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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Kamerun.

Durch eine gigantische Eingangspforte, gebildet von dem Riesen-
kegel des Götterberges (4190 m) auf dem Festlande und dem Clarence
Peak (3630 m) auf der Insel Fernando Po, fahren die Schiffe von
Norden her in die Mündung des Kamerun ein. Meist verhüllen
Wolken den Gipfel des Götterberges, dieses Wahrzeichen des
deutschen Schutzgebietes "Kamerun", und nur Morgens und Abends
zeigt er sich dem staunenden Blicke.

Das Land um den Kamerunfluss, der mit vier anderen Flüssen sich in ein
gemeinsames Sammelbecken ergiesst und mit ihnen längs der Küste ein ganzes
System von Wasseradern bildet, wurde bereits zu Ende des XV. Jahrhunderts von
den Portugiesen entdeckt, kam aber dann wieder in ziemliche Vergessenheit, bis
der Sclavenhandel auch diesen Theil Westafrikas in seine Operationen einbezog.
Im Jahre 1841 schlossen die Briten mit den hier herrschenden Negerkönigen
Verträge ab, wornach kein Sclavenhandel mehr getrieben und kein Sclavenschiff
mehr an der Küste zugelassen werden durfte. Die Engländer sind mehrmals wegen
Nichtbeachtung dieser Bestimmungen strafweise eingeschritten. Eine Besitzergreifung
durch die Engländer fand jedoch nicht statt. Dagegen knüpfte seit 1868 die
Hamburger Firma Woermann Verbindungen an jener Küste an, die bald an Aus-
dehnung gewannen und zur Anlage grosser Factoreien führten. Derart gewann
das Kamerungebiet steigende Bedeutung für den deutschen Verkehr, und das
wurde dann die Veranlassung zur förmlichen Umwandlung des Landes in ein
deutsches Schutzgebiet. Dieser Act wurde wesentlich dadurch beschleunigt, dass
man auf Seite Englands auch entschiedene Absichten in Bezug auf eine Besitz-
ergreifung hegte, seitdem man eine deutsche Action als möglich erachtete. Im
Jahre 1884 wurde Kamerun, ebenso wie das nördlicher gelegene Togo-Gebiet
an der sogenannten Benin-Bucht, als deutsches Schutzgebiet erklärt und die
Reichsflagge dort gehisst. Zugleich wurde der von seinen früheren grossen Afrika-
reisen her bekannte Dr. Nachtigal zum Reichs-Commissär für das neue Gebiet
ernannt. Er fiel jedoch bald dem bösen Malaria-Fieber zum Opfer. Kaum war
die Besitznahme von Seite Deutschlands ausgesprochen, als man auch schon mit
den Einwohnern in Conflict gerieth, deren "Könige" zum Theil das neue Ver-
hältniss deshalb nicht gerne sahen, weil sie von demselben eine Stärkung ihrer
Nebenbuhler befürchteten. Allerlei Parteiungen waren unter den schwarzen Macht-
habern am Kamerun vorhanden. Durch eine kurze, aber energische Action der

Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 89
Kamerun.

Durch eine gigantische Eingangspforte, gebildet von dem Riesen-
kegel des Götterberges (4190 m) auf dem Festlande und dem Clarence
Peak (3630 m) auf der Insel Fernando Po, fahren die Schiffe von
Norden her in die Mündung des Kamerun ein. Meist verhüllen
Wolken den Gipfel des Götterberges, dieses Wahrzeichen des
deutschen Schutzgebietes „Kamerun“, und nur Morgens und Abends
zeigt er sich dem staunenden Blicke.

Das Land um den Kamerunfluss, der mit vier anderen Flüssen sich in ein
gemeinsames Sammelbecken ergiesst und mit ihnen längs der Küste ein ganzes
System von Wasseradern bildet, wurde bereits zu Ende des XV. Jahrhunderts von
den Portugiesen entdeckt, kam aber dann wieder in ziemliche Vergessenheit, bis
der Sclavenhandel auch diesen Theil Westafrikas in seine Operationen einbezog.
Im Jahre 1841 schlossen die Briten mit den hier herrschenden Negerkönigen
Verträge ab, wornach kein Sclavenhandel mehr getrieben und kein Sclavenschiff
mehr an der Küste zugelassen werden durfte. Die Engländer sind mehrmals wegen
Nichtbeachtung dieser Bestimmungen strafweise eingeschritten. Eine Besitzergreifung
durch die Engländer fand jedoch nicht statt. Dagegen knüpfte seit 1868 die
Hamburger Firma Woermann Verbindungen an jener Küste an, die bald an Aus-
dehnung gewannen und zur Anlage grosser Factoreien führten. Derart gewann
das Kamerungebiet steigende Bedeutung für den deutschen Verkehr, und das
wurde dann die Veranlassung zur förmlichen Umwandlung des Landes in ein
deutsches Schutzgebiet. Dieser Act wurde wesentlich dadurch beschleunigt, dass
man auf Seite Englands auch entschiedene Absichten in Bezug auf eine Besitz-
ergreifung hegte, seitdem man eine deutsche Action als möglich erachtete. Im
Jahre 1884 wurde Kamerun, ebenso wie das nördlicher gelegene Togo-Gebiet
an der sogenannten Benin-Bucht, als deutsches Schutzgebiet erklärt und die
Reichsflagge dort gehisst. Zugleich wurde der von seinen früheren grossen Afrika-
reisen her bekannte Dr. Nachtigal zum Reichs-Commissär für das neue Gebiet
ernannt. Er fiel jedoch bald dem bösen Malaria-Fieber zum Opfer. Kaum war
die Besitznahme von Seite Deutschlands ausgesprochen, als man auch schon mit
den Einwohnern in Conflict gerieth, deren „Könige“ zum Theil das neue Ver-
hältniss deshalb nicht gerne sahen, weil sie von demselben eine Stärkung ihrer
Nebenbuhler befürchteten. Allerlei Parteiungen waren unter den schwarzen Macht-
habern am Kamerun vorhanden. Durch eine kurze, aber energische Action der

Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 89
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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. [705]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/721>, abgerufen am 25.04.2024.