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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

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ren, das ich in Dir anbetete? Wie konntest Du
Deine Seele, dies heilige, Dir von Gott ver-
traute Pfand, bis zu dieser That versinken
lassen? Sage mir nicht, daß Du Dich getäuscht,
das ist unmöglich, wenn Du es nicht wolltest.
Selbst Liebe entschuldigt die Lüge nicht, und
diese Lüge ist es, die uns für ewig trennt, denn
ich habe unwiederbringlich den Glauben an Dich
verloren, in der ich alles Heilige und Wahre
anbetete. Lebe denn wohl, Du, die ich nimmer
vergessen kann, die mir das größte Glück und
das tiefste Leid meines Lebens gegeben. Lebe
wohl, Jenny, ich klage Dich nicht an, denn Du
bist unglücklicher, als ich, der im Glauben eine
Stütze finden wird. O, wollte Gott, daß ich
Dir den Glauben geben könnte zum Dank für
die Seligkeit, die ich in Deiner Liebe gefunden?"

So kam der Brief in Jenny's Hände. Sie
selbst vermochte ihn nicht zu lesen, ihre Hände
zitterten, die Buchstaben schwammen vor ihren

ren, das ich in Dir anbetete? Wie konnteſt Du
Deine Seele, dies heilige, Dir von Gott ver-
traute Pfand, bis zu dieſer That verſinken
laſſen? Sage mir nicht, daß Du Dich getäuſcht,
das iſt unmöglich, wenn Du es nicht wollteſt.
Selbſt Liebe entſchuldigt die Lüge nicht, und
dieſe Lüge iſt es, die uns für ewig trennt, denn
ich habe unwiederbringlich den Glauben an Dich
verloren, in der ich alles Heilige und Wahre
anbetete. Lebe denn wohl, Du, die ich nimmer
vergeſſen kann, die mir das größte Glück und
das tiefſte Leid meines Lebens gegeben. Lebe
wohl, Jenny, ich klage Dich nicht an, denn Du
biſt unglücklicher, als ich, der im Glauben eine
Stütze finden wird. O, wollte Gott, daß ich
Dir den Glauben geben könnte zum Dank für
die Seligkeit, die ich in Deiner Liebe gefunden?“

So kam der Brief in Jenny's Hände. Sie
ſelbſt vermochte ihn nicht zu leſen, ihre Hände
zitterten, die Buchſtaben ſchwammen vor ihren

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[144/0154] ren, das ich in Dir anbetete? Wie konnteſt Du Deine Seele, dies heilige, Dir von Gott ver- traute Pfand, bis zu dieſer That verſinken laſſen? Sage mir nicht, daß Du Dich getäuſcht, das iſt unmöglich, wenn Du es nicht wollteſt. Selbſt Liebe entſchuldigt die Lüge nicht, und dieſe Lüge iſt es, die uns für ewig trennt, denn ich habe unwiederbringlich den Glauben an Dich verloren, in der ich alles Heilige und Wahre anbetete. Lebe denn wohl, Du, die ich nimmer vergeſſen kann, die mir das größte Glück und das tiefſte Leid meines Lebens gegeben. Lebe wohl, Jenny, ich klage Dich nicht an, denn Du biſt unglücklicher, als ich, der im Glauben eine Stütze finden wird. O, wollte Gott, daß ich Dir den Glauben geben könnte zum Dank für die Seligkeit, die ich in Deiner Liebe gefunden?“ So kam der Brief in Jenny's Hände. Sie ſelbſt vermochte ihn nicht zu leſen, ihre Hände zitterten, die Buchſtaben ſchwammen vor ihren

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/154>, abgerufen am 28.03.2024.