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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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Geschichte des dritten Bischof Alberts, fünf und zwanzigstes Jahr,
1222dem Winde, zertraten sie auf dem Wege, wo sie gingen, und machten ihrer sehr viel
nieder. Einige setzten ihnen nach bis an die Brücke, und hieben einige auf diesem
Wege nieder, fochten auch an der Brücke mit ihnen, wo der Ordensbruder Die-
trich,
ein tapferer, beherzter und andächtiger Mann mit einer Lanze durchboret
ward und sterben muste, die andern setzten über die Brücke, und kamen an sie.
Jene aber liessen alle ihre Beute, Pferde, Gefangenen und einige Todten im
Stiche, liefen zu Fusse nach dem Busche, und wurden ihrer über sechs hundert
getödtet. Einige crepirten in Wäldern, andere ersoffen in der Goiwa. Die
übrigen kehrten mit Schimpf und Schande wieder in ihr Land, um die Nachricht mit
nach Hause zu bringen. Die Christen aber, so wol Deutsche als Liven und
Letten, nahmen deren Beute, Pferde und Ochsen, und theilten sie unter sich in
gleiche Theile, setzten auch ihre gefangenen Mitbrüder, so wol Männer als Weiber,
in die vorige Freyheit, und lobten und preisten den, der nicht allein dismal, son-
dern allezeit in Liefland für sie gestritten, und stets einen herrlichen Sieg über
die abtrünnigen Heiden verliehen hat.

§. 2.

Nachdem nun die von dem christlichen Glauben abgefallenen Esthen an
der Ymer diesen Verlust erlitten hatten; schickte der Bischof Bernhard a) durch
ganz Lief- und Lettland, und ließ alle Männer der Kirche so wol, als die Brü-
der der Ritterschaft mit den Liven und Letten zusammen kommen, gegen die
Esthen zu Felde zu ziehen. Diese waren auch alle treulich gehorsam. Sie ver-
samleten sich; die Pilger und Kaufleute fanden sich mit ein. Ein Theil ging auf
der Goiwa zu Schiffe; andre marschirten zu Fusse, und noch andre waren be-
ritten. Sie erschienen an dem Orte, wo sie ihr Gebet hielten und Verabredung
nahmen, mit acht tausend Mann. Wie nun die Feierlichkeit der Betstunden und
Unterredungen vorbey war, rückten sie eilend in Esthland, belagerten das Schloß
Viliende zum andern male, so vor zehn Jahren von den Deutschen eingenommen
und der Christenheit unterwürfig geworden; baueten kleine Gerüste und Pathe-
rellen, und führten einen sehr starken und hohen Thurm von Holze auf, den sie
bis an den Graben vor sich her schoben, damit sie das Schloß unterminiren möchten;
sie wurden aber von den Steinschleuderern ungemein gehindert, die im Schlosse
waren: denn sie hatten viel solche Schleudern der Ordensbrüder auf dem Schlosse,
welche sie wider die Steinschleudern der Christen gebrauchten, und hatten Pathe-
rellen und Maschinen gebauet die Maschinen der Christen unbrauchbar zu machen
und stritten daher unter sich viel Tage. Denn im Augustmonat um Petri Ketten-
feyer) geschahe die Belagerung des Schlosses, und auf Mariä Himmelfart ++)
ergaben sie sich erstlich, aus Unvermögen sich länger zu halten. Weil nemlich die
Hitze stark und eine grosse Menge Volk und Vieh im Schlosse waren, und schon
vor Hunger und Durst umfielen: so entstand wegen des unerträglichen Gestanks
der Leichen eine starke Pest im Schlosse; die Leute fingen an zu kranken und zu
sterben, und waren ausser Stande sich zu wehren. Die, so übrig geblieben, er-
gaben sich lebendig, nebst allen den Jhrigen in die Hände der Christen, zumal,
da sie sahen, daß das Schloß von den Christen sonst wieder würde angesteckt seyn,
und sie mit genauer Noth sich und das Schloß beschützet hätten. Also schlossen sie
Friede mit den Christen, zogen zum Schlosse hinaus, nahmen das Joch des
Christenthums zum andern male an und versprachen, sie wolten nachher nim-
mermehr die Heiligthümer des Glaubens durch ihren Abfal schänden, sondern we-
gen des geschehenen eine Gnugthuung leisten; daher schonten ihrer alle Brüder der
Ritterschaft und die Deutschen, ob sie gleich Leben und alle das Jhrige verwir-
ket hatten. Die Armee aber hing alle in der Burg gewesene Russen, und die
den Abtrünnigen zu Hülfe gekommen, nach dessen Eroberung vor dem Schlosse
auf, andern Russen zum Schrecken. Nach völlig erneuertem Frieden zogen die
Christen aufs Schloß, nahmen alles daselbst befindliche weg, trieben Pferde

und
) den [1] August.
++) den 15 Aug.

Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, fuͤnf und zwanzigſtes Jahr,
1222dem Winde, zertraten ſie auf dem Wege, wo ſie gingen, und machten ihrer ſehr viel
nieder. Einige ſetzten ihnen nach bis an die Bruͤcke, und hieben einige auf dieſem
Wege nieder, fochten auch an der Bruͤcke mit ihnen, wo der Ordensbruder Die-
trich,
ein tapferer, beherzter und andaͤchtiger Mann mit einer Lanze durchboret
ward und ſterben muſte, die andern ſetzten uͤber die Bruͤcke, und kamen an ſie.
Jene aber lieſſen alle ihre Beute, Pferde, Gefangenen und einige Todten im
Stiche, liefen zu Fuſſe nach dem Buſche, und wurden ihrer uͤber ſechs hundert
getoͤdtet. Einige crepirten in Waͤldern, andere erſoffen in der Goiwa. Die
uͤbrigen kehrten mit Schimpf und Schande wieder in ihr Land, um die Nachricht mit
nach Hauſe zu bringen. Die Chriſten aber, ſo wol Deutſche als Liven und
Letten, nahmen deren Beute, Pferde und Ochſen, und theilten ſie unter ſich in
gleiche Theile, ſetzten auch ihre gefangenen Mitbruͤder, ſo wol Maͤnner als Weiber,
in die vorige Freyheit, und lobten und preiſten den, der nicht allein dismal, ſon-
dern allezeit in Liefland fuͤr ſie geſtritten, und ſtets einen herrlichen Sieg uͤber
die abtruͤnnigen Heiden verliehen hat.

§. 2.

Nachdem nun die von dem chriſtlichen Glauben abgefallenen Eſthen an
der Ymer dieſen Verluſt erlitten hatten; ſchickte der Biſchof Bernhard a) durch
ganz Lief- und Lettland, und ließ alle Maͤnner der Kirche ſo wol, als die Bruͤ-
der der Ritterſchaft mit den Liven und Letten zuſammen kommen, gegen die
Eſthen zu Felde zu ziehen. Dieſe waren auch alle treulich gehorſam. Sie ver-
ſamleten ſich; die Pilger und Kaufleute fanden ſich mit ein. Ein Theil ging auf
der Goiwa zu Schiffe; andre marſchirten zu Fuſſe, und noch andre waren be-
ritten. Sie erſchienen an dem Orte, wo ſie ihr Gebet hielten und Verabredung
nahmen, mit acht tauſend Mann. Wie nun die Feierlichkeit der Betſtunden und
Unterredungen vorbey war, ruͤckten ſie eilend in Eſthland, belagerten das Schloß
Viliende zum andern male, ſo vor zehn Jahren von den Deutſchen eingenommen
und der Chriſtenheit unterwuͤrfig geworden; baueten kleine Geruͤſte und Pathe-
rellen, und fuͤhrten einen ſehr ſtarken und hohen Thurm von Holze auf, den ſie
bis an den Graben vor ſich her ſchoben, damit ſie das Schloß unterminiren moͤchten;
ſie wurden aber von den Steinſchleuderern ungemein gehindert, die im Schloſſe
waren: denn ſie hatten viel ſolche Schleudern der Ordensbruͤder auf dem Schloſſe,
welche ſie wider die Steinſchleudern der Chriſten gebrauchten, und hatten Pathe-
rellen und Maſchinen gebauet die Maſchinen der Chriſten unbrauchbar zu machen
und ſtritten daher unter ſich viel Tage. Denn im Auguſtmonat um Petri Ketten-
feyer✝) geſchahe die Belagerung des Schloſſes, und auf Mariaͤ Himmelfart ‡)
ergaben ſie ſich erſtlich, aus Unvermoͤgen ſich laͤnger zu halten. Weil nemlich die
Hitze ſtark und eine groſſe Menge Volk und Vieh im Schloſſe waren, und ſchon
vor Hunger und Durſt umfielen: ſo entſtand wegen des unertraͤglichen Geſtanks
der Leichen eine ſtarke Peſt im Schloſſe; die Leute fingen an zu kranken und zu
ſterben, und waren auſſer Stande ſich zu wehren. Die, ſo uͤbrig geblieben, er-
gaben ſich lebendig, nebſt allen den Jhrigen in die Haͤnde der Chriſten, zumal,
da ſie ſahen, daß das Schloß von den Chriſten ſonſt wieder wuͤrde angeſteckt ſeyn,
und ſie mit genauer Noth ſich und das Schloß beſchuͤtzet haͤtten. Alſo ſchloſſen ſie
Friede mit den Chriſten, zogen zum Schloſſe hinaus, nahmen das Joch des
Chriſtenthums zum andern male an und verſprachen, ſie wolten nachher nim-
mermehr die Heiligthuͤmer des Glaubens durch ihren Abfal ſchaͤnden, ſondern we-
gen des geſchehenen eine Gnugthuung leiſten; daher ſchonten ihrer alle Bruͤder der
Ritterſchaft und die Deutſchen, ob ſie gleich Leben und alle das Jhrige verwir-
ket hatten. Die Armee aber hing alle in der Burg geweſene Ruſſen, und die
den Abtruͤnnigen zu Huͤlfe gekommen, nach deſſen Eroberung vor dem Schloſſe
auf, andern Ruſſen zum Schrecken. Nach voͤllig erneuertem Frieden zogen die
Chriſten aufs Schloß, nahmen alles daſelbſt befindliche weg, trieben Pferde

und
✝) den [1] Auguſt.
‡) den 15 Aug.
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[186/0218] Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, fuͤnf und zwanzigſtes Jahr, dem Winde, zertraten ſie auf dem Wege, wo ſie gingen, und machten ihrer ſehr viel nieder. Einige ſetzten ihnen nach bis an die Bruͤcke, und hieben einige auf dieſem Wege nieder, fochten auch an der Bruͤcke mit ihnen, wo der Ordensbruder Die- trich, ein tapferer, beherzter und andaͤchtiger Mann mit einer Lanze durchboret ward und ſterben muſte, die andern ſetzten uͤber die Bruͤcke, und kamen an ſie. Jene aber lieſſen alle ihre Beute, Pferde, Gefangenen und einige Todten im Stiche, liefen zu Fuſſe nach dem Buſche, und wurden ihrer uͤber ſechs hundert getoͤdtet. Einige crepirten in Waͤldern, andere erſoffen in der Goiwa. Die uͤbrigen kehrten mit Schimpf und Schande wieder in ihr Land, um die Nachricht mit nach Hauſe zu bringen. Die Chriſten aber, ſo wol Deutſche als Liven und Letten, nahmen deren Beute, Pferde und Ochſen, und theilten ſie unter ſich in gleiche Theile, ſetzten auch ihre gefangenen Mitbruͤder, ſo wol Maͤnner als Weiber, in die vorige Freyheit, und lobten und preiſten den, der nicht allein dismal, ſon- dern allezeit in Liefland fuͤr ſie geſtritten, und ſtets einen herrlichen Sieg uͤber die abtruͤnnigen Heiden verliehen hat. 1222 §. 2. Nachdem nun die von dem chriſtlichen Glauben abgefallenen Eſthen an der Ymer dieſen Verluſt erlitten hatten; ſchickte der Biſchof Bernhard a⁾ durch ganz Lief- und Lettland, und ließ alle Maͤnner der Kirche ſo wol, als die Bruͤ- der der Ritterſchaft mit den Liven und Letten zuſammen kommen, gegen die Eſthen zu Felde zu ziehen. Dieſe waren auch alle treulich gehorſam. Sie ver- ſamleten ſich; die Pilger und Kaufleute fanden ſich mit ein. Ein Theil ging auf der Goiwa zu Schiffe; andre marſchirten zu Fuſſe, und noch andre waren be- ritten. Sie erſchienen an dem Orte, wo ſie ihr Gebet hielten und Verabredung nahmen, mit acht tauſend Mann. Wie nun die Feierlichkeit der Betſtunden und Unterredungen vorbey war, ruͤckten ſie eilend in Eſthland, belagerten das Schloß Viliende zum andern male, ſo vor zehn Jahren von den Deutſchen eingenommen und der Chriſtenheit unterwuͤrfig geworden; baueten kleine Geruͤſte und Pathe- rellen, und fuͤhrten einen ſehr ſtarken und hohen Thurm von Holze auf, den ſie bis an den Graben vor ſich her ſchoben, damit ſie das Schloß unterminiren moͤchten; ſie wurden aber von den Steinſchleuderern ungemein gehindert, die im Schloſſe waren: denn ſie hatten viel ſolche Schleudern der Ordensbruͤder auf dem Schloſſe, welche ſie wider die Steinſchleudern der Chriſten gebrauchten, und hatten Pathe- rellen und Maſchinen gebauet die Maſchinen der Chriſten unbrauchbar zu machen und ſtritten daher unter ſich viel Tage. Denn im Auguſtmonat um Petri Ketten- feyer ✝) geſchahe die Belagerung des Schloſſes, und auf Mariaͤ Himmelfart ‡) ergaben ſie ſich erſtlich, aus Unvermoͤgen ſich laͤnger zu halten. Weil nemlich die Hitze ſtark und eine groſſe Menge Volk und Vieh im Schloſſe waren, und ſchon vor Hunger und Durſt umfielen: ſo entſtand wegen des unertraͤglichen Geſtanks der Leichen eine ſtarke Peſt im Schloſſe; die Leute fingen an zu kranken und zu ſterben, und waren auſſer Stande ſich zu wehren. Die, ſo uͤbrig geblieben, er- gaben ſich lebendig, nebſt allen den Jhrigen in die Haͤnde der Chriſten, zumal, da ſie ſahen, daß das Schloß von den Chriſten ſonſt wieder wuͤrde angeſteckt ſeyn, und ſie mit genauer Noth ſich und das Schloß beſchuͤtzet haͤtten. Alſo ſchloſſen ſie Friede mit den Chriſten, zogen zum Schloſſe hinaus, nahmen das Joch des Chriſtenthums zum andern male an und verſprachen, ſie wolten nachher nim- mermehr die Heiligthuͤmer des Glaubens durch ihren Abfal ſchaͤnden, ſondern we- gen des geſchehenen eine Gnugthuung leiſten; daher ſchonten ihrer alle Bruͤder der Ritterſchaft und die Deutſchen, ob ſie gleich Leben und alle das Jhrige verwir- ket hatten. Die Armee aber hing alle in der Burg geweſene Ruſſen, und die den Abtruͤnnigen zu Huͤlfe gekommen, nach deſſen Eroberung vor dem Schloſſe auf, andern Ruſſen zum Schrecken. Nach voͤllig erneuertem Frieden zogen die Chriſten aufs Schloß, nahmen alles daſelbſt befindliche weg, trieben Pferde und ✝) den 1 Auguſt. ‡) den 15 Aug.

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/218>, abgerufen am 28.03.2024.