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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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Hamburgische
Dramaturgie.


Ein und zwanzigstes Stück.





Den sechs und zwanzigsten Abend (Freytags,
den 29sten May) ward die Mütterschule
des Nivelle de la Chaussee aufgeführet.

Es ist die Geschichte einer Mutter, die für
ihre partheyische Zärtlichkeit gegen einen nichts-
würdigen schmeichlerischen Sohn, die verdiente
Kränkung erhält. Marivaux hat auch ein
Stück unter diesem Titel. Aber bey ihm ist es
die Geschichte einer Mutter, die ihre Tochter,
um ein recht gutes gehorsames Kind an ihr zu
haben, in aller Einfalt erziehet, ohne alle Welt
und Erfahrung läßt: und wie geht es damit?
Wie man leicht errathen kann. Das liebe Mäd-
chen hat ein empfindliches Herz; sie weiß keiner
Gefahr auszuweichen, weil sie keine Gefahr ken-
net; sie verliebt sich in den ersten in den besten,
ohne Mamma darum zu fragen, und Mamma
mag dem Himmel danken, daß es noch so gut ab-

läuft.
X
Hamburgiſche
Dramaturgie.


Ein und zwanzigſtes Stuͤck.





Den ſechs und zwanzigſten Abend (Freytags,
den 29ſten May) ward die Muͤtterſchule
des Nivelle de la Chauſſee aufgefuͤhret.

Es iſt die Geſchichte einer Mutter, die fuͤr
ihre partheyiſche Zaͤrtlichkeit gegen einen nichts-
wuͤrdigen ſchmeichleriſchen Sohn, die verdiente
Kraͤnkung erhaͤlt. Marivaux hat auch ein
Stuͤck unter dieſem Titel. Aber bey ihm iſt es
die Geſchichte einer Mutter, die ihre Tochter,
um ein recht gutes gehorſames Kind an ihr zu
haben, in aller Einfalt erziehet, ohne alle Welt
und Erfahrung laͤßt: und wie geht es damit?
Wie man leicht errathen kann. Das liebe Maͤd-
chen hat ein empfindliches Herz; ſie weiß keiner
Gefahr auszuweichen, weil ſie keine Gefahr ken-
net; ſie verliebt ſich in den erſten in den beſten,
ohne Mamma darum zu fragen, und Mamma
mag dem Himmel danken, daß es noch ſo gut ab-

laͤuft.
X
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[[161]/0175] Hamburgiſche Dramaturgie. Ein und zwanzigſtes Stuͤck. Den 10ten Julius, 1767. Den ſechs und zwanzigſten Abend (Freytags, den 29ſten May) ward die Muͤtterſchule des Nivelle de la Chauſſee aufgefuͤhret. Es iſt die Geſchichte einer Mutter, die fuͤr ihre partheyiſche Zaͤrtlichkeit gegen einen nichts- wuͤrdigen ſchmeichleriſchen Sohn, die verdiente Kraͤnkung erhaͤlt. Marivaux hat auch ein Stuͤck unter dieſem Titel. Aber bey ihm iſt es die Geſchichte einer Mutter, die ihre Tochter, um ein recht gutes gehorſames Kind an ihr zu haben, in aller Einfalt erziehet, ohne alle Welt und Erfahrung laͤßt: und wie geht es damit? Wie man leicht errathen kann. Das liebe Maͤd- chen hat ein empfindliches Herz; ſie weiß keiner Gefahr auszuweichen, weil ſie keine Gefahr ken- net; ſie verliebt ſich in den erſten in den beſten, ohne Mamma darum zu fragen, und Mamma mag dem Himmel danken, daß es noch ſo gut ab- laͤuft. X

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. [161]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/175>, abgerufen am 18.04.2024.