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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Mogador.

An der Stelle, wo sich heute die marokkanische Stadt dieses
Namens befindet, waren schon, soweit die Nachrichten reichen, in
früheren Zeiten Ansiedlungen. Im Alterthume lag hier die von den
Karthagern gegründete Stadt Tamusiga; ein Segelhandbuch vom Jahre
1351 erwähnt sie; zu Anfang des XVII. Jahrhunderts erscheint
hier auf einer spanischen Karte ein kleiner Hafenplatz ver-
zeichnet. Später dürfte der Ort in Verfall gerathen sein; in der
ersten Hälfte des vorigen Säculums sollen nur mehr die Ruinen eines
einstigen portugiesischen Forts vorhanden gewesen sein. Dasselbe
stammt wohl aus der Zeit, in welcher die Portugiesen an der Nord-
küste Afrikas eine Rolle spielten.

Die heutige Stadt Mogador (bei den Mauren Suirah d. i. die
Prächtige) ist jüngeren Datums. Sie soll um 1760 gegründet worden
sein, und zwar auf Befehl des Sultans Muhammed ben Abdallah als
Concurrenz zu der ob ihres Wohlstandes mit Neid betrachteten Stadt
Agadir. Die Anlage der neuen Stadt geschah nach den Plänen des
Genueser Ingenieurs Cornut. Der Bau, bei dem die französischen
Kriegsgefangenen von der verunglückten Expedition gegen Larache
(1765) verwendet wurden, dauerte bis zum Jahre 1775. Die Stadt liegt
auf einem wenig über die See emporragenden Felsenriffe und ist ringsum
von einer starken Mauer umgeben, während auch deren Inneres durch
Mauern in drei streng von einander gesonderte Theile geschieden ist. Der
beste Theil ist die sogenannte Kasbah, welche nahe beim Hafen ge-
legen ist. Dort leben alle hier ansässigen Europäer und auch die
reicheren Juden, deren Stamm hier wenigstens der Zahl nach eine
Rolle spielt. Die Kasbah ist ziemlich gut gehalten und umfasst nebst
den Regierungsgebäuden und dem Gerichtsplatze des Kadi die Resi-
denzen der verschiedenen Consulate, ein spanisches Kapuzinerkloster
und eine Schule, welche von der englischen Missionsgesellschaft ge-
gründet worden ist. Hier gibt es sogar ein Hotel, wenngleich dieser
Name für die Unterkunft, welche Fremde darin finden, etwas zu voll-

Mogador.

An der Stelle, wo sich heute die marokkanische Stadt dieses
Namens befindet, waren schon, soweit die Nachrichten reichen, in
früheren Zeiten Ansiedlungen. Im Alterthume lag hier die von den
Karthagern gegründete Stadt Tamusiga; ein Segelhandbuch vom Jahre
1351 erwähnt sie; zu Anfang des XVII. Jahrhunderts erscheint
hier auf einer spanischen Karte ein kleiner Hafenplatz ver-
zeichnet. Später dürfte der Ort in Verfall gerathen sein; in der
ersten Hälfte des vorigen Säculums sollen nur mehr die Ruinen eines
einstigen portugiesischen Forts vorhanden gewesen sein. Dasselbe
stammt wohl aus der Zeit, in welcher die Portugiesen an der Nord-
küste Afrikas eine Rolle spielten.

Die heutige Stadt Mogador (bei den Mauren Suïrah d. i. die
Prächtige) ist jüngeren Datums. Sie soll um 1760 gegründet worden
sein, und zwar auf Befehl des Sultans Muhammed ben Abdallah als
Concurrenz zu der ob ihres Wohlstandes mit Neid betrachteten Stadt
Agadir. Die Anlage der neuen Stadt geschah nach den Plänen des
Genueser Ingenieurs Cornut. Der Bau, bei dem die französischen
Kriegsgefangenen von der verunglückten Expedition gegen Larache
(1765) verwendet wurden, dauerte bis zum Jahre 1775. Die Stadt liegt
auf einem wenig über die See emporragenden Felsenriffe und ist ringsum
von einer starken Mauer umgeben, während auch deren Inneres durch
Mauern in drei streng von einander gesonderte Theile geschieden ist. Der
beste Theil ist die sogenannte Kasbah, welche nahe beim Hafen ge-
legen ist. Dort leben alle hier ansässigen Europäer und auch die
reicheren Juden, deren Stamm hier wenigstens der Zahl nach eine
Rolle spielt. Die Kasbah ist ziemlich gut gehalten und umfasst nebst
den Regierungsgebäuden und dem Gerichtsplatze des Kadi die Resi-
denzen der verschiedenen Consulate, ein spanisches Kapuzinerkloster
und eine Schule, welche von der englischen Missionsgesellschaft ge-
gründet worden ist. Hier gibt es sogar ein Hôtel, wenngleich dieser
Name für die Unterkunft, welche Fremde darin finden, etwas zu voll-

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[[730]/0746] Mogador. An der Stelle, wo sich heute die marokkanische Stadt dieses Namens befindet, waren schon, soweit die Nachrichten reichen, in früheren Zeiten Ansiedlungen. Im Alterthume lag hier die von den Karthagern gegründete Stadt Tamusiga; ein Segelhandbuch vom Jahre 1351 erwähnt sie; zu Anfang des XVII. Jahrhunderts erscheint hier auf einer spanischen Karte ein kleiner Hafenplatz ver- zeichnet. Später dürfte der Ort in Verfall gerathen sein; in der ersten Hälfte des vorigen Säculums sollen nur mehr die Ruinen eines einstigen portugiesischen Forts vorhanden gewesen sein. Dasselbe stammt wohl aus der Zeit, in welcher die Portugiesen an der Nord- küste Afrikas eine Rolle spielten. Die heutige Stadt Mogador (bei den Mauren Suïrah d. i. die Prächtige) ist jüngeren Datums. Sie soll um 1760 gegründet worden sein, und zwar auf Befehl des Sultans Muhammed ben Abdallah als Concurrenz zu der ob ihres Wohlstandes mit Neid betrachteten Stadt Agadir. Die Anlage der neuen Stadt geschah nach den Plänen des Genueser Ingenieurs Cornut. Der Bau, bei dem die französischen Kriegsgefangenen von der verunglückten Expedition gegen Larache (1765) verwendet wurden, dauerte bis zum Jahre 1775. Die Stadt liegt auf einem wenig über die See emporragenden Felsenriffe und ist ringsum von einer starken Mauer umgeben, während auch deren Inneres durch Mauern in drei streng von einander gesonderte Theile geschieden ist. Der beste Theil ist die sogenannte Kasbah, welche nahe beim Hafen ge- legen ist. Dort leben alle hier ansässigen Europäer und auch die reicheren Juden, deren Stamm hier wenigstens der Zahl nach eine Rolle spielt. Die Kasbah ist ziemlich gut gehalten und umfasst nebst den Regierungsgebäuden und dem Gerichtsplatze des Kadi die Resi- denzen der verschiedenen Consulate, ein spanisches Kapuzinerkloster und eine Schule, welche von der englischen Missionsgesellschaft ge- gründet worden ist. Hier gibt es sogar ein Hôtel, wenngleich dieser Name für die Unterkunft, welche Fremde darin finden, etwas zu voll-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. [730]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/746>, abgerufen am 25.04.2024.