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Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.

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Leise werd' ich hier umweht
Von geheimen, frohen Schauern,
Gleich als hätt' ein fromm Gebet
Sich verspätet in den Mauern.
Scheidend grüßet hell und klar
Noch die Sonn' in die Kapelle,
Und der Gräber stille Schaar
Liegt so traulich vor der Schwelle.
Freundlich schmiegt des Herbstes Ruh
Sich an die verlassnen Grüfte;
Dort, dem fernen Süden zu,
Wandern Vögel durch die Lüfte.
Alles schlummert, Alles schweigt,
Mancher Hügel ist versunken,
Und die Kreuze stehn geneigt
Auf den Gräbern -- schlafestrunken.
Und der Baum im Abendwind
Läßt sein Laub zu Boden wallen,
Wie ein schlafergriffnes Kind
Läßt sein buntes Spielzeug fallen. --
Leiſe werd' ich hier umweht
Von geheimen, frohen Schauern,
Gleich als haͤtt' ein fromm Gebet
Sich verſpaͤtet in den Mauern.
Scheidend gruͤßet hell und klar
Noch die Sonn' in die Kapelle,
Und der Graͤber ſtille Schaar
Liegt ſo traulich vor der Schwelle.
Freundlich ſchmiegt des Herbſtes Ruh
Sich an die verlaſſnen Gruͤfte;
Dort, dem fernen Suͤden zu,
Wandern Voͤgel durch die Luͤfte.
Alles ſchlummert, Alles ſchweigt,
Mancher Huͤgel iſt verſunken,
Und die Kreuze ſtehn geneigt
Auf den Graͤbern — ſchlafestrunken.
Und der Baum im Abendwind
Laͤßt ſein Laub zu Boden wallen,
Wie ein ſchlafergriffnes Kind
Laͤßt ſein buntes Spielzeug fallen. —
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[156/0170] Leiſe werd' ich hier umweht Von geheimen, frohen Schauern, Gleich als haͤtt' ein fromm Gebet Sich verſpaͤtet in den Mauern. Scheidend gruͤßet hell und klar Noch die Sonn' in die Kapelle, Und der Graͤber ſtille Schaar Liegt ſo traulich vor der Schwelle. Freundlich ſchmiegt des Herbſtes Ruh Sich an die verlaſſnen Gruͤfte; Dort, dem fernen Suͤden zu, Wandern Voͤgel durch die Luͤfte. Alles ſchlummert, Alles ſchweigt, Mancher Huͤgel iſt verſunken, Und die Kreuze ſtehn geneigt Auf den Graͤbern — ſchlafestrunken. Und der Baum im Abendwind Laͤßt ſein Laub zu Boden wallen, Wie ein ſchlafergriffnes Kind Laͤßt ſein buntes Spielzeug fallen. —

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Zitationshilfe: Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/170>, abgerufen am 20.04.2024.