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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1207 bis 1208.
Wie nun diese zu Pferde sassen, und mit ihrer schimmernden Rüstung ankamen,1207
wurden sie von den Semgalliern ganz gütig aufgenommen. Diese schickten
auch gleich durchs ganze Land, brachten eine starke Armee auf die Beine, rückten
gegen Litthauen an, hielten da Nachtlager, und währendes Ausruhens fragten
sie ihre Götter über den künftigen Ausgang, warfen das Loos, baten sich die Gunst
ihrer Götter aus, und beschworen sie mit der Anfrage, ob nemlich die Nachricht
von ihrem Anmarsch schon kund geworden, und ob die Litthauer sich ins Feld
stellen würden gegen sie zu streiten? Das Loos fiel, es wäre sowol das Gerüchte
unter ihnen erschollen, als auch, daß die Litthauer sich zur Schlacht fertig hiel-
ten. Darüber wurden die Semgallier nicht wenig bestürzt, und fingen an, mit
den Deutschen vom umkehren zu reden; weil sie vor der Litthauer Angrif sich
sehr furchten. Die Deutschen aber gaben zur Antwort: Es sey ferne, daß wir
dieses thun und vor ihnen laufen, und unserer Nation Schande machen; sondern
last uns auf unsere Feinde losgehen, ob wir vielleicht mit ihnen fechten können. Und
es konten sie auch die Semgallier nicht auf andere Gedanken bringen: denn
es waren der Semgallier eine unglaubliche Menge, auf die sich die Deutschen
verliessen. Ohnerachtet nun*) des vielen und starken Regens, drungen sie
doch beherzt in Litthauen ein, und vertheilten ihre Haufen auf die Dörfer her-
um, die sie aber leer fanden; indem alle Leute mit Weib und Kindern davon ge-
laufen waren. Wie sie nun daher befurchten, daß es zum Treffen kommen würde,
zogen sie sich aufs geschwindeste zusammen, verweilten sich gar nicht, und machten
sich noch denselbigen Tag zum Rückmarsch fertig. Die Litthauer so dis merkten,
umzingelten sie mit ihren schnellen Pferden von allen Seiten, tummelten sich ihrer
Gewohnheit nach rechts und links mit ihnen herum, setzten bald ab, bald an, und
verwundeten durch Lanzenwerfen und Pfeilschiessen gar viele. Die Deut-
schen
stopften sich nachher auf einen Haufen, hielten die Armee im Rücken sicher,
und liessen die Semgallen vorausgehen. Diese aber wurden den Augenblick b) in die Flucht geschlagen, und quetschten selbst durch Ueberreiten einer den andern
todt; andere verkrochen sich in Wälder und Moräste, und die ganze Last des Tref-
fens fiel den Deutschen auf den Hals. Daher einige sich tapfer wehreten, und
lange fochten, weil ihrer aber**) wenig waren, konten sie einer so grossen Macht
nicht widerstehen. Es waren die braven Männer dabey Gerwin und Rabodo,
mit mehrern andern, die nach langem Gefechte zum theil verwundet ins Gras
beissen musten, zum theil von den Feinden gefangen genommen und nach Lit-
thauen
geschlept wurden; theils durch die Flucht entkamen, und in Riga wie-
der anlangten, zu berichten wie es abgelaufen.

b) Der Ausdruck repraesente:***) (plötzlich) komt alzuofte vor, als daß ich solte glauben
können, es wäre ein Schreibfehler.
§. 3.

Die Stadt nun, die von der Flucht der Jhrigen und der Litthauer Kühn-
heit Nachricht erhielt, gerieth in Betrübniß: die Harfe der Rigischen verwan-
delte sich in Trauerlieder, und ihr Gesang in die Stimme der Weinenden. Sie
beteten gen Himmel, und alle Aeltesten und bescheidene Männer fälten den
Ausspruch, man solle künftig sich nicht mehr auf die Menge der Heiden verlassen,
noch mit Heiden gegen andere Heiden kriegen; sondern auf GOtt hoffen, und
mit allen schon getauften Liven und Letten kühnlich unter alle Heiden gehen;
wie auch geschahe. Denn dasselbe Jahr ward die Fahne der heiligen Jungfrau
Maria von den Liven und Letten und Deutschen in Ungannien getra-

gen
*) So läst sich wol am füglichsten abtheilen. Jm Lateinischen stehet undeutlicher, erat enim - - -
multitudo de quibus confidebant Teutonici, licet pluuiarum - - esset inundantia. Procedunt
tamen &c.
**) Jm Lateinischen stehet, et; sol wol besser heissen, at.
***) Das Revelsche Manuscript hat hier repente, wiewol es an andern Stellen repraesente auch list.
Jm Rigischen steht derepente, doch ist repraesente darüber geschrieben.
R 2

von 1207 bis 1208.
Wie nun dieſe zu Pferde ſaſſen, und mit ihrer ſchimmernden Ruͤſtung ankamen,1207
wurden ſie von den Semgalliern ganz guͤtig aufgenommen. Dieſe ſchickten
auch gleich durchs ganze Land, brachten eine ſtarke Armee auf die Beine, ruͤckten
gegen Litthauen an, hielten da Nachtlager, und waͤhrendes Ausruhens fragten
ſie ihre Goͤtter uͤber den kuͤnftigen Ausgang, warfen das Loos, baten ſich die Gunſt
ihrer Goͤtter aus, und beſchworen ſie mit der Anfrage, ob nemlich die Nachricht
von ihrem Anmarſch ſchon kund geworden, und ob die Litthauer ſich ins Feld
ſtellen wuͤrden gegen ſie zu ſtreiten? Das Loos fiel, es waͤre ſowol das Geruͤchte
unter ihnen erſchollen, als auch, daß die Litthauer ſich zur Schlacht fertig hiel-
ten. Daruͤber wurden die Semgallier nicht wenig beſtuͤrzt, und fingen an, mit
den Deutſchen vom umkehren zu reden; weil ſie vor der Litthauer Angrif ſich
ſehr furchten. Die Deutſchen aber gaben zur Antwort: Es ſey ferne, daß wir
dieſes thun und vor ihnen laufen, und unſerer Nation Schande machen; ſondern
laſt uns auf unſere Feinde losgehen, ob wir vielleicht mit ihnen fechten koͤnnen. Und
es konten ſie auch die Semgallier nicht auf andere Gedanken bringen: denn
es waren der Semgallier eine unglaubliche Menge, auf die ſich die Deutſchen
verlieſſen. Ohnerachtet nun*) des vielen und ſtarken Regens, drungen ſie
doch beherzt in Litthauen ein, und vertheilten ihre Haufen auf die Doͤrfer her-
um, die ſie aber leer fanden; indem alle Leute mit Weib und Kindern davon ge-
laufen waren. Wie ſie nun daher befurchten, daß es zum Treffen kommen wuͤrde,
zogen ſie ſich aufs geſchwindeſte zuſammen, verweilten ſich gar nicht, und machten
ſich noch denſelbigen Tag zum Ruͤckmarſch fertig. Die Litthauer ſo dis merkten,
umzingelten ſie mit ihren ſchnellen Pferden von allen Seiten, tummelten ſich ihrer
Gewohnheit nach rechts und links mit ihnen herum, ſetzten bald ab, bald an, und
verwundeten durch Lanzenwerfen und Pfeilſchieſſen gar viele. Die Deut-
ſchen
ſtopften ſich nachher auf einen Haufen, hielten die Armee im Ruͤcken ſicher,
und lieſſen die Semgallen vorausgehen. Dieſe aber wurden den Augenblick b) in die Flucht geſchlagen, und quetſchten ſelbſt durch Ueberreiten einer den andern
todt; andere verkrochen ſich in Waͤlder und Moraͤſte, und die ganze Laſt des Tref-
fens fiel den Deutſchen auf den Hals. Daher einige ſich tapfer wehreten, und
lange fochten, weil ihrer aber**) wenig waren, konten ſie einer ſo groſſen Macht
nicht widerſtehen. Es waren die braven Maͤnner dabey Gerwin und Rabodo,
mit mehrern andern, die nach langem Gefechte zum theil verwundet ins Gras
beiſſen muſten, zum theil von den Feinden gefangen genommen und nach Lit-
thauen
geſchlept wurden; theils durch die Flucht entkamen, und in Riga wie-
der anlangten, zu berichten wie es abgelaufen.

b) Der Ausdruck repræſente:***) (ploͤtzlich) komt alzuofte vor, als daß ich ſolte glauben
koͤnnen, es waͤre ein Schreibfehler.
§. 3.

Die Stadt nun, die von der Flucht der Jhrigen und der Litthauer Kuͤhn-
heit Nachricht erhielt, gerieth in Betruͤbniß: die Harfe der Rigiſchen verwan-
delte ſich in Trauerlieder, und ihr Geſang in die Stimme der Weinenden. Sie
beteten gen Himmel, und alle Aelteſten und beſcheidene Maͤnner faͤlten den
Ausſpruch, man ſolle kuͤnftig ſich nicht mehr auf die Menge der Heiden verlaſſen,
noch mit Heiden gegen andere Heiden kriegen; ſondern auf GOtt hoffen, und
mit allen ſchon getauften Liven und Letten kuͤhnlich unter alle Heiden gehen;
wie auch geſchahe. Denn daſſelbe Jahr ward die Fahne der heiligen Jungfrau
Maria von den Liven und Letten und Deutſchen in Ungannien getra-

gen
*) So laͤſt ſich wol am fuͤglichſten abtheilen. Jm Lateiniſchen ſtehet undeutlicher, erat enim ‒ ‒ ‒
multitudo de quibus confidebant Teutonici, licet pluuiarum ‒ ‒ eſſet inundantia. Procedunt
tamen &c.
**) Jm Lateiniſchen ſtehet, et; ſol wol beſſer heiſſen, at.
***) Das Revelſche Manuſcript hat hier repente, wiewol es an andern Stellen repræſente auch liſt.
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[67/0099] von 1207 bis 1208. Wie nun dieſe zu Pferde ſaſſen, und mit ihrer ſchimmernden Ruͤſtung ankamen, wurden ſie von den Semgalliern ganz guͤtig aufgenommen. Dieſe ſchickten auch gleich durchs ganze Land, brachten eine ſtarke Armee auf die Beine, ruͤckten gegen Litthauen an, hielten da Nachtlager, und waͤhrendes Ausruhens fragten ſie ihre Goͤtter uͤber den kuͤnftigen Ausgang, warfen das Loos, baten ſich die Gunſt ihrer Goͤtter aus, und beſchworen ſie mit der Anfrage, ob nemlich die Nachricht von ihrem Anmarſch ſchon kund geworden, und ob die Litthauer ſich ins Feld ſtellen wuͤrden gegen ſie zu ſtreiten? Das Loos fiel, es waͤre ſowol das Geruͤchte unter ihnen erſchollen, als auch, daß die Litthauer ſich zur Schlacht fertig hiel- ten. Daruͤber wurden die Semgallier nicht wenig beſtuͤrzt, und fingen an, mit den Deutſchen vom umkehren zu reden; weil ſie vor der Litthauer Angrif ſich ſehr furchten. Die Deutſchen aber gaben zur Antwort: Es ſey ferne, daß wir dieſes thun und vor ihnen laufen, und unſerer Nation Schande machen; ſondern laſt uns auf unſere Feinde losgehen, ob wir vielleicht mit ihnen fechten koͤnnen. Und es konten ſie auch die Semgallier nicht auf andere Gedanken bringen: denn es waren der Semgallier eine unglaubliche Menge, auf die ſich die Deutſchen verlieſſen. Ohnerachtet nun *) des vielen und ſtarken Regens, drungen ſie doch beherzt in Litthauen ein, und vertheilten ihre Haufen auf die Doͤrfer her- um, die ſie aber leer fanden; indem alle Leute mit Weib und Kindern davon ge- laufen waren. Wie ſie nun daher befurchten, daß es zum Treffen kommen wuͤrde, zogen ſie ſich aufs geſchwindeſte zuſammen, verweilten ſich gar nicht, und machten ſich noch denſelbigen Tag zum Ruͤckmarſch fertig. Die Litthauer ſo dis merkten, umzingelten ſie mit ihren ſchnellen Pferden von allen Seiten, tummelten ſich ihrer Gewohnheit nach rechts und links mit ihnen herum, ſetzten bald ab, bald an, und verwundeten durch Lanzenwerfen und Pfeilſchieſſen gar viele. Die Deut- ſchen ſtopften ſich nachher auf einen Haufen, hielten die Armee im Ruͤcken ſicher, und lieſſen die Semgallen vorausgehen. Dieſe aber wurden den Augenblick b⁾ in die Flucht geſchlagen, und quetſchten ſelbſt durch Ueberreiten einer den andern todt; andere verkrochen ſich in Waͤlder und Moraͤſte, und die ganze Laſt des Tref- fens fiel den Deutſchen auf den Hals. Daher einige ſich tapfer wehreten, und lange fochten, weil ihrer aber **) wenig waren, konten ſie einer ſo groſſen Macht nicht widerſtehen. Es waren die braven Maͤnner dabey Gerwin und Rabodo, mit mehrern andern, die nach langem Gefechte zum theil verwundet ins Gras beiſſen muſten, zum theil von den Feinden gefangen genommen und nach Lit- thauen geſchlept wurden; theils durch die Flucht entkamen, und in Riga wie- der anlangten, zu berichten wie es abgelaufen. 1207 b⁾ Der Ausdruck repræſente: ***) (ploͤtzlich) komt alzuofte vor, als daß ich ſolte glauben koͤnnen, es waͤre ein Schreibfehler. §. 3. Die Stadt nun, die von der Flucht der Jhrigen und der Litthauer Kuͤhn- heit Nachricht erhielt, gerieth in Betruͤbniß: die Harfe der Rigiſchen verwan- delte ſich in Trauerlieder, und ihr Geſang in die Stimme der Weinenden. Sie beteten gen Himmel, und alle Aelteſten und beſcheidene Maͤnner faͤlten den Ausſpruch, man ſolle kuͤnftig ſich nicht mehr auf die Menge der Heiden verlaſſen, noch mit Heiden gegen andere Heiden kriegen; ſondern auf GOtt hoffen, und mit allen ſchon getauften Liven und Letten kuͤhnlich unter alle Heiden gehen; wie auch geſchahe. Denn daſſelbe Jahr ward die Fahne der heiligen Jungfrau Maria von den Liven und Letten und Deutſchen in Ungannien getra- gen *) So laͤſt ſich wol am fuͤglichſten abtheilen. Jm Lateiniſchen ſtehet undeutlicher, erat enim ‒ ‒ ‒ multitudo de quibus confidebant Teutonici, licet pluuiarum ‒ ‒ eſſet inundantia. Procedunt tamen &c. **) Jm Lateiniſchen ſtehet, et; ſol wol beſſer heiſſen, at. ***) Das Revelſche Manuſcript hat hier repente, wiewol es an andern Stellen repræſente auch liſt. Jm Rigiſchen ſteht derepente, doch iſt repræſente daruͤber geſchrieben. R 2

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/99>, abgerufen am 16.04.2024.