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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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Geschichte des dritten Bischof Alberts, zehntes Jahr,
1207schickten auch die Nacht durch an den Meister der Ritterschaft Christi in Wen-
den Vinno
f) der damals zu Hause war, und baten, er möchte mit seinen Leu-
ten kommen, den Esthen nachzusetzen. Dieser berief alle Letthen, in der her-
umliegenden Gegend, und erreichte mit frühem Tage Beverin, befand auch, daß
die Armee der Heiden schon längst abgezogen, und verfolgte sie also den ganzen
Tag. Die Nacht aber drauf fiel ein entsetzlicher Frost ein, und da fast alle Pfer-
de hinkten, konten sie die Feinde nicht einholen, weil selbige, nach dem sie das
Vieh getödtet, und die Gefangenen frey gelassen, auf der Landstrasse flohen und
keinen weitern Krieg abwarten wolten, jeder also nach seiner Heimat gekehret war.
Die Letthen von Beverin betrübten sich über den Tod der ihrigen, welche von
den Esthen niedergemacht, und mit Feuer verbrant waren, und schickten an alle
Letten in der Nachbarschaft, sie möchten sich Marschfertig halten, damit sie mit
GOttes Hülfe sich an ihren Feinden rächen möchten. Daher sich Russin, so der
tapferste unter den Letten war, und Waridote mit allen Letten, die in
seinem Gebiete wohnten, bey vorerwehntem Schloß Beverin in grosser Menge
sich versamleten. Sie vereinigten sich demnach wider die Esthen und rüsteten sich der-
selben Land zu verheeren, legten ihre Waffen, so sie hatten, an, gingen eine Tag-
reise, machten Halte, und stelten die Armee in Ordnung, marschirten Nacht und
Tag, und brachen in die Provinz Saccala ein. Daselbst trafen sie Männer und
Weiber und Kinder in ihren Wohnungen, auf allen Dörfern und aller Orten an,
machten nieder, was ihnen vor die Hand kam, von frühe bis auf den Abend, so
wol Weiber als Kinder, auch drey hundert von den besten Männern und Landes-
ältesten der Provinz Saccala, ohne noch unzählige andre, bis ihre Hände müde
und die Arme der Würger von alzuvieler Niedermetzelung des Volks kraftlos
wurden. Da nun alle Dörfer durch das viele Blut der Heiden gefärbet waren,
kehrten sie Tages darauf zurück, brachten aus allen Dörfern viele Beute zusammen,
schlepten vielen Anspann, und ander Vieh auch sehr viele Mädgen mit sich weg,
derer die Armee in diesen Ländern allein zu schonen pfleget, und verzögerten sich
in ihrem langsamen Rückmarsch unterwegens viele Tage; denn sie hielten sich im-
mer fertig, wenn etwan die übrigen Esthen ihnen in Rücken fallen wolten. Doch
die Esthen wagten wegen ihrer grossen Niederlage nicht zu kommen und den
Letthen nachzuziehen, sondern lasen viele Tage lang die betrübten Leichen zusam-
men, welche die Letten erschlagen, verbranten sie mit Feuer g), und begingen
nach ihrer Art deren Leichenbegängniß mit vielen Wehklagen und Saufen. Die
Letten aber setzten sich bey dem See Astigerwe *), und kehrten frölich, nach
völlig unter sich getheilter Beute, wieder nach Beverin. Da sie nun daselbst
den Bruder der Ritterschaft Bertolden antrafen, wie auch ihren eignen Prie-
ster, mit einigen Soldaten und Schützen des Bischofs, verehrten sie ihnen von
allem etwas. Und weil es eben der Sontag Gaudete war, lobten alle einmüthig
und mit Freuden GOtt, der durch die Neubekehrten auch unter andern Nationen
eine so grosse Rache angerichtet. Russin ging wieder nach seinem Schlosse
Beverin, that seinen Mund auf und sprach: Meine Kindeskinder werden das
ihren Kindern erzählen bis ins dritte und vierte Glied, was Russin mit Hülfe
des Höchsten an den Leichen der Saccalaner gethan. Wie Hermann der
Liven Advocat dieses hörte, ward er auf die Letten ziemlich ungehalten, weil
der Krieg gegen die Esthen mehr und mehr von neuem angehen solte, deswegen
schickte er hin, berief alle Landesältesten der Liven und Letthen, und hielt mit
ihnen, wie auch mit den Deutschen Rath, ob ihrer gleich noch wenig waren und
wenig Deutsche im Lande wohnten. Es schien allen rathsam mit den Esthen
Friedensunterhandlungen zu pflegen, bis der Herr Bischof käme, der in Deutsch-
land
war Pilger aufs nachfolgende Jahr aufzubringen. Dieser Ausspruch war
auch den Esthen beliebig, welche den Frieden so gleich annahmen, weil sie nach

Hin-
*) Die Burtnickische See.

Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zehntes Jahr,
1207ſchickten auch die Nacht durch an den Meiſter der Ritterſchaft Chriſti in Wen-
den Vinno
f) der damals zu Hauſe war, und baten, er moͤchte mit ſeinen Leu-
ten kommen, den Eſthen nachzuſetzen. Dieſer berief alle Letthen, in der her-
umliegenden Gegend, und erreichte mit fruͤhem Tage Beverin, befand auch, daß
die Armee der Heiden ſchon laͤngſt abgezogen, und verfolgte ſie alſo den ganzen
Tag. Die Nacht aber drauf fiel ein entſetzlicher Froſt ein, und da faſt alle Pfer-
de hinkten, konten ſie die Feinde nicht einholen, weil ſelbige, nach dem ſie das
Vieh getoͤdtet, und die Gefangenen frey gelaſſen, auf der Landſtraſſe flohen und
keinen weitern Krieg abwarten wolten, jeder alſo nach ſeiner Heimat gekehret war.
Die Letthen von Beverin betruͤbten ſich uͤber den Tod der ihrigen, welche von
den Eſthen niedergemacht, und mit Feuer verbrant waren, und ſchickten an alle
Letten in der Nachbarſchaft, ſie moͤchten ſich Marſchfertig halten, damit ſie mit
GOttes Huͤlfe ſich an ihren Feinden raͤchen moͤchten. Daher ſich Ruſſin, ſo der
tapferſte unter den Letten war, und Waridote mit allen Letten, die in
ſeinem Gebiete wohnten, bey vorerwehntem Schloß Beverin in groſſer Menge
ſich verſamleten. Sie vereinigten ſich demnach wider die Eſthen und ruͤſteten ſich der-
ſelben Land zu verheeren, legten ihre Waffen, ſo ſie hatten, an, gingen eine Tag-
reiſe, machten Halte, und ſtelten die Armee in Ordnung, marſchirten Nacht und
Tag, und brachen in die Provinz Saccala ein. Daſelbſt trafen ſie Maͤnner und
Weiber und Kinder in ihren Wohnungen, auf allen Doͤrfern und aller Orten an,
machten nieder, was ihnen vor die Hand kam, von fruͤhe bis auf den Abend, ſo
wol Weiber als Kinder, auch drey hundert von den beſten Maͤnnern und Landes-
aͤlteſten der Provinz Saccala, ohne noch unzaͤhlige andre, bis ihre Haͤnde muͤde
und die Arme der Wuͤrger von alzuvieler Niedermetzelung des Volks kraftlos
wurden. Da nun alle Doͤrfer durch das viele Blut der Heiden gefaͤrbet waren,
kehrten ſie Tages darauf zuruͤck, brachten aus allen Doͤrfern viele Beute zuſammen,
ſchlepten vielen Anſpann, und ander Vieh auch ſehr viele Maͤdgen mit ſich weg,
derer die Armee in dieſen Laͤndern allein zu ſchonen pfleget, und verzoͤgerten ſich
in ihrem langſamen Ruͤckmarſch unterwegens viele Tage; denn ſie hielten ſich im-
mer fertig, wenn etwan die uͤbrigen Eſthen ihnen in Ruͤcken fallen wolten. Doch
die Eſthen wagten wegen ihrer groſſen Niederlage nicht zu kommen und den
Letthen nachzuziehen, ſondern laſen viele Tage lang die betruͤbten Leichen zuſam-
men, welche die Letten erſchlagen, verbranten ſie mit Feuer g), und begingen
nach ihrer Art deren Leichenbegaͤngniß mit vielen Wehklagen und Saufen. Die
Letten aber ſetzten ſich bey dem See Aſtigerwe *), und kehrten froͤlich, nach
voͤllig unter ſich getheilter Beute, wieder nach Beverin. Da ſie nun daſelbſt
den Bruder der Ritterſchaft Bertolden antrafen, wie auch ihren eignen Prie-
ſter, mit einigen Soldaten und Schuͤtzen des Biſchofs, verehrten ſie ihnen von
allem etwas. Und weil es eben der Sontag Gaudete war, lobten alle einmuͤthig
und mit Freuden GOtt, der durch die Neubekehrten auch unter andern Nationen
eine ſo groſſe Rache angerichtet. Ruſſin ging wieder nach ſeinem Schloſſe
Beverin, that ſeinen Mund auf und ſprach: Meine Kindeskinder werden das
ihren Kindern erzaͤhlen bis ins dritte und vierte Glied, was Ruſſin mit Huͤlfe
des Hoͤchſten an den Leichen der Saccalaner gethan. Wie Hermann der
Liven Advocat dieſes hoͤrte, ward er auf die Letten ziemlich ungehalten, weil
der Krieg gegen die Eſthen mehr und mehr von neuem angehen ſolte, deswegen
ſchickte er hin, berief alle Landesaͤlteſten der Liven und Letthen, und hielt mit
ihnen, wie auch mit den Deutſchen Rath, ob ihrer gleich noch wenig waren und
wenig Deutſche im Lande wohnten. Es ſchien allen rathſam mit den Eſthen
Friedensunterhandlungen zu pflegen, bis der Herr Biſchof kaͤme, der in Deutſch-
land
war Pilger aufs nachfolgende Jahr aufzubringen. Dieſer Ausſpruch war
auch den Eſthen beliebig, welche den Frieden ſo gleich annahmen, weil ſie nach

Hin-
*) Die Burtnickiſche See.
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[70/0102] Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zehntes Jahr, ſchickten auch die Nacht durch an den Meiſter der Ritterſchaft Chriſti in Wen- den Vinno f⁾ der damals zu Hauſe war, und baten, er moͤchte mit ſeinen Leu- ten kommen, den Eſthen nachzuſetzen. Dieſer berief alle Letthen, in der her- umliegenden Gegend, und erreichte mit fruͤhem Tage Beverin, befand auch, daß die Armee der Heiden ſchon laͤngſt abgezogen, und verfolgte ſie alſo den ganzen Tag. Die Nacht aber drauf fiel ein entſetzlicher Froſt ein, und da faſt alle Pfer- de hinkten, konten ſie die Feinde nicht einholen, weil ſelbige, nach dem ſie das Vieh getoͤdtet, und die Gefangenen frey gelaſſen, auf der Landſtraſſe flohen und keinen weitern Krieg abwarten wolten, jeder alſo nach ſeiner Heimat gekehret war. Die Letthen von Beverin betruͤbten ſich uͤber den Tod der ihrigen, welche von den Eſthen niedergemacht, und mit Feuer verbrant waren, und ſchickten an alle Letten in der Nachbarſchaft, ſie moͤchten ſich Marſchfertig halten, damit ſie mit GOttes Huͤlfe ſich an ihren Feinden raͤchen moͤchten. Daher ſich Ruſſin, ſo der tapferſte unter den Letten war, und Waridote mit allen Letten, die in ſeinem Gebiete wohnten, bey vorerwehntem Schloß Beverin in groſſer Menge ſich verſamleten. Sie vereinigten ſich demnach wider die Eſthen und ruͤſteten ſich der- ſelben Land zu verheeren, legten ihre Waffen, ſo ſie hatten, an, gingen eine Tag- reiſe, machten Halte, und ſtelten die Armee in Ordnung, marſchirten Nacht und Tag, und brachen in die Provinz Saccala ein. Daſelbſt trafen ſie Maͤnner und Weiber und Kinder in ihren Wohnungen, auf allen Doͤrfern und aller Orten an, machten nieder, was ihnen vor die Hand kam, von fruͤhe bis auf den Abend, ſo wol Weiber als Kinder, auch drey hundert von den beſten Maͤnnern und Landes- aͤlteſten der Provinz Saccala, ohne noch unzaͤhlige andre, bis ihre Haͤnde muͤde und die Arme der Wuͤrger von alzuvieler Niedermetzelung des Volks kraftlos wurden. Da nun alle Doͤrfer durch das viele Blut der Heiden gefaͤrbet waren, kehrten ſie Tages darauf zuruͤck, brachten aus allen Doͤrfern viele Beute zuſammen, ſchlepten vielen Anſpann, und ander Vieh auch ſehr viele Maͤdgen mit ſich weg, derer die Armee in dieſen Laͤndern allein zu ſchonen pfleget, und verzoͤgerten ſich in ihrem langſamen Ruͤckmarſch unterwegens viele Tage; denn ſie hielten ſich im- mer fertig, wenn etwan die uͤbrigen Eſthen ihnen in Ruͤcken fallen wolten. Doch die Eſthen wagten wegen ihrer groſſen Niederlage nicht zu kommen und den Letthen nachzuziehen, ſondern laſen viele Tage lang die betruͤbten Leichen zuſam- men, welche die Letten erſchlagen, verbranten ſie mit Feuer g⁾ , und begingen nach ihrer Art deren Leichenbegaͤngniß mit vielen Wehklagen und Saufen. Die Letten aber ſetzten ſich bey dem See Aſtigerwe *), und kehrten froͤlich, nach voͤllig unter ſich getheilter Beute, wieder nach Beverin. Da ſie nun daſelbſt den Bruder der Ritterſchaft Bertolden antrafen, wie auch ihren eignen Prie- ſter, mit einigen Soldaten und Schuͤtzen des Biſchofs, verehrten ſie ihnen von allem etwas. Und weil es eben der Sontag Gaudete war, lobten alle einmuͤthig und mit Freuden GOtt, der durch die Neubekehrten auch unter andern Nationen eine ſo groſſe Rache angerichtet. Ruſſin ging wieder nach ſeinem Schloſſe Beverin, that ſeinen Mund auf und ſprach: Meine Kindeskinder werden das ihren Kindern erzaͤhlen bis ins dritte und vierte Glied, was Ruſſin mit Huͤlfe des Hoͤchſten an den Leichen der Saccalaner gethan. Wie Hermann der Liven Advocat dieſes hoͤrte, ward er auf die Letten ziemlich ungehalten, weil der Krieg gegen die Eſthen mehr und mehr von neuem angehen ſolte, deswegen ſchickte er hin, berief alle Landesaͤlteſten der Liven und Letthen, und hielt mit ihnen, wie auch mit den Deutſchen Rath, ob ihrer gleich noch wenig waren und wenig Deutſche im Lande wohnten. Es ſchien allen rathſam mit den Eſthen Friedensunterhandlungen zu pflegen, bis der Herr Biſchof kaͤme, der in Deutſch- land war Pilger aufs nachfolgende Jahr aufzubringen. Dieſer Ausſpruch war auch den Eſthen beliebig, welche den Frieden ſo gleich annahmen, weil ſie nach Hin- 1207 *) Die Burtnickiſche See.

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/102>, abgerufen am 28.03.2024.