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Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.

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[Beginn Spaltensatz] wenig eckigt sind, rauch und ästig, schwammicht, und lassen etwas klebrichtes an den Fingern, wann man sie anrühret. Die Blätter sitzen an den Stengeln ohne Stiel, sind länglicht, ziemlich breit, dick und weich, rauch, weißlicht und schmecken gar grunicht, und dabey etwas hitzig. Die Blumen wachsen auf den Spitzen der Zweige, sind schön und groß, rund, wie mit Strahlen umgeben, von Farbe goldgelb, riechen starck und ziemlich angenehm. Nach ihnen folgen krumme Hülsen, in deren jeder ein länglichtes Samenkorn stickt. Die Wurtzeln sind holtzigt und zaserig. Es wächset in den Gärten, führet Viel Oel und Sal essentiale.

Es stärcket das Hertz und das Haupt, eröffnet, treibet den Harn und der Weiber Reinigung, machet auch Schweiß und widerstehet dem Gifte.

Es dienet wider die Kröpfe, wann es als ein Tranck oder Syrup gebrauchet wird, bringet dieselbigen zum eytern und heilet sie gar öfters, wann es geraume Zeit gebrauchet wird.

Caltha soll das deminutivum von Calendula seyn, und dessentwegen auch Calendula genennet worden, dieweil es insgemein um die ersten Tage im Monat, Calendae genannt, zu blühen pfleget.

Chyrsantemum kommt von khrusos, aurum, Gold, und anthos, flos, eine Blume, weil diese Blume goldgelb siehet.

Calx.

Calx viva, frantzösisch, Chaux vive, teutsch, lebendiger Kalch, ist ein Stein, der eine geraume Zeit, mit starckem Feuer, in denen ausdrücklich hierzu verfertigten Kalchöfen ist gebrennet worden. Bevor er aber gebrennet wird, heist er auf lateinisch, Lapis calcarius, frantzösisch, Pierre a chaux, teutsch, Kalchstein, und ist harte dicht, und grau.

Wann sie Kalch machen wollen, so legen sie die Steine fein ordentlich in die Oefen, machen ein grosses Flammenfeuer darunter, und erhalten dasselbige allezeit, gleich, bis daß die Steine durch und durch, wol ausgebrennet worden sind. Die dazu bestellten Leute wissen das Feuer in gleicher Stärcke beständig zu erhalten: dann wann die Flamme, welche zu Anfang zwischen den Steinen hindurch geschlagen, solte nachlassen, bevor sie die Arbeit gäntzlich zu Ende gebracht, könten sie die Steine nimmermehr zu Kalche machen, wann sie auch schon hundertmahl so viel Holtz verbrenneten, als sie sonst ordentlicher Weise dazu brauchen; indem die pori und Löchlein in den Steinen, welche das heftige Feuer darein gemacht, sobald die Hitze nachlässet, sich wiederum schliessen würden, und die Materie würde sich dergestalt auf einander setzen und unter einander gerathen, daß die Flamme gar nicht mehr in die Höhe komen könte, dieweil sie keinen Raum, als wie zuvor, darzwischen finden würde.

Bey dieser Arbeit wird alle Feuchtigkeit aus dem Kalche durchs Feuer ausgetrieben, an deren Stelle aber dringet sich eine grosse Menge feuriger Cörperlein hinein, die setzen sich in die gantz engen Löchlein der Materie, und verschliessen sich darinne, als wie in kleinen Zellen.

Und eben diesen feurigen Cörperlein ist die corrosivische und ätzende Kraft des Kalches zuzuschreiben, wie nicht weniger das Aufwallen, wann er ins Wasser geworffen wird. Dann, wann als dann die Feuchtigkeit [Spaltenumbruch] in die kleinen Gefängnüsse dieser feurigen Cörperlein sich hinein dränget, so zertheilen sie und treiben durch ihre heftige Bewegung, alles von einander, was ihnen sich will in Weg legen: begeben sich auch mit solchem Ungestüm heraus, daß sie das Wasser wallend und gantz siedend heiß machen. Dieses Aufwallen währet auch so lange, bis daß sich alle Theile des Kalches von einander gegeben, und die feurigen Cörperlein in vorige Freyheit gerathen sind, und keine Gewalt mehr brauchen um heraus zu kommen.

Le platre cuit, der Gyps, ist gleichergestalt eine Sorte Kalchs: alleine, weil bey dem Brennen die Löchlein dieses Steins nicht in dem Stande sind, eine solche grosse Menge feuriger Cörperlein zu behalten, als wie die in dem Kalche, darum erhitzt er sich auch nicht so sehr, wann man ihn in das Wasser wirfft.

An gewissen Orten findet sich, beym graben in der Erde, ein natürlicher lebendiger Kalch, oder, welcher durch das unterirdische Feuer ist gemachet worden.

Die Mauersteine, Dachziegel und viele andere Arten Erde und Steine mehr, welche gebrannt sind worden, werden nicht so gar sehr heiß, weil ihre Löchlein nicht also beschaffen, als wie dieses Steines, daß sie die Theilgen des Feuers in ihnen beschliessen könten.

Das Bley, das Spiesglas, und mehr andere dergleichen metallische Arten und Materien empfahen bey dem Brande, eine so grosse Menge feuriger Cörperlein, daß sie nicht um ein geringes an Grösse und Gewicht zunehmen. Indessen werden doch alle diese Kalchsorten sich weder erhitzen, noch in dem Wasser aufwallen; weil ihre Theilgen ungleich dichter sind und viel genauer mit einander verbunden, daher das Wasser nicht so mächtig ist, daß es sie von einander stossen oder wanckend machen kan, noch auch sich in die Cellen der feurigen Cörperlein hinein dringen und diese heraustreiben. Will man aber diese feurigen Cörper herausjagen, so muß man diese Materien ins Feuer setzen und fliessen lassen.

Weder der Weinspiritus noch die Oele machen den lebendigen Kalch sieden oder aufwallen, wann man ihn darein legt: hingegen verstopfen diese schwefelichten liquores vermittelst ihrer zackigten Theilgen die Löchlein in dem Kalche, und verwehren, daß die Luft nicht hinein dringen, noch diese Feuertheilgen herausjagen kan. Es gehet damit schier eben also zu, als wann man das flüchtige Saltz vom Weinspiritus verdecket, damit es nicht zerfliessen und verfliegen möge.

Aus dem Kalche kan man kein Saltz nicht ziehen, was man sich auch für Mühe dessentwegen giebet, und wann man noch so gar genau dabey verfähret. Und dessentwegen bin ich auch nicht der gemeinen Meinung, daß nemlich der lebendige Kalch vermöge seines Saltzes wircke.

Allein, man wird mir ausser Zweiffel einwenden und sagen, wie daß die feurigen Cörperlein, die ich in den Kalch einquartieret habe, eben so wenig zu erweisen wären, als wie das Saltz: und wann ich in diesem gebrannten Steine kein Saltz nicht wolte zulassen, so dürffte ich auch nicht zugeben, daß feurige Cörperlein darinn zu befinden, bis daß ich selbige gantz sichtiglich erweisen würde.

Ich aber gebe drauf zur Antwort, wie daß allhier [Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] wenig eckigt sind, rauch und ästig, schwammicht, und lassen etwas klebrichtes an den Fingern, wann man sie anrühret. Die Blätter sitzen an den Stengeln ohne Stiel, sind länglicht, ziemlich breit, dick und weich, rauch, weißlicht und schmecken gar grunicht, und dabey etwas hitzig. Die Blumen wachsen auf den Spitzen der Zweige, sind schön und groß, rund, wie mit Strahlen umgeben, von Farbe goldgelb, riechen starck und ziemlich angenehm. Nach ihnen folgen krumme Hülsen, in deren jeder ein länglichtes Samenkorn stickt. Die Wurtzeln sind holtzigt und zaserig. Es wächset in den Gärten, führet Viel Oel und Sal essentiale.

Es stärcket das Hertz und das Haupt, eröffnet, treibet den Harn und der Weiber Reinigung, machet auch Schweiß und widerstehet dem Gifte.

Es dienet wider die Kröpfe, wann es als ein Tranck oder Syrup gebrauchet wird, bringet dieselbigen zum eytern und heilet sie gar öfters, wann es geraume Zeit gebrauchet wird.

Caltha soll das deminutivum von Calendula seyn, und dessentwegen auch Calendula genennet worden, dieweil es insgemein um die ersten Tage im Monat, Calendæ genannt, zu blühen pfleget.

Chyrsantemum kommt von χρυσὸς, aurum, Gold, und ἄνϑος, flos, eine Blume, weil diese Blume goldgelb siehet.

Calx.

Calx viva, frantzösisch, Chaux vive, teutsch, lebendiger Kalch, ist ein Stein, der eine geraume Zeit, mit starckem Feuer, in denen ausdrücklich hierzu verfertigten Kalchöfen ist gebrennet worden. Bevor er aber gebrennet wird, heist er auf lateinisch, Lapis calcarius, frantzösisch, Pierre à chaux, teutsch, Kalchstein, und ist harte dicht, und grau.

Wann sie Kalch machen wollen, so legen sie die Steine fein ordentlich in die Oefen, machen ein grosses Flammenfeuer darunter, und erhalten dasselbige allezeit, gleich, bis daß die Steine durch und durch, wol ausgebrennet worden sind. Die dazu bestellten Leute wissen das Feuer in gleicher Stärcke beständig zu erhalten: dann wann die Flamme, welche zu Anfang zwischen den Steinen hindurch geschlagen, solte nachlassen, bevor sie die Arbeit gäntzlich zu Ende gebracht, könten sie die Steine nimmermehr zu Kalche machen, wann sie auch schon hundertmahl so viel Holtz verbrenneten, als sie sonst ordentlicher Weise dazu brauchen; indem die pori und Löchlein in den Steinen, welche das heftige Feuer darein gemacht, sobald die Hitze nachlässet, sich wiederum schliessen würden, und die Materie würde sich dergestalt auf einander setzen und unter einander gerathen, daß die Flamme gar nicht mehr in die Höhe kom̅en könte, dieweil sie keinen Raum, als wie zuvor, darzwischen finden würde.

Bey dieser Arbeit wird alle Feuchtigkeit aus dem Kalche durchs Feuer ausgetrieben, an deren Stelle aber dringet sich eine grosse Menge feuriger Cörperlein hinein, die setzen sich in die gantz engen Löchlein der Materie, und verschliessen sich darinne, als wie in kleinen Zellen.

Und eben diesen feurigen Cörperlein ist die corrosivische und ätzende Kraft des Kalches zuzuschreiben, wie nicht weniger das Aufwallen, wann er ins Wasser geworffen wird. Dann, wann als dann die Feuchtigkeit [Spaltenumbruch] in die kleinen Gefängnüsse dieser feurigen Cörperlein sich hinein dränget, so zertheilen sie und treiben durch ihre heftige Bewegung, alles von einander, was ihnen sich will in Weg legen: begeben sich auch mit solchem Ungestüm heraus, daß sie das Wasser wallend und gantz siedend heiß machen. Dieses Aufwallen währet auch so lange, bis daß sich alle Theile des Kalches von einander gegeben, und die feurigen Cörperlein in vorige Freyheit gerathen sind, und keine Gewalt mehr brauchen um heraus zu kommen.

Le plátre cuit, der Gyps, ist gleichergestalt eine Sorte Kalchs: alleine, weil bey dem Brennen die Löchlein dieses Steins nicht in dem Stande sind, eine solche grosse Menge feuriger Cörperlein zu behalten, als wie die in dem Kalche, darum erhitzt er sich auch nicht so sehr, wann man ihn in das Wasser wirfft.

An gewissen Orten findet sich, beym graben in der Erde, ein natürlicher lebendiger Kalch, oder, welcher durch das unterirdische Feuer ist gemachet worden.

Die Mauersteine, Dachziegel und viele andere Arten Erde und Steine mehr, welche gebrannt sind worden, werden nicht so gar sehr heiß, weil ihre Löchlein nicht also beschaffen, als wie dieses Steines, daß sie die Theilgen des Feuers in ihnen beschliessen könten.

Das Bley, das Spiesglas, und mehr andere dergleichen metallische Arten und Materien empfahen bey dem Brande, eine so grosse Menge feuriger Cörperlein, daß sie nicht um ein geringes an Grösse und Gewicht zunehmen. Indessen werden doch alle diese Kalchsorten sich weder erhitzen, noch in dem Wasser aufwallen; weil ihre Theilgen ungleich dichter sind und viel genauer mit einander verbunden, daher das Wasser nicht so mächtig ist, daß es sie von einander stossen oder wanckend machen kan, noch auch sich in die Cellen der feurigen Cörperlein hinein dringen und diese heraustreiben. Will man aber diese feurigen Cörper herausjagen, so muß man diese Materien ins Feuer setzen und fliessen lassen.

Weder der Weinspiritus noch die Oele machen den lebendigen Kalch sieden oder aufwallen, wann man ihn darein legt: hingegen verstopfen diese schwefelichten liquores vermittelst ihrer zackigten Theilgen die Löchlein in dem Kalche, und verwehren, daß die Luft nicht hinein dringen, noch diese Feuertheilgen herausjagen kan. Es gehet damit schier eben also zu, als wann man das flüchtige Saltz vom Weinspiritus verdecket, damit es nicht zerfliessen und verfliegen möge.

Aus dem Kalche kan man kein Saltz nicht ziehen, was man sich auch für Mühe dessentwegen giebet, und wann man noch so gar genau dabey verfähret. Und dessentwegen bin ich auch nicht der gemeinen Meinung, daß nemlich der lebendige Kalch vermöge seines Saltzes wircke.

Allein, man wird mir ausser Zweiffel einwenden und sagen, wie daß die feurigen Cörperlein, die ich in den Kalch einquartieret habe, eben so wenig zu erweisen wären, als wie das Saltz: und wann ich in diesem gebrannten Steine kein Saltz nicht wolte zulassen, so dürffte ich auch nicht zugeben, daß feurige Cörperlein darinn zu befinden, bis daß ich selbige gantz sichtiglich erweisen würde.

Ich aber gebe drauf zur Antwort, wie daß allhier [Ende Spaltensatz]

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[0124] wenig eckigt sind, rauch und ästig, schwammicht, und lassen etwas klebrichtes an den Fingern, wann man sie anrühret. Die Blätter sitzen an den Stengeln ohne Stiel, sind länglicht, ziemlich breit, dick und weich, rauch, weißlicht und schmecken gar grunicht, und dabey etwas hitzig. Die Blumen wachsen auf den Spitzen der Zweige, sind schön und groß, rund, wie mit Strahlen umgeben, von Farbe goldgelb, riechen starck und ziemlich angenehm. Nach ihnen folgen krumme Hülsen, in deren jeder ein länglichtes Samenkorn stickt. Die Wurtzeln sind holtzigt und zaserig. Es wächset in den Gärten, führet Viel Oel und Sal essentiale. Es stärcket das Hertz und das Haupt, eröffnet, treibet den Harn und der Weiber Reinigung, machet auch Schweiß und widerstehet dem Gifte. Es dienet wider die Kröpfe, wann es als ein Tranck oder Syrup gebrauchet wird, bringet dieselbigen zum eytern und heilet sie gar öfters, wann es geraume Zeit gebrauchet wird. Caltha soll das deminutivum von Calendula seyn, und dessentwegen auch Calendula genennet worden, dieweil es insgemein um die ersten Tage im Monat, Calendæ genannt, zu blühen pfleget. Chyrsantemum kommt von χρυσὸς, aurum, Gold, und ἄνϑος, flos, eine Blume, weil diese Blume goldgelb siehet. Calx. Calx viva, frantzösisch, Chaux vive, teutsch, lebendiger Kalch, ist ein Stein, der eine geraume Zeit, mit starckem Feuer, in denen ausdrücklich hierzu verfertigten Kalchöfen ist gebrennet worden. Bevor er aber gebrennet wird, heist er auf lateinisch, Lapis calcarius, frantzösisch, Pierre à chaux, teutsch, Kalchstein, und ist harte dicht, und grau. Wann sie Kalch machen wollen, so legen sie die Steine fein ordentlich in die Oefen, machen ein grosses Flammenfeuer darunter, und erhalten dasselbige allezeit, gleich, bis daß die Steine durch und durch, wol ausgebrennet worden sind. Die dazu bestellten Leute wissen das Feuer in gleicher Stärcke beständig zu erhalten: dann wann die Flamme, welche zu Anfang zwischen den Steinen hindurch geschlagen, solte nachlassen, bevor sie die Arbeit gäntzlich zu Ende gebracht, könten sie die Steine nimmermehr zu Kalche machen, wann sie auch schon hundertmahl so viel Holtz verbrenneten, als sie sonst ordentlicher Weise dazu brauchen; indem die pori und Löchlein in den Steinen, welche das heftige Feuer darein gemacht, sobald die Hitze nachlässet, sich wiederum schliessen würden, und die Materie würde sich dergestalt auf einander setzen und unter einander gerathen, daß die Flamme gar nicht mehr in die Höhe kom̅en könte, dieweil sie keinen Raum, als wie zuvor, darzwischen finden würde. Bey dieser Arbeit wird alle Feuchtigkeit aus dem Kalche durchs Feuer ausgetrieben, an deren Stelle aber dringet sich eine grosse Menge feuriger Cörperlein hinein, die setzen sich in die gantz engen Löchlein der Materie, und verschliessen sich darinne, als wie in kleinen Zellen. Und eben diesen feurigen Cörperlein ist die corrosivische und ätzende Kraft des Kalches zuzuschreiben, wie nicht weniger das Aufwallen, wann er ins Wasser geworffen wird. Dann, wann als dann die Feuchtigkeit in die kleinen Gefängnüsse dieser feurigen Cörperlein sich hinein dränget, so zertheilen sie und treiben durch ihre heftige Bewegung, alles von einander, was ihnen sich will in Weg legen: begeben sich auch mit solchem Ungestüm heraus, daß sie das Wasser wallend und gantz siedend heiß machen. Dieses Aufwallen währet auch so lange, bis daß sich alle Theile des Kalches von einander gegeben, und die feurigen Cörperlein in vorige Freyheit gerathen sind, und keine Gewalt mehr brauchen um heraus zu kommen. Le plátre cuit, der Gyps, ist gleichergestalt eine Sorte Kalchs: alleine, weil bey dem Brennen die Löchlein dieses Steins nicht in dem Stande sind, eine solche grosse Menge feuriger Cörperlein zu behalten, als wie die in dem Kalche, darum erhitzt er sich auch nicht so sehr, wann man ihn in das Wasser wirfft. An gewissen Orten findet sich, beym graben in der Erde, ein natürlicher lebendiger Kalch, oder, welcher durch das unterirdische Feuer ist gemachet worden. Die Mauersteine, Dachziegel und viele andere Arten Erde und Steine mehr, welche gebrannt sind worden, werden nicht so gar sehr heiß, weil ihre Löchlein nicht also beschaffen, als wie dieses Steines, daß sie die Theilgen des Feuers in ihnen beschliessen könten. Das Bley, das Spiesglas, und mehr andere dergleichen metallische Arten und Materien empfahen bey dem Brande, eine so grosse Menge feuriger Cörperlein, daß sie nicht um ein geringes an Grösse und Gewicht zunehmen. 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Aus dem Kalche kan man kein Saltz nicht ziehen, was man sich auch für Mühe dessentwegen giebet, und wann man noch so gar genau dabey verfähret. Und dessentwegen bin ich auch nicht der gemeinen Meinung, daß nemlich der lebendige Kalch vermöge seines Saltzes wircke. Allein, man wird mir ausser Zweiffel einwenden und sagen, wie daß die feurigen Cörperlein, die ich in den Kalch einquartieret habe, eben so wenig zu erweisen wären, als wie das Saltz: und wann ich in diesem gebrannten Steine kein Saltz nicht wolte zulassen, so dürffte ich auch nicht zugeben, daß feurige Cörperlein darinn zu befinden, bis daß ich selbige gantz sichtiglich erweisen würde. Ich aber gebe drauf zur Antwort, wie daß allhier

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Zitationshilfe: Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/124>, abgerufen am 16.04.2024.