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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

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Leben und Thaten der liefländischen Ordensmeister,
1483

Der rigische Dompropst Heinrich Heiligenfeld legte seinen weissen
Chorrock ab und zog den Harnisch an, eroberte auch mit seinen Leuten etliche Or-
densschlösser; bey welchem Tumult die Rigischen auch ein Herz fasten und die
Burg zu Riga, weil sie der Stadt zu nahe gebauet war, niederrissen und der
Erde gleich machten. Die Bischöfe von Dörpt, Oesel und Curland nahmen
indessen mit dem Kapitel Abrede, wie es mit Kokenhausen und andern Schlös-
sern bis auf die Wahl eines neuen Erzbischofs solte gehalten werden. Die Rigi-
schen
rückten gar vor Dünemünde, und liessen keinen Stein auf den andern.
Ja sie schickten Kalk und Steinstücke stat der gewöhnlichen Birk- und Haselhüner
an ihre Correspondenten noch Lübeck zum Präsent, welche von dem wichtigen
Siege über ihren sonst mächtigen Oberherrn die Gewisheit überbringen musten l).

1484

Der Kaiser Fridrich sahe sich genöthiget, aus Grätz an den Rath zu
Wismar zu schreiben, daß die Stadt bey Strafe von 1000 Mark löthigen Goldes
den Rigischen keine Hülfe leisten solte, weil sie den Herrn Meister bekrieget und
sich einen neuen Erzbischof Stephan Gruben zum Oberherrn erwehlet, auch
auf vorhergegangene Vorladung vor das Kammergerichte nicht erschienen wären.
Die Appellation an den Papst helfe nichts; weil er in weltlichen Sachen nicht
Richter seyn könne m). Dahingegen versprachen der Erzbischof Jacob von Up-

sal,
anders beantwortet seyn, wenn sich die Glieder desselben nicht besser auf den Degen als
die Feder verstanden.
l) Cranz giebt uns von dieser Belagerung des herrmeisterlichen Schlosses in Riga folgende
Beschreibung. Die Bürgerschaft zu Riga, die von ihrem Erzbischof sich viel ver-
sprach, machte auf ihrer Seite dem Orden eine Diversion und belagerte das Schlos in
ihrer Stadt. Sie beschossen es mit schweren Geschütze, die Besatzung aber that eine ver-
zweifelte Gegenwehr. Man beschlos daher es auszuhungern, und warf Maschinen hinein,
die mit stinkender Materie und todten Aesern ausgefüllet waren. Wie nun die Besa-
tzung theils drauf gegangen, theils die Wassersucht hatte, so capitulirte sie. Die Bür-
ger rissen die Mauren nieder, und schickten die Ziegel und Steine nach Lübeck, zum
Beweis ihrer Herzhaftigkeit, duzu die Lübecker gratuliren solten. Allein die Stadt
zog bey diesem steinernen Triumph gar bald den kürzern.
m) Der Papst sahe Riga für eine erzbischöfliche Stadt an, da der Bischof das ius gladii,
obgleich nicht vom Kaiser, hätte, wie denn Albert schon das Lehn andern mit Vorher-
tragung dreier Fahnen ertheilte, ehe man von einer kaiserlichen Jnvestitur desselben et-
was findet. Liefland ward auch zu einer Zeit erobert, da der Kaiser sich um diese
neue Eroberung nicht bekümmerte, noch bekümmern wolte und konte; ja, da man
noch eifrig den Satz verfochte, daß der Kaiser seine Macht auf Erden von dem ver-
meinten Stathalter Christi, dem Papst bekommen müste. Hier aber that der Kaiser
die Augen auf, und setzte den päpstlichen Eingriffen Schranken. Doch das erzbischöf-
liche Regiment in Liefland kehrte sich daran wenig. Die 3 Bischöfe Johan, Peter
und Martin von Dörpt, Oesel und Curland wurden mit einander einig, des Mei-
sters Stathalter Johan Vrydachen von Loringhave am Tage Jacobi mit der
Stadt auszusöhnen. Der würdige Herr Stathalter Vrydach, revelscher Comtur,
kan zu Neuermühlen und Riga, wo es ihm beliebet, sein Lager nehmen und Zelte
und Pavlune (Pavillons) aufschlagen, selbst in die Stadt Riga ziehen, oder seine Bo-
ten hineinsenden. Der Herr Magister Hilgenfeld zieht aus Kokenhausen sicher
ohne Geleite heraus. Am Tage Hippolyti und seiner Mitgenossen traten Wynemer
von Delwich, Comtur zu Vellin, Joh. von Selbach, Vogt zu Jerwen, Didrich
von Oldenbockum zu Goldingen, Comtur von Seiten des Ordens, dieser Commißion
noch mit bey. Jhr Urteil enthielt folgendes: Der Hr. Propst und Oeconomus (Icono-
mi
) Hilligenfeld behält die Stadt Kokenhausen mit der Vorborg, und die Gebie-
ter und Schlösser Cruceborg, Lawdon, Pebalgen, Seswegen, Serben,
Jxkul
und Lennewarden. Der Hr. Stathalter bewahret das Schlos Kokenhau-
sen.
Der Propst behält sein Schlos zu Dalen. Das Korn, was Hinrich Bix-
hoveden
von seinem Hofe Pernigell und andern Gütern entführet ist, giebt der Or-
den wieder. Der Rath und die Stadt Riga behalten das Gebiet Dünemünde, wie
es vormals die Comture gebraucht; dazu das Schlos in Riga mit dem Gebiete bis
an die Bulderaa, und über der Aa bis an die Sloke und Bulle, welches auf dem
nechsten Landtag ausgemachet wird. Der Orden behält Kouweren und Degerhov-
den
Leben und Thaten der lieflaͤndiſchen Ordensmeiſter,
1483

Der rigiſche Dompropſt Heinrich Heiligenfeld legte ſeinen weiſſen
Chorrock ab und zog den Harniſch an, eroberte auch mit ſeinen Leuten etliche Or-
densſchloͤſſer; bey welchem Tumult die Rigiſchen auch ein Herz faſten und die
Burg zu Riga, weil ſie der Stadt zu nahe gebauet war, niederriſſen und der
Erde gleich machten. Die Biſchoͤfe von Doͤrpt, Oeſel und Curland nahmen
indeſſen mit dem Kapitel Abrede, wie es mit Kokenhauſen und andern Schloͤſ-
ſern bis auf die Wahl eines neuen Erzbiſchofs ſolte gehalten werden. Die Rigi-
ſchen
ruͤckten gar vor Duͤnemuͤnde, und lieſſen keinen Stein auf den andern.
Ja ſie ſchickten Kalk und Steinſtuͤcke ſtat der gewoͤhnlichen Birk- und Haſelhuͤner
an ihre Correſpondenten noch Luͤbeck zum Praͤſent, welche von dem wichtigen
Siege uͤber ihren ſonſt maͤchtigen Oberherrn die Gewisheit uͤberbringen muſten l).

1484

Der Kaiſer Fridrich ſahe ſich genoͤthiget, aus Graͤtz an den Rath zu
Wismar zu ſchreiben, daß die Stadt bey Strafe von 1000 Mark loͤthigen Goldes
den Rigiſchen keine Huͤlfe leiſten ſolte, weil ſie den Herrn Meiſter bekrieget und
ſich einen neuen Erzbiſchof Stephan Gruben zum Oberherrn erwehlet, auch
auf vorhergegangene Vorladung vor das Kammergerichte nicht erſchienen waͤren.
Die Appellation an den Papſt helfe nichts; weil er in weltlichen Sachen nicht
Richter ſeyn koͤnne m). Dahingegen verſprachen der Erzbiſchof Jacob von Up-

ſal,
anders beantwortet ſeyn, wenn ſich die Glieder deſſelben nicht beſſer auf den Degen als
die Feder verſtanden.
l) Cranz giebt uns von dieſer Belagerung des herrmeiſterlichen Schloſſes in Riga folgende
Beſchreibung. Die Buͤrgerſchaft zu Riga, die von ihrem Erzbiſchof ſich viel ver-
ſprach, machte auf ihrer Seite dem Orden eine Diverſion und belagerte das Schlos in
ihrer Stadt. Sie beſchoſſen es mit ſchweren Geſchuͤtze, die Beſatzung aber that eine ver-
zweifelte Gegenwehr. Man beſchlos daher es auszuhungern, und warf Maſchinen hinein,
die mit ſtinkender Materie und todten Aeſern ausgefuͤllet waren. Wie nun die Beſa-
tzung theils drauf gegangen, theils die Waſſerſucht hatte, ſo capitulirte ſie. Die Buͤr-
ger riſſen die Mauren nieder, und ſchickten die Ziegel und Steine nach Luͤbeck, zum
Beweis ihrer Herzhaftigkeit, duzu die Luͤbecker gratuliren ſolten. Allein die Stadt
zog bey dieſem ſteinernen Triumph gar bald den kuͤrzern.
m) Der Papſt ſahe Riga fuͤr eine erzbiſchoͤfliche Stadt an, da der Biſchof das ius gladii,
obgleich nicht vom Kaiſer, haͤtte, wie denn Albert ſchon das Lehn andern mit Vorher-
tragung dreier Fahnen ertheilte, ehe man von einer kaiſerlichen Jnveſtitur deſſelben et-
was findet. Liefland ward auch zu einer Zeit erobert, da der Kaiſer ſich um dieſe
neue Eroberung nicht bekuͤmmerte, noch bekuͤmmern wolte und konte; ja, da man
noch eifrig den Satz verfochte, daß der Kaiſer ſeine Macht auf Erden von dem ver-
meinten Stathalter Chriſti, dem Papſt bekommen muͤſte. Hier aber that der Kaiſer
die Augen auf, und ſetzte den paͤpſtlichen Eingriffen Schranken. Doch das erzbiſchoͤf-
liche Regiment in Liefland kehrte ſich daran wenig. Die 3 Biſchoͤfe Johan, Peter
und Martin von Doͤrpt, Oeſel und Curland wurden mit einander einig, des Mei-
ſters Stathalter Johan Vrydachen von Loringhave am Tage Jacobi mit der
Stadt auszuſoͤhnen. Der wuͤrdige Herr Stathalter Vrydach, revelſcher Comtur,
kan zu Neuermuͤhlen und Riga, wo es ihm beliebet, ſein Lager nehmen und Zelte
und Pavlune (Pavillons) aufſchlagen, ſelbſt in die Stadt Riga ziehen, oder ſeine Bo-
ten hineinſenden. Der Herr Magiſter Hilgenfeld zieht aus Kokenhauſen ſicher
ohne Geleite heraus. Am Tage Hippolyti und ſeiner Mitgenoſſen traten Wynemer
von Delwich, Comtur zu Vellin, Joh. von Selbach, Vogt zu Jerwen, Didrich
von Oldenbockum zu Goldingen, Comtur von Seiten des Ordens, dieſer Commißion
noch mit bey. Jhr Urteil enthielt folgendes: Der Hr. Propſt und Oeconomus (Icono-
mi
) Hilligenfeld behaͤlt die Stadt Kokenhauſen mit der Vorborg, und die Gebie-
ter und Schloͤſſer Cruceborg, Lawdon, Pebalgen, Seswegen, Serben,
Jxkul
und Lennewarden. Der Hr. Stathalter bewahret das Schlos Kokenhau-
ſen.
Der Propſt behaͤlt ſein Schlos zu Dalen. Das Korn, was Hinrich Bix-
hoveden
von ſeinem Hofe Pernigell und andern Guͤtern entfuͤhret iſt, giebt der Or-
den wieder. Der Rath und die Stadt Riga behalten das Gebiet Duͤnemuͤnde, wie
es vormals die Comture gebraucht; dazu das Schlos in Riga mit dem Gebiete bis
an die Bulderaa, und uͤber der Aa bis an die Sloke und Bulle, welches auf dem
nechſten Landtag ausgemachet wird. Der Orden behaͤlt Kouweren und Degerhov-
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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/180>, abgerufen am 23.04.2024.