Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite
Hamburgische
Dramaturgie.


Neun und sechzigstes Stück.





Lope de Vega, ob er schon als der Schöpfer
des spanischen Theaters betrachtet wird,
war es indeß nicht, der jenen Zwitterton
einführte. Das Volk war bereits so daran ge-
wöhnt, daß er ihn wider Willen mit anstimmen
mußte. Jn seinem Lehrgedichte, über die
Kunst, neue Komödien zu machen, dessen ich
oben schon gedacht, jammert er genug darüber.
Da er sahe, daß es nicht möglich sey, nach den
Regeln und Mustern der Alten für seine Zeitge-
nossen mit Beyfall zu arbeiten: so suchte er der
Regellosigkeit wenigstens Grenzen zu setzen;
das war die Absicht dieses Gedichts. Er dach-
te, so wild und barbarisch auch der Geschmack
der Nation sey, so müsse er doch seine Grund-
sätze haben; und es sey besser, auch nur nach
diesen mit einer beständigen Gleichförmigkeit zu
handeln, als nach gar keinen. Stücke, welche

die
R
Hamburgiſche
Dramaturgie.


Neun und ſechzigſtes Stück.





Lope de Vega, ob er ſchon als der Schöpfer
des ſpaniſchen Theaters betrachtet wird,
war es indeß nicht, der jenen Zwitterton
einführte. Das Volk war bereits ſo daran ge-
wöhnt, daß er ihn wider Willen mit anſtimmen
mußte. Jn ſeinem Lehrgedichte, über die
Kunſt, neue Komödien zu machen, deſſen ich
oben ſchon gedacht, jammert er genug darüber.
Da er ſahe, daß es nicht möglich ſey, nach den
Regeln und Muſtern der Alten für ſeine Zeitge-
noſſen mit Beyfall zu arbeiten: ſo ſuchte er der
Regelloſigkeit wenigſtens Grenzen zu ſetzen;
das war die Abſicht dieſes Gedichts. Er dach-
te, ſo wild und barbariſch auch der Geſchmack
der Nation ſey, ſo müſſe er doch ſeine Grund-
ſätze haben; und es ſey beſſer, auch nur nach
dieſen mit einer beſtändigen Gleichförmigkeit zu
handeln, als nach gar keinen. Stücke, welche

die
R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0135" n="[129]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Hamburgi&#x017F;che<lb/><hi rendition="#g">Dramaturgie</hi>.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Neun und &#x017F;echzig&#x017F;tes Stück.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#c">Den 29&#x017F;ten December, 1767.</hi> </dateline><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p><hi rendition="#in">L</hi>ope de Vega, ob er &#x017F;chon als der Schöpfer<lb/>
des &#x017F;pani&#x017F;chen Theaters betrachtet wird,<lb/>
war es indeß nicht, der jenen Zwitterton<lb/>
einführte. Das Volk war bereits &#x017F;o daran ge-<lb/>
wöhnt, daß er ihn wider Willen mit an&#x017F;timmen<lb/>
mußte. Jn &#x017F;einem Lehrgedichte, über die<lb/>
Kun&#x017F;t, neue Komödien zu machen, de&#x017F;&#x017F;en ich<lb/>
oben &#x017F;chon gedacht, jammert er genug darüber.<lb/>
Da er &#x017F;ahe, daß es nicht möglich &#x017F;ey, nach den<lb/>
Regeln und Mu&#x017F;tern der Alten für &#x017F;eine Zeitge-<lb/>
no&#x017F;&#x017F;en mit Beyfall zu arbeiten: &#x017F;o &#x017F;uchte er der<lb/>
Regello&#x017F;igkeit wenig&#x017F;tens Grenzen zu &#x017F;etzen;<lb/>
das war die Ab&#x017F;icht die&#x017F;es Gedichts. Er dach-<lb/>
te, &#x017F;o wild und barbari&#x017F;ch auch der Ge&#x017F;chmack<lb/>
der Nation &#x017F;ey, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;e er doch &#x017F;eine Grund-<lb/>
&#x017F;ätze haben; und es &#x017F;ey be&#x017F;&#x017F;er, auch nur nach<lb/>
die&#x017F;en mit einer be&#x017F;tändigen Gleichförmigkeit zu<lb/>
handeln, als nach gar keinen. Stücke, welche<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[129]/0135] Hamburgiſche Dramaturgie. Neun und ſechzigſtes Stück. Den 29ſten December, 1767. Lope de Vega, ob er ſchon als der Schöpfer des ſpaniſchen Theaters betrachtet wird, war es indeß nicht, der jenen Zwitterton einführte. Das Volk war bereits ſo daran ge- wöhnt, daß er ihn wider Willen mit anſtimmen mußte. Jn ſeinem Lehrgedichte, über die Kunſt, neue Komödien zu machen, deſſen ich oben ſchon gedacht, jammert er genug darüber. Da er ſahe, daß es nicht möglich ſey, nach den Regeln und Muſtern der Alten für ſeine Zeitge- noſſen mit Beyfall zu arbeiten: ſo ſuchte er der Regelloſigkeit wenigſtens Grenzen zu ſetzen; das war die Abſicht dieſes Gedichts. Er dach- te, ſo wild und barbariſch auch der Geſchmack der Nation ſey, ſo müſſe er doch ſeine Grund- ſätze haben; und es ſey beſſer, auch nur nach dieſen mit einer beſtändigen Gleichförmigkeit zu handeln, als nach gar keinen. Stücke, welche die R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/135
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. [129]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/135>, abgerufen am 23.04.2024.