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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

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IX.
Die blinde Henne.

Eine blind gewordene Henne, die des Schar-
rens gewohnt war, hörte auch blind noch nicht
auf, fleissig zu scharren. Was half es der arbeitsa-
men Närrin? Eine andre sehende Henne, welche
ihre zarten Füsse schonte, wich nie von ihrer Seite,
und genoß, ohne zu scharren, die Frucht des Schar-
rens. Denn so oft die blinde Henne ein Korn auf-
gescharret hatte, fraß es die sehende weg.

Der fleissige Deutsche macht die Collectanea, die
der witzige Franzose nutzt.



X. Die
IX.
Die blinde Henne.

Eine blind gewordene Henne, die des Schar-
rens gewohnt war, hörte auch blind noch nicht
auf, fleiſſig zu ſcharren. Was half es der arbeitſa-
men Närrin? Eine andre ſehende Henne, welche
ihre zarten Füſſe ſchonte, wich nie von ihrer Seite,
und genoß, ohne zu ſcharren, die Frucht des Schar-
rens. Denn ſo oft die blinde Henne ein Korn auf-
geſcharret hatte, fraß es die ſehende weg.

Der fleiſſige Deutſche macht die Collectanea, die
der witzige Franzoſe nutzt.



X. Die
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[46/0066] IX. Die blinde Henne. Eine blind gewordene Henne, die des Schar- rens gewohnt war, hörte auch blind noch nicht auf, fleiſſig zu ſcharren. Was half es der arbeitſa- men Närrin? Eine andre ſehende Henne, welche ihre zarten Füſſe ſchonte, wich nie von ihrer Seite, und genoß, ohne zu ſcharren, die Frucht des Schar- rens. Denn ſo oft die blinde Henne ein Korn auf- geſcharret hatte, fraß es die ſehende weg. Der fleiſſige Deutſche macht die Collectanea, die der witzige Franzoſe nutzt. X. Die

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/66>, abgerufen am 16.04.2024.