiligten macht. Um 1740 wurde Birma von Pegu erobert, 1750 erhob ein bir- manischer Bauer aus dem Orte Mozzobo die Fahne des Aufstandes, besiegte die Peguer, schwang sich unter dem Namen Alompra (Alaung-Phra) auf den Thron und verkündigte seinen Sieg feierlich zu Rangoon, das er bei diesem Anlasse zur Stadt erhob. Alompra, dessen glänzende Siegeslaufbahn seinen Namen zu dem beliebtesten in den Erinnerungen des Volkes gemacht hat, und nicht minder auch seine Nachfolger zierten Rangoon mit schönen buddhistischen Bauwerken. König Phagyidan dachte gemeinsam mit Cochinchina die Vertreibung der Engländer aus Indien bewirken zu können; sein Uebermuth führte 1824 zum Kriege mit England, bei welchem die den Irawadi aufwärts vordringenden britischen Truppen unter General A. Campbell in rascher Aufeinanderfolge Rangoon und eine Anzahl anderer Orte einnahmen. Eine zweite englische Armee, die von Assam aus vordringen sollte, erlitt zwar wiederholt Niederlagen, doch endete der Krieg mit dem Frieden von Yandabo (24. Februar 1826) und der Abtretung Mul- meins und mehrerer Provinzen des Landes an England. Einem Vertragsbruche seitens Birmas folgte 1851 ein erneuerter Krieg mit England, bei welchem am 14. April des folgenden Jahres Rangoon erobert und wenige Monate später mit der Provinz Pegu dem indo-britischen Reiche als Britisch- Birma einverleibt wurde. Durch einen dritten Krieg mit Englànd wurde 1885 der Rest des König- reiches Birma unter General Prendergast erobert, der König Thibau abgesetzt und

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. [538]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/554>, abgerufen am 23.04.2024.