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Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.

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[Beginn Spaltensatz] aber nur ein einiger, iedoch auf unterschiedlichen Wegen, damit sie einander nicht hindern dürffen. Dieses Holtz legen sie Stück für Stück übereinander in das Wasser, bis daß sie für so viele Biber, als beysammen wohnen wollen, genug haben.

Die Wilden ziehen vom Monat November an, bis in den folgenden April auf die Biberjagt; dann um diese Zeit haben sie die meisten Haare: sie begehen die kleinen Flüsse nach der Länge hin, und sobald sie nur eines Damms ansichtig werden, können sie sich stracks die Rechnungmachen, der Biber ihre Hütte sey nicht fern davon; deshalben machen sie sich so nahe hinzu, als ihnen immer möglich ist. Sobald nun der Biber die Jäger merckt oder spüret, stürtzt er sich stracks in sein Becken oder Wasserleitung hinein, und begiebt sich mit dem Wasser, das unter der Erde hinwegläufft, unter das hole Ufer: dieweil er aber der Luft nicht kan ermangeln, so steckt er den Kopf immerfort über das Wasser, und der Wilde, wann es im Sommer ist, nimmt dessen wahr, und schiesset ihn mit seinem Pfeile, tödtet ihn auch gar im Wasser. Ist es aber im Winter, und die Flüsse sind mit Eis beleget, so ist kein Mittel ihn zu schiessen, deswegen macht der Jäger unterschiedene Löcher in das Eis, in geraumer Weite von einander und leget sich nicht weit davon: wann nun der Biber darunter weg gehet, und den Kopf heraus steckt, Luft zu schöpfen, so fährt der Jäger mit der Hand ins Wasser und dem Biber auf dem Leibe hin bis an den Ort, wo der Schwantz breiter wird, drucket die Hand zusammen und fasset ihn starck an, ziehet ihn heraus und wirfft ihn aufs Eis. Wann nun das Thier verspüret, daß es gefangen ist, so trachtet es nach Möglichkeit dem zu entgehen, allein, weil es so langsam läufft, wird es stracks eingehohlt und umgebracht. Wobey zu mercken ist, daß dieses das allerbeste Mittel sey sich eines lebendigen Bibers zu versichern, wann man ihn bey dem Schwantz anfasset, dann da kan er sich nicht herum wenden und denjenigen beissen, der ihn hält; deswegen fast man ihn bey der Kerbe an, die er an der Wurtzel des Schwantzes hat, und führet ihn hin, wo man nur will. Bisweilen werden wol acht oder zähen Dämme innerhalb zwey Meilen gefunden; da kommt kein Biber nicht davon.

Es werden auch dem Biber Stricke und Netze gelegt. Dann, obgleich die Biber ihren Vorrath eingetragen, iedannoch unterlassen sie deshalben nicht von Zeit zu Zeit ins Holtz zu ziehen und frische Atzung aufzusuchen: und die Jäger selbst, weil sie wissen, daß sie viel lieber frisch Holtz fressen, als solches, das schon eine Zeit im Wasser hat gelegen, tragen es ihnen gantz nahe an den Bau, und richten ihnen Schlingen, welche bald so aussehen, als wie diejenigen, damit man die Ratten zu fahen pfleget, und im frantzösischen quatre de ciffre genennet werden.

Castor kommt von castrare, castriren, verschneiden, dieweil die Alten geglaubet, der Biber, wann er von den Jägern gefangen würde, risse ihm die Geilen selbsten mit den Zähnen heraus, und liesse sie gleichsam als eine Rantzion, liegen; welches Mährlein aber keines widerlegens nicht bedarff. Die heutigen Naturkündiger sind des Gegentheils [Spaltenumbruch] genugsam überzeuget, und daß dasselbige unmöglich könne geschehen: zudem gab es ein zweydeutiges Wort, dann sie hielten das Castroreum für die Geilen des Bibers, da es doch gantz etwas anders ist, gleichwie aus folgendem Articul zu ersehen.

Fiber, quia hoc animal extremitates amnium colit, weil dieses Thier so gerne am Gestade der Flüsse wohnt.

Bievre ist ein frantzösischer Name, und von dem Teutschen Worte Biber, oder von dem englischen Bever genommen worden, welches eben soviel bedeutet.

Castoreum.

Die Alten waren in der Anatomie bey weiten nicht so genau, wie man wol heut zu Tage ist, und hatten der rechten Geilen am Biber nicht wahrgenommen, dann sie sind gar klein, und liegen an einem ziemlich versteckten Orte in den Dünnen, davon ich im vorhergehenden Articul geredet. Sie haben vielmehr alle mit einander die Castoreum-Beutel oder Taschen für die Geilen dieses Thieres angesehen, welche dannoch etwas gantz anders sind. Die Herren von der königlichen Academie des Sciences sind die ersten gewesen, welche die Geilen am Biber entdecket, und auch zugleich alle seine andern Theile genau untersuchet.

In dem Unterleibe des Bibers, gegen den untern Theil des Schloßbeins, befindet man vier grosse Beutel oder Säcke, von denen die beyden ersten die obersten möchten genennet werden, weil sie ein gut Theil höher liegen, als die andern; sie sehen aus wie eine Birne, und gehen zusammen, so daß sie einem Quersack nicht unähnlich sind. Ein ieder Beutel ist unten an dem Boden oder Grunde ungefehr drey Zoll lang und anderthalben breit, und liegen einer auf der rechten, der andere auf der lincken Seite an der Ruthe, und machen als wie einen halben Circkel, wann sie nun näher an die Ruthe kommen; hernach werden sie immer schmäler, bis an ihren Eingang und Oeffnung, woselbst sie nur etwa einen Zoll breit sind, und in den Mastdarm gehen.

Der Herr Sarrazin, Medicus in Canada, dessen oben erwähnet worden, hat an den Beuteln und deren Textur drey membranen und Häutlein in Acht genommen: die erste ist einfach und trefflich starck: die andere ist weit dicker, und wie voll Marck und durch und durch mit Blutgefässen besetzet: die dritte hat der Biber nur alleine, und dieselbe ist so trucken, als wie Pergament, sie ist auch so dicke, zerreisset von ihr selbst, doch ist sie dergestalt in einander gewickelt, daß sie wol dreymahl so lang wird, als zuvor und ehe man sie aus einander hat gezogen. Auswendig ist sie trefflich glatt, sieht grau, als wie die Perlen, und ist nicht selten mit braunen Flecken gezeichnet, bisweilen auch mit röthlichten. Inwendig ist sie ungleich und voll kleiner Fäden oder Fasen. Diese letztere membran beschliesset eine hartzigte und weichlichte Materie, die an den kleinen Zasern hangt, und aussenher grau sieht, inwendig aber gelblicht, und brennet leichtlich, hat dabey einen starcken, durchdringenden, unangenehmen Geruch. Dieses ist das wahrhaftige und rechte Castoreum und so genanntes Bibergeil, das wird in [Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] aber nur ein einiger, iedoch auf unterschiedlichen Wegen, damit sie einander nicht hindern dürffen. Dieses Holtz legen sie Stück für Stück übereinander in das Wasser, bis daß sie für so viele Biber, als beysammen wohnen wollen, genug haben.

Die Wilden ziehen vom Monat November an, bis in den folgenden April auf die Biberjagt; dann um diese Zeit haben sie die meisten Haare: sie begehen die kleinen Flüsse nach der Länge hin, und sobald sie nur eines Damms ansichtig werden, können sie sich stracks die Rechnungmachen, der Biber ihre Hütte sey nicht fern davon; deshalben machen sie sich so nahe hinzu, als ihnen immer möglich ist. Sobald nun der Biber die Jäger merckt oder spüret, stürtzt er sich stracks in sein Becken oder Wasserleitung hinein, und begiebt sich mit dem Wasser, das unter der Erde hinwegläufft, unter das hole Ufer: dieweil er aber der Luft nicht kan ermangeln, so steckt er den Kopf immerfort über das Wasser, und der Wilde, wann es im Sommer ist, nimmt dessen wahr, und schiesset ihn mit seinem Pfeile, tödtet ihn auch gar im Wasser. Ist es aber im Winter, und die Flüsse sind mit Eis beleget, so ist kein Mittel ihn zu schiessen, deswegen macht der Jäger unterschiedene Löcher in das Eis, in geraumer Weite von einander und leget sich nicht weit davon: wann nun der Biber darunter weg gehet, und den Kopf heraus steckt, Luft zu schöpfen, so fährt der Jäger mit der Hand ins Wasser und dem Biber auf dem Leibe hin bis an den Ort, wo der Schwantz breiter wird, drucket die Hand zusammen und fasset ihn starck an, ziehet ihn heraus und wirfft ihn aufs Eis. Wann nun das Thier verspüret, daß es gefangen ist, so trachtet es nach Möglichkeit dem zu entgehen, allein, weil es so langsam läufft, wird es stracks eingehohlt und umgebracht. Wobey zu mercken ist, daß dieses das allerbeste Mittel sey sich eines lebendigen Bibers zu versichern, wann man ihn bey dem Schwantz anfasset, dann da kan er sich nicht herum wenden und denjenigen beissen, der ihn hält; deswegen fast man ihn bey der Kerbe an, die er an der Wurtzel des Schwantzes hat, und führet ihn hin, wo man nur will. Bisweilen werden wol acht oder zähen Dämme innerhalb zwey Meilen gefunden; da kommt kein Biber nicht davon.

Es werden auch dem Biber Stricke und Netze gelegt. Dann, obgleich die Biber ihren Vorrath eingetragen, iedannoch unterlassen sie deshalben nicht von Zeit zu Zeit ins Holtz zu ziehen und frische Atzung aufzusuchen: und die Jäger selbst, weil sie wissen, daß sie viel lieber frisch Holtz fressen, als solches, das schon eine Zeit im Wasser hat gelegen, tragen es ihnen gantz nahe an den Bau, und richten ihnen Schlingen, welche bald so aussehen, als wie diejenigen, damit man die Ratten zu fahen pfleget, und im frantzösischen quatre de ciffre genennet werden.

Castor kommt von castrare, castriren, verschneiden, dieweil die Alten geglaubet, der Biber, wann er von den Jägern gefangen würde, risse ihm die Geilen selbsten mit den Zähnen heraus, und liesse sie gleichsam als eine Rantzion, liegen; welches Mährlein aber keines widerlegens nicht bedarff. Die heutigen Naturkündiger sind des Gegentheils [Spaltenumbruch] genugsam überzeuget, und daß dasselbige unmöglich könne geschehen: zudem gab es ein zweydeutiges Wort, dann sie hielten das Castroreum für die Geilen des Bibers, da es doch gantz etwas anders ist, gleichwie aus folgendem Articul zu ersehen.

Fiber, quia hoc animal extremitates amnium colit, weil dieses Thier so gerne am Gestade der Flüsse wohnt.

Biévre ist ein frantzösischer Name, und von dem Teutschen Worte Biber, oder von dem englischen Bever genommen worden, welches eben soviel bedeutet.

Castoreum.

Die Alten waren in der Anatomie bey weiten nicht so genau, wie man wol heut zu Tage ist, und hatten der rechten Geilen am Biber nicht wahrgenommen, dann sie sind gar klein, und liegen an einem ziemlich versteckten Orte in den Dünnen, davon ich im vorhergehenden Articul geredet. Sie haben vielmehr alle mit einander die Castoreum-Beutel oder Taschen für die Geilen dieses Thieres angesehen, welche dannoch etwas gantz anders sind. Die Herren von der königlichen Academie des Sciences sind die ersten gewesen, welche die Geilen am Biber entdecket, und auch zugleich alle seine andern Theile genau untersuchet.

In dem Unterleibe des Bibers, gegen den untern Theil des Schloßbeins, befindet man vier grosse Beutel oder Säcke, von denen die beyden ersten die obersten möchten genennet werden, weil sie ein gut Theil höher liegen, als die andern; sie sehen aus wie eine Birne, und gehen zusammen, so daß sie einem Quersack nicht unähnlich sind. Ein ieder Beutel ist unten an dem Boden oder Grunde ungefehr drey Zoll lang und anderthalben breit, und liegen einer auf der rechten, der andere auf der lincken Seite an der Ruthe, und machen als wie einen halben Circkel, wann sie nun näher an die Ruthe kommen; hernach werden sie immer schmäler, bis an ihren Eingang und Oeffnung, woselbst sie nur etwa einen Zoll breit sind, und in den Mastdarm gehen.

Der Herr Sarrazin, Medicus in Canada, dessen oben erwähnet worden, hat an den Beuteln und deren Textur drey membranen und Häutlein in Acht genommen: die erste ist einfach und trefflich starck: die andere ist weit dicker, und wie voll Marck und durch und durch mit Blutgefässen besetzet: die dritte hat der Biber nur alleine, und dieselbe ist so trucken, als wie Pergament, sie ist auch so dicke, zerreisset von ihr selbst, doch ist sie dergestalt in einander gewickelt, daß sie wol dreymahl so lang wird, als zuvor und ehe man sie aus einander hat gezogen. Auswendig ist sie trefflich glatt, sieht grau, als wie die Perlen, und ist nicht selten mit braunen Flecken gezeichnet, bisweilen auch mit röthlichten. Inwendig ist sie ungleich und voll kleiner Fäden oder Fasen. Diese letztere membran beschliesset eine hartzigte und weichlichte Materie, die an den kleinen Zasern hangt, und aussenher grau sieht, inwendig aber gelblicht, und brennet leichtlich, hat dabey einen starcken, durchdringenden, unangenehmen Geruch. Dieses ist das wahrhaftige und rechte Castoreum und so genanntes Bibergeil, das wird in [Ende Spaltensatz]

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Wann nun das Thier verspüret, daß es gefangen ist, so trachtet es nach Möglichkeit dem zu entgehen, allein, weil es so langsam läufft, wird es stracks eingehohlt und umgebracht. Wobey zu mercken ist, daß dieses das allerbeste Mittel sey sich eines lebendigen Bibers zu versichern, wann man ihn bey dem Schwantz anfasset, dann da kan er sich nicht herum wenden und denjenigen beissen, der ihn hält; deswegen fast man ihn bey der Kerbe an, die er an der Wurtzel des Schwantzes hat, und führet ihn hin, wo man nur will. Bisweilen werden wol acht oder zähen Dämme innerhalb zwey Meilen gefunden; da kommt kein Biber nicht davon. Es werden auch dem Biber Stricke und Netze gelegt. Dann, obgleich die Biber ihren Vorrath eingetragen, iedannoch unterlassen sie deshalben nicht von Zeit zu Zeit ins Holtz zu ziehen und frische Atzung aufzusuchen: und die Jäger selbst, weil sie wissen, daß sie viel lieber frisch Holtz fressen, als solches, das schon eine Zeit im Wasser hat gelegen, tragen es ihnen gantz nahe an den Bau, und richten ihnen Schlingen, welche bald so aussehen, als wie diejenigen, damit man die Ratten zu fahen pfleget, und im frantzösischen quatre de ciffre genennet werden. Castor kommt von castrare, castriren, verschneiden, dieweil die Alten geglaubet, der Biber, wann er von den Jägern gefangen würde, risse ihm die Geilen selbsten mit den Zähnen heraus, und liesse sie gleichsam als eine Rantzion, liegen; welches Mährlein aber keines widerlegens nicht bedarff. Die heutigen Naturkündiger sind des Gegentheils genugsam überzeuget, und daß dasselbige unmöglich könne geschehen: zudem gab es ein zweydeutiges Wort, dann sie hielten das Castroreum für die Geilen des Bibers, da es doch gantz etwas anders ist, gleichwie aus folgendem Articul zu ersehen. Fiber, quia hoc animal extremitates amnium colit, weil dieses Thier so gerne am Gestade der Flüsse wohnt. Biévre ist ein frantzösischer Name, und von dem Teutschen Worte Biber, oder von dem englischen Bever genommen worden, welches eben soviel bedeutet. Castoreum. Die Alten waren in der Anatomie bey weiten nicht so genau, wie man wol heut zu Tage ist, und hatten der rechten Geilen am Biber nicht wahrgenommen, dann sie sind gar klein, und liegen an einem ziemlich versteckten Orte in den Dünnen, davon ich im vorhergehenden Articul geredet. Sie haben vielmehr alle mit einander die Castoreum-Beutel oder Taschen für die Geilen dieses Thieres angesehen, welche dannoch etwas gantz anders sind. Die Herren von der königlichen Academie des Sciences sind die ersten gewesen, welche die Geilen am Biber entdecket, und auch zugleich alle seine andern Theile genau untersuchet. In dem Unterleibe des Bibers, gegen den untern Theil des Schloßbeins, befindet man vier grosse Beutel oder Säcke, von denen die beyden ersten die obersten möchten genennet werden, weil sie ein gut Theil höher liegen, als die andern; sie sehen aus wie eine Birne, und gehen zusammen, so daß sie einem Quersack nicht unähnlich sind. Ein ieder Beutel ist unten an dem Boden oder Grunde ungefehr drey Zoll lang und anderthalben breit, und liegen einer auf der rechten, der andere auf der lincken Seite an der Ruthe, und machen als wie einen halben Circkel, wann sie nun näher an die Ruthe kommen; hernach werden sie immer schmäler, bis an ihren Eingang und Oeffnung, woselbst sie nur etwa einen Zoll breit sind, und in den Mastdarm gehen. Der Herr Sarrazin, Medicus in Canada, dessen oben erwähnet worden, hat an den Beuteln und deren Textur drey membranen und Häutlein in Acht genommen: die erste ist einfach und trefflich starck: die andere ist weit dicker, und wie voll Marck und durch und durch mit Blutgefässen besetzet: die dritte hat der Biber nur alleine, und dieselbe ist so trucken, als wie Pergament, sie ist auch so dicke, zerreisset von ihr selbst, doch ist sie dergestalt in einander gewickelt, daß sie wol dreymahl so lang wird, als zuvor und ehe man sie aus einander hat gezogen. Auswendig ist sie trefflich glatt, sieht grau, als wie die Perlen, und ist nicht selten mit braunen Flecken gezeichnet, bisweilen auch mit röthlichten. Inwendig ist sie ungleich und voll kleiner Fäden oder Fasen. Diese letztere membran beschliesset eine hartzigte und weichlichte Materie, die an den kleinen Zasern hangt, und aussenher grau sieht, inwendig aber gelblicht, und brennet leichtlich, hat dabey einen starcken, durchdringenden, unangenehmen Geruch. Dieses ist das wahrhaftige und rechte Castoreum und so genanntes Bibergeil, das wird in

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Zitationshilfe: Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/150>, abgerufen am 29.03.2024.