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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1225 bis 1226.
gegen die feindliche Macht. Fünfe von den Oeselern stiegen auf eben diese Spi-1225
tze der Vestung hinter ihrem Rücken, und wurfen Lanzen auf sie, davon der Deut-
sche
ihn mit seiner Lanze wieder durchborete,

Teutonus ense ferit, ille cadendo perit.
Des Deutschen tödtlichs Eisen,
Kont ihm den Rückweg weisen.

die andern (viere) begaben sich auf die Flucht. Die übrigen Deutschen, so
nachkamen, kletterten beherzt mit auf, um dem ersten zu Hülfe zu kommen. Ob
sie nun zwar durch die Wuth der Feinde tapfer abgeschlagen, auch viele unter ih-
nen getroffen, verwundet und getödtet wurden; so wagten sie es doch auf den
HErrn, und schaften sich die feindliche Macht mit vieler Mühe vom Halse, bis sie
endlich die Spitze der Vestung erreichten. Das Aufklettern fiel aber sehr beschwer-
lich und gefärlich, weil der Berg hoch und mit Eis beleget, und die steinerne
Mauer über dem Berge wie Eis so glat war, daß sie nirgends vesten Fuß hatten.
Doch einige hielten sich an Sturmleitern, andere an Stricke, ja selbst der Engel
des HErrn half ihnen auf, daß sie auf die Spitze kamen, wo sie dem flüchtigen
Feinde von allen Seiten im Rücken lagen. Da war eine Stimme des Frolockens
und Heils unter den Christen: hingegen eine Stimme in Rama! des Wei-
nens und Heulens, der Schande und des Untergangs der Heiden. die Deut-
schen
drungen ins Schloß, und erschlugen die Besatzung.

Parcere paganis non possunt Osilianis,
Nam trucidant alios, et capiunt alios.
Man schont der Oes'ler nicht, dis freche Volk der Heiden,
Muß gröstentheils den Tod, die andern Ketten leiden.

Die Liven und Letten umringeten das Schloß, und liessen keine Seele durch.
Nach Bezwingung der Feinde freueten sich die Ueberwinder, und sungen GOtt
ein Loblied. Der den David allezeit vor den Philistern geschützet, befreyete
die Seinen auch noch, und verliehe Sieg über ihre Feinde. Sie nahmen die
Stadt ein, raubten die Beute, entführten die besten Sachen, trieben Vieh und
Pferde weg; das übrige verbranten sie mit Feuer. Also verschlung das Feuer
das Schloß der Oeseler; die Christen aber schlepten die Beute mit Freu-
den weg.

b) Moon ist heutiges Tages eine Jnsel, die gegen Südost an Oesel stösset, und einen
schmalen Sund dazwischen hat. Jn einer Karte des Joh. Pontanus, die Abra-
ham Ortel
von neuem gestochen, ist Mone*) gar ein Schloß auf der Jnsel Oesel,
nach dem Sinn unsers Chronikschreibers.
c) Siehe beym Jahr 1220 not. t).
§. 5.

Nachdem das Schloß Mone in der Asche lag, eilete die Armee nach ei-
nem andern Schlosse, welches mitten auf Oesel lag und Walde d) hieß. Es ist
Walde die stärkste Stadt unter allen Städten der Oeseler, bey welchem die Ar-
mee sich lagerte, die Kriegesgeräthschaft herbey schafte, Patherellen nemlich und
eine grosse Maschine, wie auch die höchsten Grän- und Tannenbäume, um einen
Thurm gegen die Vestung zu zimmern. Die Liven aber, die Letten, die Esthen
samt etlichen Deutschen, streiften in alle Provinzen, holten schöne Pferde und
Ochsen, viele Beute, viel Getreide und dergleichen; und branten alle Dörfer auf.
Die von Walde hingegen konten das Werfen mit Steinen wegen Vielheit ihrer
Leute im Schlosse nicht vertragen, noch die Pfeile der grossen Schleudern aushal-
ten. Da sie nun vollends die Maschinen besahen, die gegen sie verfertiget wurden,

mit
*) Davon aber nicht das Gedächtniß mehr übrig ist.
H h h

von 1225 bis 1226.
gegen die feindliche Macht. Fuͤnfe von den Oeſelern ſtiegen auf eben dieſe Spi-1225
tze der Veſtung hinter ihrem Ruͤcken, und wurfen Lanzen auf ſie, davon der Deut-
ſche
ihn mit ſeiner Lanze wieder durchborete,

Teutonus enſe ferit, ille cadendo perit.
Des Deutſchen toͤdtlichs Eiſen,
Kont ihm den Ruͤckweg weiſen.

die andern (viere) begaben ſich auf die Flucht. Die uͤbrigen Deutſchen, ſo
nachkamen, kletterten beherzt mit auf, um dem erſten zu Huͤlfe zu kommen. Ob
ſie nun zwar durch die Wuth der Feinde tapfer abgeſchlagen, auch viele unter ih-
nen getroffen, verwundet und getoͤdtet wurden; ſo wagten ſie es doch auf den
HErrn, und ſchaften ſich die feindliche Macht mit vieler Muͤhe vom Halſe, bis ſie
endlich die Spitze der Veſtung erreichten. Das Aufklettern fiel aber ſehr beſchwer-
lich und gefaͤrlich, weil der Berg hoch und mit Eis beleget, und die ſteinerne
Mauer uͤber dem Berge wie Eis ſo glat war, daß ſie nirgends veſten Fuß hatten.
Doch einige hielten ſich an Sturmleitern, andere an Stricke, ja ſelbſt der Engel
des HErrn half ihnen auf, daß ſie auf die Spitze kamen, wo ſie dem fluͤchtigen
Feinde von allen Seiten im Ruͤcken lagen. Da war eine Stimme des Frolockens
und Heils unter den Chriſten: hingegen eine Stimme in Rama! des Wei-
nens und Heulens, der Schande und des Untergangs der Heiden. die Deut-
ſchen
drungen ins Schloß, und erſchlugen die Beſatzung.

Parcere paganis non poſſunt Oſilianis,
Nam trucidant alios, et capiunt alios.
Man ſchont der Oeſ’ler nicht, dis freche Volk der Heiden,
Muß groͤſtentheils den Tod, die andern Ketten leiden.

Die Liven und Letten umringeten das Schloß, und lieſſen keine Seele durch.
Nach Bezwingung der Feinde freueten ſich die Ueberwinder, und ſungen GOtt
ein Loblied. Der den David allezeit vor den Philiſtern geſchuͤtzet, befreyete
die Seinen auch noch, und verliehe Sieg uͤber ihre Feinde. Sie nahmen die
Stadt ein, raubten die Beute, entfuͤhrten die beſten Sachen, trieben Vieh und
Pferde weg; das uͤbrige verbranten ſie mit Feuer. Alſo verſchlung das Feuer
das Schloß der Oeſeler; die Chriſten aber ſchlepten die Beute mit Freu-
den weg.

b) Moon iſt heutiges Tages eine Jnſel, die gegen Suͤdoſt an Oeſel ſtoͤſſet, und einen
ſchmalen Sund dazwiſchen hat. Jn einer Karte des Joh. Pontanus, die Abra-
ham Ortel
von neuem geſtochen, iſt Mone*) gar ein Schloß auf der Jnſel Oeſel,
nach dem Sinn unſers Chronikſchreibers.
c) Siehe beym Jahr 1220 not. t).
§. 5.

Nachdem das Schloß Mone in der Aſche lag, eilete die Armee nach ei-
nem andern Schloſſe, welches mitten auf Oeſel lag und Walde d) hieß. Es iſt
Walde die ſtaͤrkſte Stadt unter allen Staͤdten der Oeſeler, bey welchem die Ar-
mee ſich lagerte, die Kriegesgeraͤthſchaft herbey ſchafte, Patherellen nemlich und
eine groſſe Maſchine, wie auch die hoͤchſten Graͤn- und Tannenbaͤume, um einen
Thurm gegen die Veſtung zu zimmern. Die Liven aber, die Letten, die Eſthen
ſamt etlichen Deutſchen, ſtreiften in alle Provinzen, holten ſchoͤne Pferde und
Ochſen, viele Beute, viel Getreide und dergleichen; und branten alle Doͤrfer auf.
Die von Walde hingegen konten das Werfen mit Steinen wegen Vielheit ihrer
Leute im Schloſſe nicht vertragen, noch die Pfeile der groſſen Schleudern aushal-
ten. Da ſie nun vollends die Maſchinen beſahen, die gegen ſie verfertiget wurden,

mit
*) Davon aber nicht das Gedaͤchtniß mehr uͤbrig iſt.
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[213/0245] von 1225 bis 1226. gegen die feindliche Macht. Fuͤnfe von den Oeſelern ſtiegen auf eben dieſe Spi- tze der Veſtung hinter ihrem Ruͤcken, und wurfen Lanzen auf ſie, davon der Deut- ſche ihn mit ſeiner Lanze wieder durchborete, 1225 Teutonus enſe ferit, ille cadendo perit. Des Deutſchen toͤdtlichs Eiſen, Kont ihm den Ruͤckweg weiſen. die andern (viere) begaben ſich auf die Flucht. Die uͤbrigen Deutſchen, ſo nachkamen, kletterten beherzt mit auf, um dem erſten zu Huͤlfe zu kommen. Ob ſie nun zwar durch die Wuth der Feinde tapfer abgeſchlagen, auch viele unter ih- nen getroffen, verwundet und getoͤdtet wurden; ſo wagten ſie es doch auf den HErrn, und ſchaften ſich die feindliche Macht mit vieler Muͤhe vom Halſe, bis ſie endlich die Spitze der Veſtung erreichten. Das Aufklettern fiel aber ſehr beſchwer- lich und gefaͤrlich, weil der Berg hoch und mit Eis beleget, und die ſteinerne Mauer uͤber dem Berge wie Eis ſo glat war, daß ſie nirgends veſten Fuß hatten. Doch einige hielten ſich an Sturmleitern, andere an Stricke, ja ſelbſt der Engel des HErrn half ihnen auf, daß ſie auf die Spitze kamen, wo ſie dem fluͤchtigen Feinde von allen Seiten im Ruͤcken lagen. Da war eine Stimme des Frolockens und Heils unter den Chriſten: hingegen eine Stimme in Rama! des Wei- nens und Heulens, der Schande und des Untergangs der Heiden. die Deut- ſchen drungen ins Schloß, und erſchlugen die Beſatzung. Parcere paganis non poſſunt Oſilianis, Nam trucidant alios, et capiunt alios. Man ſchont der Oeſ’ler nicht, dis freche Volk der Heiden, Muß groͤſtentheils den Tod, die andern Ketten leiden. Die Liven und Letten umringeten das Schloß, und lieſſen keine Seele durch. Nach Bezwingung der Feinde freueten ſich die Ueberwinder, und ſungen GOtt ein Loblied. Der den David allezeit vor den Philiſtern geſchuͤtzet, befreyete die Seinen auch noch, und verliehe Sieg uͤber ihre Feinde. Sie nahmen die Stadt ein, raubten die Beute, entfuͤhrten die beſten Sachen, trieben Vieh und Pferde weg; das uͤbrige verbranten ſie mit Feuer. Alſo verſchlung das Feuer das Schloß der Oeſeler; die Chriſten aber ſchlepten die Beute mit Freu- den weg. b⁾ Moon iſt heutiges Tages eine Jnſel, die gegen Suͤdoſt an Oeſel ſtoͤſſet, und einen ſchmalen Sund dazwiſchen hat. Jn einer Karte des Joh. Pontanus, die Abra- ham Ortel von neuem geſtochen, iſt Mone *) gar ein Schloß auf der Jnſel Oeſel, nach dem Sinn unſers Chronikſchreibers. c⁾ Siehe beym Jahr 1220 not. t). §. 5. Nachdem das Schloß Mone in der Aſche lag, eilete die Armee nach ei- nem andern Schloſſe, welches mitten auf Oeſel lag und Walde d⁾ hieß. Es iſt Walde die ſtaͤrkſte Stadt unter allen Staͤdten der Oeſeler, bey welchem die Ar- mee ſich lagerte, die Kriegesgeraͤthſchaft herbey ſchafte, Patherellen nemlich und eine groſſe Maſchine, wie auch die hoͤchſten Graͤn- und Tannenbaͤume, um einen Thurm gegen die Veſtung zu zimmern. Die Liven aber, die Letten, die Eſthen ſamt etlichen Deutſchen, ſtreiften in alle Provinzen, holten ſchoͤne Pferde und Ochſen, viele Beute, viel Getreide und dergleichen; und branten alle Doͤrfer auf. Die von Walde hingegen konten das Werfen mit Steinen wegen Vielheit ihrer Leute im Schloſſe nicht vertragen, noch die Pfeile der groſſen Schleudern aushal- ten. Da ſie nun vollends die Maſchinen beſahen, die gegen ſie verfertiget wurden, mit *) Davon aber nicht das Gedaͤchtniß mehr uͤbrig iſt. H h h

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/245>, abgerufen am 29.03.2024.