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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1202. bis 1203.
§. 5.

Nach diesen zog Bruder Dietrich der ältere nach Deutschland mit den1202
Pilgern, welche dasselbe Jahr in Liefland unter dem Kreuzzeichen für GOtt
Dienste gethan, und nahm einen Liven mit sich, Namens Caupo, der gleichsam
König und Landsältester der Liven von Thoreide gewesen, führte ihn auch,
nachdem er das gröste Theil Deutschlands in Augenschein genommen, endlich
nach Rom, und stellte ihn Jhro Päbstl. Heiligkeit vor e).

e) Also haben alle Liefländische Chronikenschreiber unrecht, wenn sie gleichsam aus einem
Munde erzählen, dieser Caupo sey 1170 von dem ersten Bischof Meinhard nach Rom
zum Pabst Alexander III. gebracht, und nach seiner Zurückkunft ins Vaterland, in
dem Treffen, so der Bischof Bertold mit den Liven gehalten, geblieben: da wir ihn
doch noch frisch und gesund sehen werden bis aufs Jahr 1216 n. 4, wo wir erst lesen, daß
er in einer Schlacht mit den Esthen erstochen worden.
§. 6.

Der Pabst empfing diesen Mann ungemein gnädig, küste ihn, und nachdem
er sich um den Zustand der Heiden um Liefland herum weitläuftig erkundiget, preisete
er GOtt höchlich für die Bekehrung der Liefländischen Nation. Nach Verlauf
einiger Tage verehrte der Hochwürdige Herr Pabst Jnnocentius vorbesagten
Caupo seine Geschenke, nemlich, hundert Goldgulden, und nahm von ihm, als er
nach Deutschland zurück wolte, zärtlichen Abschied, segnete ihn auch ein, und
schickte durch den Bruder Dietrich an den Bischof von Liefland eine Bibel f) so
mit des heil. Pabsts Gregorii eigner Hand geschrieben war.

f) Das hier befindliche lateinische Wort bibliotheca heist bey den Scribenten dasiger Zeit
die Schriften altes und neues Testaments, oder überhaupt das, was wir mit einem übli-
chern Worte biblia nennen. Also stirbt beym Albericus p. 450 Magister Peter von
Riga, der den Beynamen bibliothecae versificator führte. Die Mönche nennen es oft
bibliam, und was bey uns bibliotheca heist, nennen sie librariam. Beydes finden wir
in angehängtem Schein: Jch Johannes von Velstede, Canonicus dieser Kirche, er-
kenne hiermit schriftlich, daß auf Eiwilligung und Erlaubniß meiner Herren, der Dom-
herren zu Hildesheim, da sie in der grossen Kapitelstube in Kapitelsachen beysammen
waren, den andern Advent eine Bibel (bibliam) aus unserer Bibliothek (libraria) em-
pfangen, von mitlerm Format und kleiner Schrift, die ich verspreche wieder dahin zu
liefern. Gegeben im Jahr unsers Herrn 1317, am Sonntage Epiphanias, unter mei-
nem Pitschaft.
§. 7.

Diesen Symmer brach der König von Plosceke unvermuthet mit seiner
Armee in Liefland ein, und bestürmte das Schloß Ykeskola. Die Liven, weil
sie kein Gewehr hatten, getraueten sich nicht Widerstand zu thun, sondern ver-
sprachen ihm Geld zu geben; welches der König auch annahm und die Belagerung
aufhob. Ferner wurden inzwischen einige Deutsche von dem Bischof mit Bal-
listen und gewehr ausgeschickt, die das Schloß Holme zum voraus besetzten, dem
König bey seinem Anzuge, als er das Schloß wegnehmen wolte, sehr viele Pferde
verwundeten, und diese Russen*) zu fliehen nöthigten, weil sie der Pfeile wegen, die
Düne zu passiren nicht wagen wolten.

§. 8.

Der König von Gercike g) aber, zog mit den Litthauern vor Riga,
raubte den Bürgern ihr Vieh von der Weide, nahm zwey Priester Johann von
Vechten, und Volchard von Harpenstede h) bey dem alten Berge, gefan-

gen,
*) Rutheni hiessen sonst die Einwohner des grossen Landes Reussen, das sich von dem 45 bis fast 80 Grad
der Länge, und von dem 48 bis fast 70 Grad der Breite erstrecket. Daß selbst Liefland darunter be-
griffen gewesen, beweiset ein Breve vom Pabst Clemens dem III an den Bremischen Erzbischof Hart-
wich,
worinne er Meinharden, dem Bischof von Ykeskola nachrühmet, was er vor grosse Dienste
am Werke des HErrn in Ruthenia gethan, und daher verdiene Pastor und Bischof zu werden, in wel-
chem Amte er ihn auch bestätiget. Jn unserm Auctore sind Rutheni nur die nächsten Nachbaren von
Liefland, die unter eigenen Königen stunden, und wegen Vielheit ihrer Regenten nichts wichtiges aus-
führen konten, bis nach und nach diese kleinern Reiche in eins gezogen wurden.
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von 1202. bis 1203.
§. 5.

Nach dieſen zog Bruder Dietrich der aͤltere nach Deutſchland mit den1202
Pilgern, welche daſſelbe Jahr in Liefland unter dem Kreuzzeichen fuͤr GOtt
Dienſte gethan, und nahm einen Liven mit ſich, Namens Caupo, der gleichſam
Koͤnig und Landsaͤlteſter der Liven von Thoreide geweſen, fuͤhrte ihn auch,
nachdem er das groͤſte Theil Deutſchlands in Augenſchein genommen, endlich
nach Rom, und ſtellte ihn Jhro Paͤbſtl. Heiligkeit vor e).

e) Alſo haben alle Lieflaͤndiſche Chronikenſchreiber unrecht, wenn ſie gleichſam aus einem
Munde erzaͤhlen, dieſer Caupo ſey 1170 von dem erſten Biſchof Meinhard nach Rom
zum Pabſt Alexander III. gebracht, und nach ſeiner Zuruͤckkunft ins Vaterland, in
dem Treffen, ſo der Biſchof Bertold mit den Liven gehalten, geblieben: da wir ihn
doch noch friſch und geſund ſehen werden bis aufs Jahr 1216 n. 4, wo wir erſt leſen, daß
er in einer Schlacht mit den Eſthen erſtochen worden.
§. 6.

Der Pabſt empfing dieſen Mann ungemein gnaͤdig, kuͤſte ihn, und nachdem
er ſich um den Zuſtand der Heiden um Liefland herum weitlaͤuftig erkundiget, preiſete
er GOtt hoͤchlich fuͤr die Bekehrung der Lieflaͤndiſchen Nation. Nach Verlauf
einiger Tage verehrte der Hochwuͤrdige Herr Pabſt Jnnocentius vorbeſagten
Caupo ſeine Geſchenke, nemlich, hundert Goldgulden, und nahm von ihm, als er
nach Deutſchland zuruͤck wolte, zaͤrtlichen Abſchied, ſegnete ihn auch ein, und
ſchickte durch den Bruder Dietrich an den Biſchof von Liefland eine Bibel f) ſo
mit des heil. Pabſts Gregorii eigner Hand geſchrieben war.

f) Das hier befindliche lateiniſche Wort bibliotheca heiſt bey den Scribenten daſiger Zeit
die Schriften altes und neues Teſtaments, oder uͤberhaupt das, was wir mit einem uͤbli-
chern Worte biblia nennen. Alſo ſtirbt beym Albericus p. 450 Magiſter Peter von
Riga, der den Beynamen bibliothecæ verſificator fuͤhrte. Die Moͤnche nennen es oft
bibliam, und was bey uns bibliotheca heiſt, nennen ſie librariam. Beydes finden wir
in angehaͤngtem Schein: Jch Johannes von Velſtede, Canonicus dieſer Kirche, er-
kenne hiermit ſchriftlich, daß auf Eiwilligung und Erlaubniß meiner Herren, der Dom-
herren zu Hildesheim, da ſie in der groſſen Kapitelſtube in Kapitelſachen beyſammen
waren, den andern Advent eine Bibel (bibliam) aus unſerer Bibliothek (libraria) em-
pfangen, von mitlerm Format und kleiner Schrift, die ich verſpreche wieder dahin zu
liefern. Gegeben im Jahr unſers Herrn 1317, am Sonntage Epiphanias, unter mei-
nem Pitſchaft.
§. 7.

Dieſen Symmer brach der Koͤnig von Plosceke unvermuthet mit ſeiner
Armee in Liefland ein, und beſtuͤrmte das Schloß Ykeskola. Die Liven, weil
ſie kein Gewehr hatten, getraueten ſich nicht Widerſtand zu thun, ſondern ver-
ſprachen ihm Geld zu geben; welches der Koͤnig auch annahm und die Belagerung
aufhob. Ferner wurden inzwiſchen einige Deutſche von dem Biſchof mit Bal-
liſten und gewehr ausgeſchickt, die das Schloß Holme zum voraus beſetzten, dem
Koͤnig bey ſeinem Anzuge, als er das Schloß wegnehmen wolte, ſehr viele Pferde
verwundeten, und dieſe Ruſſen*) zu fliehen noͤthigten, weil ſie der Pfeile wegen, die
Duͤne zu paſſiren nicht wagen wolten.

§. 8.

Der Koͤnig von Gercike g) aber, zog mit den Litthauern vor Riga,
raubte den Buͤrgern ihr Vieh von der Weide, nahm zwey Prieſter Johann von
Vechten, und Volchard von Harpenſtede h) bey dem alten Berge, gefan-

gen,
*) Rutheni hieſſen ſonſt die Einwohner des groſſen Landes Reuſſen, das ſich von dem 45 bis faſt 80 Grad
der Laͤnge, und von dem 48 bis faſt 70 Grad der Breite erſtrecket. Daß ſelbſt Liefland darunter be-
griffen geweſen, beweiſet ein Breve vom Pabſt Clemens dem III an den Bremiſchen Erzbiſchof Hart-
wich,
worinne er Meinharden, dem Biſchof von Ykeskola nachruͤhmet, was er vor groſſe Dienſte
am Werke des HErrn in Ruthenia gethan, und daher verdiene Paſtor und Biſchof zu werden, in wel-
chem Amte er ihn auch beſtaͤtiget. Jn unſerm Auctore ſind Rutheni nur die naͤchſten Nachbaren von
Liefland, die unter eigenen Koͤnigen ſtunden, und wegen Vielheit ihrer Regenten nichts wichtiges aus-
fuͤhren konten, bis nach und nach dieſe kleinern Reiche in eins gezogen wurden.
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[35/0067] von 1202. bis 1203. §. 5. Nach dieſen zog Bruder Dietrich der aͤltere nach Deutſchland mit den Pilgern, welche daſſelbe Jahr in Liefland unter dem Kreuzzeichen fuͤr GOtt Dienſte gethan, und nahm einen Liven mit ſich, Namens Caupo, der gleichſam Koͤnig und Landsaͤlteſter der Liven von Thoreide geweſen, fuͤhrte ihn auch, nachdem er das groͤſte Theil Deutſchlands in Augenſchein genommen, endlich nach Rom, und ſtellte ihn Jhro Paͤbſtl. Heiligkeit vor e⁾ . 1202 e⁾ Alſo haben alle Lieflaͤndiſche Chronikenſchreiber unrecht, wenn ſie gleichſam aus einem Munde erzaͤhlen, dieſer Caupo ſey 1170 von dem erſten Biſchof Meinhard nach Rom zum Pabſt Alexander III. gebracht, und nach ſeiner Zuruͤckkunft ins Vaterland, in dem Treffen, ſo der Biſchof Bertold mit den Liven gehalten, geblieben: da wir ihn doch noch friſch und geſund ſehen werden bis aufs Jahr 1216 n. 4, wo wir erſt leſen, daß er in einer Schlacht mit den Eſthen erſtochen worden. §. 6. Der Pabſt empfing dieſen Mann ungemein gnaͤdig, kuͤſte ihn, und nachdem er ſich um den Zuſtand der Heiden um Liefland herum weitlaͤuftig erkundiget, preiſete er GOtt hoͤchlich fuͤr die Bekehrung der Lieflaͤndiſchen Nation. Nach Verlauf einiger Tage verehrte der Hochwuͤrdige Herr Pabſt Jnnocentius vorbeſagten Caupo ſeine Geſchenke, nemlich, hundert Goldgulden, und nahm von ihm, als er nach Deutſchland zuruͤck wolte, zaͤrtlichen Abſchied, ſegnete ihn auch ein, und ſchickte durch den Bruder Dietrich an den Biſchof von Liefland eine Bibel f⁾ ſo mit des heil. Pabſts Gregorii eigner Hand geſchrieben war. f⁾ Das hier befindliche lateiniſche Wort bibliotheca heiſt bey den Scribenten daſiger Zeit die Schriften altes und neues Teſtaments, oder uͤberhaupt das, was wir mit einem uͤbli- chern Worte biblia nennen. Alſo ſtirbt beym Albericus p. 450 Magiſter Peter von Riga, der den Beynamen bibliothecæ verſificator fuͤhrte. Die Moͤnche nennen es oft bibliam, und was bey uns bibliotheca heiſt, nennen ſie librariam. Beydes finden wir in angehaͤngtem Schein: Jch Johannes von Velſtede, Canonicus dieſer Kirche, er- kenne hiermit ſchriftlich, daß auf Eiwilligung und Erlaubniß meiner Herren, der Dom- herren zu Hildesheim, da ſie in der groſſen Kapitelſtube in Kapitelſachen beyſammen waren, den andern Advent eine Bibel (bibliam) aus unſerer Bibliothek (libraria) em- pfangen, von mitlerm Format und kleiner Schrift, die ich verſpreche wieder dahin zu liefern. Gegeben im Jahr unſers Herrn 1317, am Sonntage Epiphanias, unter mei- nem Pitſchaft. §. 7. Dieſen Symmer brach der Koͤnig von Plosceke unvermuthet mit ſeiner Armee in Liefland ein, und beſtuͤrmte das Schloß Ykeskola. Die Liven, weil ſie kein Gewehr hatten, getraueten ſich nicht Widerſtand zu thun, ſondern ver- ſprachen ihm Geld zu geben; welches der Koͤnig auch annahm und die Belagerung aufhob. Ferner wurden inzwiſchen einige Deutſche von dem Biſchof mit Bal- liſten und gewehr ausgeſchickt, die das Schloß Holme zum voraus beſetzten, dem Koͤnig bey ſeinem Anzuge, als er das Schloß wegnehmen wolte, ſehr viele Pferde verwundeten, und dieſe Ruſſen *) zu fliehen noͤthigten, weil ſie der Pfeile wegen, die Duͤne zu paſſiren nicht wagen wolten. §. 8. Der Koͤnig von Gercike g⁾ aber, zog mit den Litthauern vor Riga, raubte den Buͤrgern ihr Vieh von der Weide, nahm zwey Prieſter Johann von Vechten, und Volchard von Harpenſtede h⁾ bey dem alten Berge, gefan- gen, *) Rutheni hieſſen ſonſt die Einwohner des groſſen Landes Reuſſen, das ſich von dem 45 bis faſt 80 Grad der Laͤnge, und von dem 48 bis faſt 70 Grad der Breite erſtrecket. Daß ſelbſt Liefland darunter be- griffen geweſen, beweiſet ein Breve vom Pabſt Clemens dem III an den Bremiſchen Erzbiſchof Hart- wich, worinne er Meinharden, dem Biſchof von Ykeskola nachruͤhmet, was er vor groſſe Dienſte am Werke des HErrn in Ruthenia gethan, und daher verdiene Paſtor und Biſchof zu werden, in wel- chem Amte er ihn auch beſtaͤtiget. Jn unſerm Auctore ſind Rutheni nur die naͤchſten Nachbaren von Liefland, die unter eigenen Koͤnigen ſtunden, und wegen Vielheit ihrer Regenten nichts wichtiges aus- fuͤhren konten, bis nach und nach dieſe kleinern Reiche in eins gezogen wurden. J 2

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/67>, abgerufen am 25.04.2024.