Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
IV.
Blumengruss.

Jener Abend war entschwunden;
Doch mit jedem Morgenlichte
Fand Johannes im Gefängniß
Frische Blumen, süße Früchte.
Sind es Früchte nicht von Bäumen,
Die er sah auf seinen Wegen?
Hauchten diese Blumen nie noch
Ihre Düfte ihm entgegen? --
Gleich als hätte heimlich jemand
Abgeschmeichelt jeder Stelle
Eine freundlichere Miene,
Heitert sich die Kerkerzelle.
Dieses ewig wache Sorgen,
Ob ein Geist es heimlich übe,
Allgewärtig, ungesehen,
Kann es jemand als die Liebe? --
Lenau's Gedichte. 16
IV.
Blumengruss.

Jener Abend war entſchwunden;
Doch mit jedem Morgenlichte
Fand Johannes im Gefaͤngniß
Friſche Blumen, ſuͤße Fruͤchte.
Sind es Fruͤchte nicht von Baͤumen,
Die er ſah auf ſeinen Wegen?
Hauchten dieſe Blumen nie noch
Ihre Duͤfte ihm entgegen? —
Gleich als haͤtte heimlich jemand
Abgeſchmeichelt jeder Stelle
Eine freundlichere Miene,
Heitert ſich die Kerkerzelle.
Dieſes ewig wache Sorgen,
Ob ein Geiſt es heimlich uͤbe,
Allgewaͤrtig, ungeſehen,
Kann es jemand als die Liebe? —
Lenau's Gedichte. 16
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0255" n="241"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">IV</hi>.<lb/><hi rendition="#b #g">Blumengruss</hi><hi rendition="#b">.</hi><lb/></head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">J</hi>ener Abend war ent&#x017F;chwunden;</l><lb/>
              <l>Doch mit jedem Morgenlichte</l><lb/>
              <l>Fand Johannes im Gefa&#x0364;ngniß</l><lb/>
              <l>Fri&#x017F;che Blumen, &#x017F;u&#x0364;ße Fru&#x0364;chte.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Sind es Fru&#x0364;chte nicht von Ba&#x0364;umen,</l><lb/>
              <l>Die er &#x017F;ah auf &#x017F;einen Wegen?</l><lb/>
              <l>Hauchten die&#x017F;e Blumen nie noch</l><lb/>
              <l>Ihre Du&#x0364;fte ihm entgegen? &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Gleich als ha&#x0364;tte heimlich jemand</l><lb/>
              <l>Abge&#x017F;chmeichelt jeder Stelle</l><lb/>
              <l>Eine freundlichere Miene,</l><lb/>
              <l>Heitert &#x017F;ich die Kerkerzelle.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Die&#x017F;es ewig wache Sorgen,</l><lb/>
              <l>Ob ein Gei&#x017F;t es heimlich u&#x0364;be,</l><lb/>
              <l>Allgewa&#x0364;rtig, unge&#x017F;ehen,</l><lb/>
              <l>Kann es jemand als die Liebe? &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
            <fw place="bottom" type="sig">Lenau's Gedichte. 16<lb/></fw>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0255] IV. Blumengruss. Jener Abend war entſchwunden; Doch mit jedem Morgenlichte Fand Johannes im Gefaͤngniß Friſche Blumen, ſuͤße Fruͤchte. Sind es Fruͤchte nicht von Baͤumen, Die er ſah auf ſeinen Wegen? Hauchten dieſe Blumen nie noch Ihre Duͤfte ihm entgegen? — Gleich als haͤtte heimlich jemand Abgeſchmeichelt jeder Stelle Eine freundlichere Miene, Heitert ſich die Kerkerzelle. Dieſes ewig wache Sorgen, Ob ein Geiſt es heimlich uͤbe, Allgewaͤrtig, ungeſehen, Kann es jemand als die Liebe? — Lenau's Gedichte. 16

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/255
Zitationshilfe: Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/255>, abgerufen am 18.04.2024.