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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Assimilation des Kohlenstoffs.
ner Verwesung das Volumen der Luft nicht ändert, so muß
nothwendig dieses Verhältniß im Beginn der Verwesung ein
anderes gewesen sein, denn in den wasserstoffreichen Bestand-
theilen des Holzes ist der Wasserstoff vermindert worden, und
diese Verminderung kann nur durch eine Absorbtion des Sauer-
stoffs bewirkt worden sein.

Die meisten Pflanzenphysiologen haben die Aushauchung
der Kohlensäure während der Nacht mit der Aufnahme von
Sauerstoffgas aus der Atmosphäre in Verbindung gebracht, sie
betrachten diese Thätigkeit als den wahren Athmungsproceß der
Pflanzen, welcher wie bei den Thieren eine Entkohlung zur
Folge hat. Es giebt kaum eine Meinung, deren Basis schwan-
kender, man kann sagen, unrichtiger ist.

Die von den Blättern, von den Wurzeln mit dem Wasser
aufgenommene Kohlensäure wird mit der Abnahme des Lichtes
nicht mehr zersetzt, sie bleibt in dem Safte gelös't, der alle
Theile der Pflanze durchdringt; in jedem Zeitmomente verdun-
stet mit dem Wasser aus den Blättern eine ihrem Gehalt ent-
sprechende Menge Kohlensäure.

Ein Boden, in welchem die Pflanzen kräftig vegetiren,
enthält als eine nie fehlende Bedingung ihres Lebens, un-
ter allen Umständen eine gewisse Quantität Feuchtigkeit, nie
fehlt in diesem Boden kohlensaures Gas, gleichgültig ob es
von demselben aus der Luft aufgenommen oder durch die Ver-
wesung von Vegetabilien erzeugt wird; kein Brunnen- oder
Quellwasser, nie ist das Regenwasser frei von Kohlensäure;
in keinerlei Perioden des Lebens einer Pflanze hört das Ver-
mögen der Wurzel auf, Feuchtigkeit und mit derselben Luft und
Kohlensäure einzusaugen.

Kann es nun auffallend sein, daß diese Kohlensäure mit
dem verdunstenden Wasser von der Pflanze an die Atmosphäre

Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.
ner Verweſung das Volumen der Luft nicht ändert, ſo muß
nothwendig dieſes Verhältniß im Beginn der Verweſung ein
anderes geweſen ſein, denn in den waſſerſtoffreichen Beſtand-
theilen des Holzes iſt der Waſſerſtoff vermindert worden, und
dieſe Verminderung kann nur durch eine Abſorbtion des Sauer-
ſtoffs bewirkt worden ſein.

Die meiſten Pflanzenphyſiologen haben die Aushauchung
der Kohlenſäure während der Nacht mit der Aufnahme von
Sauerſtoffgas aus der Atmoſphäre in Verbindung gebracht, ſie
betrachten dieſe Thätigkeit als den wahren Athmungsproceß der
Pflanzen, welcher wie bei den Thieren eine Entkohlung zur
Folge hat. Es giebt kaum eine Meinung, deren Baſis ſchwan-
kender, man kann ſagen, unrichtiger iſt.

Die von den Blättern, von den Wurzeln mit dem Waſſer
aufgenommene Kohlenſäure wird mit der Abnahme des Lichtes
nicht mehr zerſetzt, ſie bleibt in dem Safte gelöſ’t, der alle
Theile der Pflanze durchdringt; in jedem Zeitmomente verdun-
ſtet mit dem Waſſer aus den Blättern eine ihrem Gehalt ent-
ſprechende Menge Kohlenſäure.

Ein Boden, in welchem die Pflanzen kräftig vegetiren,
enthält als eine nie fehlende Bedingung ihres Lebens, un-
ter allen Umſtänden eine gewiſſe Quantität Feuchtigkeit, nie
fehlt in dieſem Boden kohlenſaures Gas, gleichgültig ob es
von demſelben aus der Luft aufgenommen oder durch die Ver-
weſung von Vegetabilien erzeugt wird; kein Brunnen- oder
Quellwaſſer, nie iſt das Regenwaſſer frei von Kohlenſäure;
in keinerlei Perioden des Lebens einer Pflanze hört das Ver-
mögen der Wurzel auf, Feuchtigkeit und mit derſelben Luft und
Kohlenſäure einzuſaugen.

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dem verdunſtenden Waſſer von der Pflanze an die Atmoſphäre

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[29/0047] Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs. ner Verweſung das Volumen der Luft nicht ändert, ſo muß nothwendig dieſes Verhältniß im Beginn der Verweſung ein anderes geweſen ſein, denn in den waſſerſtoffreichen Beſtand- theilen des Holzes iſt der Waſſerſtoff vermindert worden, und dieſe Verminderung kann nur durch eine Abſorbtion des Sauer- ſtoffs bewirkt worden ſein. Die meiſten Pflanzenphyſiologen haben die Aushauchung der Kohlenſäure während der Nacht mit der Aufnahme von Sauerſtoffgas aus der Atmoſphäre in Verbindung gebracht, ſie betrachten dieſe Thätigkeit als den wahren Athmungsproceß der Pflanzen, welcher wie bei den Thieren eine Entkohlung zur Folge hat. Es giebt kaum eine Meinung, deren Baſis ſchwan- kender, man kann ſagen, unrichtiger iſt. Die von den Blättern, von den Wurzeln mit dem Waſſer aufgenommene Kohlenſäure wird mit der Abnahme des Lichtes nicht mehr zerſetzt, ſie bleibt in dem Safte gelöſ’t, der alle Theile der Pflanze durchdringt; in jedem Zeitmomente verdun- ſtet mit dem Waſſer aus den Blättern eine ihrem Gehalt ent- ſprechende Menge Kohlenſäure. Ein Boden, in welchem die Pflanzen kräftig vegetiren, enthält als eine nie fehlende Bedingung ihres Lebens, un- ter allen Umſtänden eine gewiſſe Quantität Feuchtigkeit, nie fehlt in dieſem Boden kohlenſaures Gas, gleichgültig ob es von demſelben aus der Luft aufgenommen oder durch die Ver- weſung von Vegetabilien erzeugt wird; kein Brunnen- oder Quellwaſſer, nie iſt das Regenwaſſer frei von Kohlenſäure; in keinerlei Perioden des Lebens einer Pflanze hört das Ver- mögen der Wurzel auf, Feuchtigkeit und mit derſelben Luft und Kohlenſäure einzuſaugen. Kann es nun auffallend ſein, daß dieſe Kohlenſäure mit dem verdunſtenden Waſſer von der Pflanze an die Atmoſphäre

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/47>, abgerufen am 29.03.2024.