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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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Des Bischof Alberts zehntes Jahr,
vom Jahr Christi, 1207 bis 1208.
§. 1.
1207

Wie dis vorbey war, zog der Bischof im zehnten Jahr seines Bisthums
nach Deutschland, unterschiedener Kirchenangelegenheiten wegen,
sowol Pilgrimme, als andere Sachen, damit der noch neuen und
nothdürftigen Kirche gedienet war, aufzubringen, nachdem er zuvor seine Gemei-
ne in Liefland dem HErrn a), den Pilgern und andern Einwohnern christliches
Namens in Liefland, empfohlen hatte. Er hatte viel Beschwerlichkeiten auszu-
stehen, da er herumzog, und aller Orten predigte. Die aber in Riga zurück
blieben, stärkten sich unter einander, verhielten sich als brave Männer, und beve-
stigten die Stadt von allen Seiten. Da sie nun die Einäscherung des Schlosses
Kukenois erfuhren, schickten sie einige nach, die Russen auf der Flucht zu ver-
folgen. Unter diesen befand sich Meinhard, Bard*) und einige andere Be-
dienten des Bischofs, die denen Flüchtigen nachsetzten, und viele von ihnen in Wäl-
dern und Morästen einholten, Letthgallen nemlich und Selen, die dem Rußi-
schen
Groskönige zinsbar waren, um alles wusten, und bey Verrätherey und Hin-
richtung der Deutschen hülfliche Hand geleistet! sie erhaschten auch einige Rus-
sen,
nahmen ihnen Raub und Gut ab, und erbeuteten etwas deutsches Gewehr
wieder. Die sie für schuldig befanden, machten sie alle nach Verdienst grausam
nieder, weil sie an der Verrätherey Theil genommen, und rotteten die Verräther
aus diesen Gegenden aus.

a) Man muß im lateinischen hier das Wort valedicens**) suppliren.
§. 2.

Zu der Zeit hatten die Rigischen und die Christen in Liefland groß Ver-
langen nach Friede, und konten ihres Wunsches doch nicht theilhaftig werden; sie
suchten Gutes, und siehe! es erfolgete Unruhe. Denn nach der Flucht der Rus-
sen
hoften sie der Traufe entgangen zu seyn, es überfiel sie aber ein einbrechender
und naher Platzregen; weil Westhard, der Semgallen Herzog, die Kriege
und das viele Unglück noch nicht vergessen hatte, wenn ihn die Litthauer so oft
überzogen, und in allen Gegenden Semgalliens geplündert hatten. Daher rü-
stete er sich zu einem Feldzuge gegen die Litthauer, und bat die Christen in Ri-
ga
demüthig um Beystand, führte dabey an, daß er sonst auch schon den Rigi-
schen
gegen andere Heiden Beystand geleistet; und wandte ausser dem noch vor,
daß das Loos seiner Götter glücklich ausgefallen. Hierauf versagten ihm die Ael-
testen in Riga ihren Beystand, weil sie sich an das Loos seiner Götter nicht kehr-
ten, hauptsächlich aber, weil ihrer sehr wenig waren, und widersprachen dismal dem
Kriege gegen die Litthauer auf alle Art und Weise. Doch liessen sie sich endlich
durch sein anhaltendes Bitten, und durch die eigensinnige Verwegenheit einiger
dummen Leute, die mit ihm zu Felde gehen wolten, übertäuben, und beschlossen,
ihnen den Krieg nicht zu verwehren, sondern sie vielmehr im Gehorsam in Krieg zu
schicken, damit sie nicht an Leib und Seele verloren gingen. Also gab man West-
harden
funfzig Mann oder einige mehr, Soldaten, Steinschleuderrr, ingleichen viele
von den Brüdern der Ritterschaft Christi mit. Sie nahmen auch mit sich einen
Priester aus Ydumäa, Danielen, und zogen in das Land der Semgallier,

Wie
*) Bardus ist in der Revelschen Abschrift nicht zu finden, nach der Kigischen ist es der Zuname von
Meinhard, und hier ist zugleich das Rigische mangelhafte Manuscript zu Ende.
**) Beyde Manuscripte habens nicht; und man kan auch gar wohl annehmen, daß die Wortfügung noch
vom Wort committens abhange.
Des Biſchof Alberts zehntes Jahr,
vom Jahr Chriſti, 1207 bis 1208.
§. 1.
1207

Wie dis vorbey war, zog der Biſchof im zehnten Jahr ſeines Bisthums
nach Deutſchland, unterſchiedener Kirchenangelegenheiten wegen,
ſowol Pilgrimme, als andere Sachen, damit der noch neuen und
nothduͤrftigen Kirche gedienet war, aufzubringen, nachdem er zuvor ſeine Gemei-
ne in Liefland dem HErrn a), den Pilgern und andern Einwohnern chriſtliches
Namens in Liefland, empfohlen hatte. Er hatte viel Beſchwerlichkeiten auszu-
ſtehen, da er herumzog, und aller Orten predigte. Die aber in Riga zuruͤck
blieben, ſtaͤrkten ſich unter einander, verhielten ſich als brave Maͤnner, und beve-
ſtigten die Stadt von allen Seiten. Da ſie nun die Einaͤſcherung des Schloſſes
Kukenois erfuhren, ſchickten ſie einige nach, die Ruſſen auf der Flucht zu ver-
folgen. Unter dieſen befand ſich Meinhard, Bard*) und einige andere Be-
dienten des Biſchofs, die denen Fluͤchtigen nachſetzten, und viele von ihnen in Waͤl-
dern und Moraͤſten einholten, Letthgallen nemlich und Selen, die dem Rußi-
ſchen
Groskoͤnige zinsbar waren, um alles wuſten, und bey Verraͤtherey und Hin-
richtung der Deutſchen huͤlfliche Hand geleiſtet! ſie erhaſchten auch einige Ruſ-
ſen,
nahmen ihnen Raub und Gut ab, und erbeuteten etwas deutſches Gewehr
wieder. Die ſie fuͤr ſchuldig befanden, machten ſie alle nach Verdienſt grauſam
nieder, weil ſie an der Verraͤtherey Theil genommen, und rotteten die Verraͤther
aus dieſen Gegenden aus.

a) Man muß im lateiniſchen hier das Wort valedicens**) ſuppliren.
§. 2.

Zu der Zeit hatten die Rigiſchen und die Chriſten in Liefland groß Ver-
langen nach Friede, und konten ihres Wunſches doch nicht theilhaftig werden; ſie
ſuchten Gutes, und ſiehe! es erfolgete Unruhe. Denn nach der Flucht der Ruſ-
ſen
hoften ſie der Traufe entgangen zu ſeyn, es uͤberfiel ſie aber ein einbrechender
und naher Platzregen; weil Weſthard, der Semgallen Herzog, die Kriege
und das viele Ungluͤck noch nicht vergeſſen hatte, wenn ihn die Litthauer ſo oft
uͤberzogen, und in allen Gegenden Semgalliens gepluͤndert hatten. Daher ruͤ-
ſtete er ſich zu einem Feldzuge gegen die Litthauer, und bat die Chriſten in Ri-
ga
demuͤthig um Beyſtand, fuͤhrte dabey an, daß er ſonſt auch ſchon den Rigi-
ſchen
gegen andere Heiden Beyſtand geleiſtet; und wandte auſſer dem noch vor,
daß das Loos ſeiner Goͤtter gluͤcklich ausgefallen. Hierauf verſagten ihm die Ael-
teſten in Riga ihren Beyſtand, weil ſie ſich an das Loos ſeiner Goͤtter nicht kehr-
ten, hauptſaͤchlich aber, weil ihrer ſehr wenig waren, und widerſprachen dismal dem
Kriege gegen die Litthauer auf alle Art und Weiſe. Doch lieſſen ſie ſich endlich
durch ſein anhaltendes Bitten, und durch die eigenſinnige Verwegenheit einiger
dummen Leute, die mit ihm zu Felde gehen wolten, uͤbertaͤuben, und beſchloſſen,
ihnen den Krieg nicht zu verwehren, ſondern ſie vielmehr im Gehorſam in Krieg zu
ſchicken, damit ſie nicht an Leib und Seele verloren gingen. Alſo gab man Weſt-
harden
funfzig Mann oder einige mehr, Soldaten, Steinſchleuderrr, ingleichen viele
von den Bruͤdern der Ritterſchaft Chriſti mit. Sie nahmen auch mit ſich einen
Prieſter aus Ydumaͤa, Danielen, und zogen in das Land der Semgallier,

Wie
*) Bardus iſt in der Revelſchen Abſchrift nicht zu finden, nach der Kigiſchen iſt es der Zuname von
Meinhard, und hier iſt zugleich das Rigiſche mangelhafte Manuſcript zu Ende.
**) Beyde Manuſcripte habens nicht; und man kan auch gar wohl annehmen, daß die Wortfuͤgung noch
vom Wort committens abhange.
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[66/0098] Des Biſchof Alberts zehntes Jahr, vom Jahr Chriſti, 1207 bis 1208. §. 1. Wie dis vorbey war, zog der Biſchof im zehnten Jahr ſeines Bisthums nach Deutſchland, unterſchiedener Kirchenangelegenheiten wegen, ſowol Pilgrimme, als andere Sachen, damit der noch neuen und nothduͤrftigen Kirche gedienet war, aufzubringen, nachdem er zuvor ſeine Gemei- ne in Liefland dem HErrn a⁾ , den Pilgern und andern Einwohnern chriſtliches Namens in Liefland, empfohlen hatte. Er hatte viel Beſchwerlichkeiten auszu- ſtehen, da er herumzog, und aller Orten predigte. Die aber in Riga zuruͤck blieben, ſtaͤrkten ſich unter einander, verhielten ſich als brave Maͤnner, und beve- ſtigten die Stadt von allen Seiten. Da ſie nun die Einaͤſcherung des Schloſſes Kukenois erfuhren, ſchickten ſie einige nach, die Ruſſen auf der Flucht zu ver- folgen. Unter dieſen befand ſich Meinhard, Bard *) und einige andere Be- dienten des Biſchofs, die denen Fluͤchtigen nachſetzten, und viele von ihnen in Waͤl- dern und Moraͤſten einholten, Letthgallen nemlich und Selen, die dem Rußi- ſchen Groskoͤnige zinsbar waren, um alles wuſten, und bey Verraͤtherey und Hin- richtung der Deutſchen huͤlfliche Hand geleiſtet! ſie erhaſchten auch einige Ruſ- ſen, nahmen ihnen Raub und Gut ab, und erbeuteten etwas deutſches Gewehr wieder. Die ſie fuͤr ſchuldig befanden, machten ſie alle nach Verdienſt grauſam nieder, weil ſie an der Verraͤtherey Theil genommen, und rotteten die Verraͤther aus dieſen Gegenden aus. a⁾ Man muß im lateiniſchen hier das Wort valedicens **) ſuppliren. §. 2. Zu der Zeit hatten die Rigiſchen und die Chriſten in Liefland groß Ver- langen nach Friede, und konten ihres Wunſches doch nicht theilhaftig werden; ſie ſuchten Gutes, und ſiehe! es erfolgete Unruhe. Denn nach der Flucht der Ruſ- ſen hoften ſie der Traufe entgangen zu ſeyn, es uͤberfiel ſie aber ein einbrechender und naher Platzregen; weil Weſthard, der Semgallen Herzog, die Kriege und das viele Ungluͤck noch nicht vergeſſen hatte, wenn ihn die Litthauer ſo oft uͤberzogen, und in allen Gegenden Semgalliens gepluͤndert hatten. Daher ruͤ- ſtete er ſich zu einem Feldzuge gegen die Litthauer, und bat die Chriſten in Ri- ga demuͤthig um Beyſtand, fuͤhrte dabey an, daß er ſonſt auch ſchon den Rigi- ſchen gegen andere Heiden Beyſtand geleiſtet; und wandte auſſer dem noch vor, daß das Loos ſeiner Goͤtter gluͤcklich ausgefallen. Hierauf verſagten ihm die Ael- teſten in Riga ihren Beyſtand, weil ſie ſich an das Loos ſeiner Goͤtter nicht kehr- ten, hauptſaͤchlich aber, weil ihrer ſehr wenig waren, und widerſprachen dismal dem Kriege gegen die Litthauer auf alle Art und Weiſe. Doch lieſſen ſie ſich endlich durch ſein anhaltendes Bitten, und durch die eigenſinnige Verwegenheit einiger dummen Leute, die mit ihm zu Felde gehen wolten, uͤbertaͤuben, und beſchloſſen, ihnen den Krieg nicht zu verwehren, ſondern ſie vielmehr im Gehorſam in Krieg zu ſchicken, damit ſie nicht an Leib und Seele verloren gingen. Alſo gab man Weſt- harden funfzig Mann oder einige mehr, Soldaten, Steinſchleuderrr, ingleichen viele von den Bruͤdern der Ritterſchaft Chriſti mit. Sie nahmen auch mit ſich einen Prieſter aus Ydumaͤa, Danielen, und zogen in das Land der Semgallier, Wie *) Bardus iſt in der Revelſchen Abſchrift nicht zu finden, nach der Kigiſchen iſt es der Zuname von Meinhard, und hier iſt zugleich das Rigiſche mangelhafte Manuſcript zu Ende. **) Beyde Manuſcripte habens nicht; und man kan auch gar wohl annehmen, daß die Wortfuͤgung noch vom Wort committens abhange.

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/98>, abgerufen am 20.04.2024.