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Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.

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Mich umschlingt kein holder Traum
Mit den Zauberfäden,
Hab' mit meinem Schmerze noch
Manches Wort zu reden.
Ferne, leise hör' ich dort
Eines Posthorns Klänge,
Plötzlich wird mir um das Herz
Nun noch eins so enge.
Töne, Wandermelodei,
Durch die öden Straßen,
Wie so leicht einander doch
Menschen sich verlassen!
Lustig rollt der Wagen fort
Ueber Stein' und Brücken,
Stand nicht wer an seinem Schlag
Mit verweinten Blicken?
Mag er stehn! die Thräne kann
Nicht die Rosse halten;
Mag der rauhe Geißelschlag
Ihm die Seele spalten!
Mich umſchlingt kein holder Traum
Mit den Zauberfaͤden,
Hab' mit meinem Schmerze noch
Manches Wort zu reden.
Ferne, leiſe hoͤr' ich dort
Eines Poſthorns Klaͤnge,
Ploͤtzlich wird mir um das Herz
Nun noch eins ſo enge.
Toͤne, Wandermelodei,
Durch die oͤden Straßen,
Wie ſo leicht einander doch
Menſchen ſich verlaſſen!
Luſtig rollt der Wagen fort
Ueber Stein' und Bruͤcken,
Stand nicht wer an ſeinem Schlag
Mit verweinten Blicken?
Mag er ſtehn! die Thraͤne kann
Nicht die Roſſe halten;
Mag der rauhe Geißelſchlag
Ihm die Seele ſpalten!
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[59/0073] Mich umſchlingt kein holder Traum Mit den Zauberfaͤden, Hab' mit meinem Schmerze noch Manches Wort zu reden. Ferne, leiſe hoͤr' ich dort Eines Poſthorns Klaͤnge, Ploͤtzlich wird mir um das Herz Nun noch eins ſo enge. Toͤne, Wandermelodei, Durch die oͤden Straßen, Wie ſo leicht einander doch Menſchen ſich verlaſſen! Luſtig rollt der Wagen fort Ueber Stein' und Bruͤcken, Stand nicht wer an ſeinem Schlag Mit verweinten Blicken? Mag er ſtehn! die Thraͤne kann Nicht die Roſſe halten; Mag der rauhe Geißelſchlag Ihm die Seele ſpalten!

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Zitationshilfe: Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/73>, abgerufen am 28.03.2024.