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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der indische Ocean.
Basrah.

Im asiatisch-türkischen Vilajet Bagdad liegt auf angeschwemm-
tem Terrain nahe am rechten Ufer des von den Flüssen Euphrat und
Tigris gebildeten Schatt el Arab, ungefähr 60 Seemeilen von seiner
Mündung entfernt, die Stadt Basrah (Al Basra) oder Bassorah, das
Balsorah der Geschichte.

Im Jahre 636 n. Chr. gründete der Kalif Omar die Stadt Balsorah, um
den Persern den Weg, der über den persischen Golf nach Indien führt, zu ver-
legen. In den nächsten Jahrhunderten wurde Balsorah das "Athen des Orients",
in welchem Wettkämpfe aller Arten stattfanden, die von Dichtern jener Zeit mit
Vorliebe besungen wurden. In Aladin's Wunderlampe und den Erlebnissen
Sindbad's des Seefahrers oftmals genannt, nimmt Balsorah in den berühmten
Mährchen "Tausend und Eine Nacht" nach Bagdad die erste Stelle ein.

Emir Raschid, der arabische Fürst von Balsorah, überlieferte im Jahre 1538
die Schlüssel der Stadt an Sultan Soliman, der ihn mit dieser belehnte.

In späterer Folge gerieth Basrah wiederholt in die Hände der Perser, so
zum letzten Male im Jahre 1777; von den Arabern wurde es 1787 nach dreizehn-
monatlicher Belagerung erobert, aber immer wieder gelang es den Türken, die
Stadt zurückzugewinnen. 1815 wurden hier die Wahabiten von den Ägyptern
geschlagen, 17 Jahre später kam Basrah in die Gewalt Mehemed Alis, der aber
schon 1840 die Stadt dem Sultan wieder abtreten musste.

Ehedem ein Handelsplatz von eminenter Bedeutung, die es
seiner günstigen Situation am Flusse und einem ausgedehnten Canal-
netze verdankte, ging Basrah doch immer mehr und mehr zurück.
Die ungesunde Lage, die Apathie der türkischen Regierung und allerlei
Wechselfälle verursachten, dass die im vorigen Jahrhunderte noch
150.000 Einwohner zählende Stadt vor kaum vier Jahrzehnten nur
mehr 5000 Einwohner besass. Seit dem Inslebentreten der Euphrates
and Tigris Steamship Line, welche den Handelsverkehr mit Indien
besorgt, und seit man in der Nähe der Stadt keine Reiscultur mehr
betreibt, wodurch sich die Gesundheitsverhältnisse Basrahs wesentlich
gebessert haben, lässt sich ein neuerlicher Aufschwung verzeichnen.
Basrah zählt jetzt schon wieder über 40.000 Einwohner, unter diesen
jedoch kaum mehr als 60 Europäer.

Die Mündung des Schatt el Arab (Strom der Araber) ist von
bedeutender Breite. Leider ist im Jahre 1891 noch kein Leucht-
thurm dort! Eine Barre in der Mündung erlaubt nur Schiffen bis
zu 6 m Tiefgang (und dies auch nur unter der Führung von Fluss-
lootsen) das Einlaufen in den weiterhin tieferen Fluss. An den mit
dichtem Schilfe bewachsenen Stromufern liegen vor Basrah noch die
Ortschaften Fao, die Endstation des britisch-indischen Telegraphen-
kabels Kurrachee--Fao, und Mohammereh (Muhammero), letztere

Der indische Ocean.
Basrah.

Im asiatisch-türkischen Vilajet Bagdad liegt auf angeschwemm-
tem Terrain nahe am rechten Ufer des von den Flüssen Euphrat und
Tigris gebildeten Schatt el Arab, ungefähr 60 Seemeilen von seiner
Mündung entfernt, die Stadt Basrah (Al Basra) oder Bassorah, das
Balsorah der Geschichte.

Im Jahre 636 n. Chr. gründete der Kalif Omar die Stadt Balsorah, um
den Persern den Weg, der über den persischen Golf nach Indien führt, zu ver-
legen. In den nächsten Jahrhunderten wurde Balsorah das „Athen des Orients“,
in welchem Wettkämpfe aller Arten stattfanden, die von Dichtern jener Zeit mit
Vorliebe besungen wurden. In Aladin’s Wunderlampe und den Erlebnissen
Sindbad’s des Seefahrers oftmals genannt, nimmt Balsorah in den berühmten
Mährchen „Tausend und Eine Nacht“ nach Bagdad die erste Stelle ein.

Emir Raschid, der arabische Fürst von Balsorah, überlieferte im Jahre 1538
die Schlüssel der Stadt an Sultan Soliman, der ihn mit dieser belehnte.

In späterer Folge gerieth Basrah wiederholt in die Hände der Perser, so
zum letzten Male im Jahre 1777; von den Arabern wurde es 1787 nach dreizehn-
monatlicher Belagerung erobert, aber immer wieder gelang es den Türken, die
Stadt zurückzugewinnen. 1815 wurden hier die Wahabiten von den Ägyptern
geschlagen, 17 Jahre später kam Basrah in die Gewalt Mehemed Alis, der aber
schon 1840 die Stadt dem Sultan wieder abtreten musste.

Ehedem ein Handelsplatz von eminenter Bedeutung, die es
seiner günstigen Situation am Flusse und einem ausgedehnten Canal-
netze verdankte, ging Basrah doch immer mehr und mehr zurück.
Die ungesunde Lage, die Apathie der türkischen Regierung und allerlei
Wechselfälle verursachten, dass die im vorigen Jahrhunderte noch
150.000 Einwohner zählende Stadt vor kaum vier Jahrzehnten nur
mehr 5000 Einwohner besass. Seit dem Inslebentreten der Euphrates
and Tigris Steamship Line, welche den Handelsverkehr mit Indien
besorgt, und seit man in der Nähe der Stadt keine Reiscultur mehr
betreibt, wodurch sich die Gesundheitsverhältnisse Basrahs wesentlich
gebessert haben, lässt sich ein neuerlicher Aufschwung verzeichnen.
Basrah zählt jetzt schon wieder über 40.000 Einwohner, unter diesen
jedoch kaum mehr als 60 Europäer.

Die Mündung des Schatt el Arab (Strom der Araber) ist von
bedeutender Breite. Leider ist im Jahre 1891 noch kein Leucht-
thurm dort! Eine Barre in der Mündung erlaubt nur Schiffen bis
zu 6 m Tiefgang (und dies auch nur unter der Führung von Fluss-
lootsen) das Einlaufen in den weiterhin tieferen Fluss. An den mit
dichtem Schilfe bewachsenen Stromufern liegen vor Basrah noch die
Ortschaften Fao, die Endstation des britisch-indischen Telegraphen-
kabels Kurrachee—Fao, und Mohammereh (Muhammero), letztere

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[614/0630] Der indische Ocean. Basrah. Im asiatisch-türkischen Vilajet Bagdad liegt auf angeschwemm- tem Terrain nahe am rechten Ufer des von den Flüssen Euphrat und Tigris gebildeten Schatt el Arab, ungefähr 60 Seemeilen von seiner Mündung entfernt, die Stadt Basrah (Al Basra) oder Bassorah, das Balsorah der Geschichte. Im Jahre 636 n. Chr. gründete der Kalif Omar die Stadt Balsorah, um den Persern den Weg, der über den persischen Golf nach Indien führt, zu ver- legen. In den nächsten Jahrhunderten wurde Balsorah das „Athen des Orients“, in welchem Wettkämpfe aller Arten stattfanden, die von Dichtern jener Zeit mit Vorliebe besungen wurden. In Aladin’s Wunderlampe und den Erlebnissen Sindbad’s des Seefahrers oftmals genannt, nimmt Balsorah in den berühmten Mährchen „Tausend und Eine Nacht“ nach Bagdad die erste Stelle ein. Emir Raschid, der arabische Fürst von Balsorah, überlieferte im Jahre 1538 die Schlüssel der Stadt an Sultan Soliman, der ihn mit dieser belehnte. In späterer Folge gerieth Basrah wiederholt in die Hände der Perser, so zum letzten Male im Jahre 1777; von den Arabern wurde es 1787 nach dreizehn- monatlicher Belagerung erobert, aber immer wieder gelang es den Türken, die Stadt zurückzugewinnen. 1815 wurden hier die Wahabiten von den Ägyptern geschlagen, 17 Jahre später kam Basrah in die Gewalt Mehemed Alis, der aber schon 1840 die Stadt dem Sultan wieder abtreten musste. Ehedem ein Handelsplatz von eminenter Bedeutung, die es seiner günstigen Situation am Flusse und einem ausgedehnten Canal- netze verdankte, ging Basrah doch immer mehr und mehr zurück. Die ungesunde Lage, die Apathie der türkischen Regierung und allerlei Wechselfälle verursachten, dass die im vorigen Jahrhunderte noch 150.000 Einwohner zählende Stadt vor kaum vier Jahrzehnten nur mehr 5000 Einwohner besass. Seit dem Inslebentreten der Euphrates and Tigris Steamship Line, welche den Handelsverkehr mit Indien besorgt, und seit man in der Nähe der Stadt keine Reiscultur mehr betreibt, wodurch sich die Gesundheitsverhältnisse Basrahs wesentlich gebessert haben, lässt sich ein neuerlicher Aufschwung verzeichnen. Basrah zählt jetzt schon wieder über 40.000 Einwohner, unter diesen jedoch kaum mehr als 60 Europäer. Die Mündung des Schatt el Arab (Strom der Araber) ist von bedeutender Breite. Leider ist im Jahre 1891 noch kein Leucht- thurm dort! Eine Barre in der Mündung erlaubt nur Schiffen bis zu 6 m Tiefgang (und dies auch nur unter der Führung von Fluss- lootsen) das Einlaufen in den weiterhin tieferen Fluss. An den mit dichtem Schilfe bewachsenen Stromufern liegen vor Basrah noch die Ortschaften Fao, die Endstation des britisch-indischen Telegraphen- kabels Kurrachee—Fao, und Mohammereh (Muhammero), letztere

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/630>, abgerufen am 25.04.2024.