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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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I.

1. Die absolute Gleichheit in der Zusammensetzung der Haupt-
bestandtheile des Bluts und der stickstoffhaltigen Nahrungsmit-
tel der Thiere wäre vor wenigen Jahren noch ein Argument
gewesen, um das Resultat der chemischen Analyse zu leugnen,
zu einer Zeit, wo man noch nicht die Erfahrung gemacht hatte,
daß es eine Menge stickstoffhaltiger und stickstofffreier Körper
giebt, die bei einer großen Verschiedenheit in ihren physikalischen
Eigenschaften eine vollkommen gleiche procentische Zusammen-
setzung besitzen, von denen manche sogar die nämliche Anzahl
von Atomen an Elementen enthalten.

2. Wir kennen z. B. in der Cyanursäure einen stickstoffhal-
tigen Körper, welcher in schönen klaren Octaedern krystallisirt, die
sich in Wasser und Säuren mit Leichtigkeit lösen, in dem Cya-
melid
haben wir einen zweiten Körper, welcher in Wasser
und Säuren absolut unlöslich, weiß, zusammenhängend und
undurchsichtig wie Porzellan oder locker wie Bittererde ist,
eine dritte Substanz kennen wir in dem Cyansäurehydrat,
welche flüchtiger wie starke Essigsäure, auf der Haut Bla-
sen zieht und mit Wasser nicht zusammengebracht werden
kann, ohne augenblicklich in neue Produkte zerlegt zu werden.

I.

1. Die abſolute Gleichheit in der Zuſammenſetzung der Haupt-
beſtandtheile des Bluts und der ſtickſtoffhaltigen Nahrungsmit-
tel der Thiere wäre vor wenigen Jahren noch ein Argument
geweſen, um das Reſultat der chemiſchen Analyſe zu leugnen,
zu einer Zeit, wo man noch nicht die Erfahrung gemacht hatte,
daß es eine Menge ſtickſtoffhaltiger und ſtickſtofffreier Körper
giebt, die bei einer großen Verſchiedenheit in ihren phyſikaliſchen
Eigenſchaften eine vollkommen gleiche procentiſche Zuſammen-
ſetzung beſitzen, von denen manche ſogar die nämliche Anzahl
von Atomen an Elementen enthalten.

2. Wir kennen z. B. in der Cyanurſäure einen ſtickſtoffhal-
tigen Körper, welcher in ſchönen klaren Octaedern kryſtalliſirt, die
ſich in Waſſer und Säuren mit Leichtigkeit löſen, in dem Cya-
melid
haben wir einen zweiten Körper, welcher in Waſſer
und Säuren abſolut unlöslich, weiß, zuſammenhängend und
undurchſichtig wie Porzellan oder locker wie Bittererde iſt,
eine dritte Subſtanz kennen wir in dem Cyanſäurehydrat,
welche flüchtiger wie ſtarke Eſſigſäure, auf der Haut Bla-
ſen zieht und mit Waſſer nicht zuſammengebracht werden
kann, ohne augenblicklich in neue Produkte zerlegt zu werden.

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[[105]/0129] I. 1. Die abſolute Gleichheit in der Zuſammenſetzung der Haupt- beſtandtheile des Bluts und der ſtickſtoffhaltigen Nahrungsmit- tel der Thiere wäre vor wenigen Jahren noch ein Argument geweſen, um das Reſultat der chemiſchen Analyſe zu leugnen, zu einer Zeit, wo man noch nicht die Erfahrung gemacht hatte, daß es eine Menge ſtickſtoffhaltiger und ſtickſtofffreier Körper giebt, die bei einer großen Verſchiedenheit in ihren phyſikaliſchen Eigenſchaften eine vollkommen gleiche procentiſche Zuſammen- ſetzung beſitzen, von denen manche ſogar die nämliche Anzahl von Atomen an Elementen enthalten. 2. Wir kennen z. B. in der Cyanurſäure einen ſtickſtoffhal- tigen Körper, welcher in ſchönen klaren Octaedern kryſtalliſirt, die ſich in Waſſer und Säuren mit Leichtigkeit löſen, in dem Cya- melid haben wir einen zweiten Körper, welcher in Waſſer und Säuren abſolut unlöslich, weiß, zuſammenhängend und undurchſichtig wie Porzellan oder locker wie Bittererde iſt, eine dritte Subſtanz kennen wir in dem Cyanſäurehydrat, welche flüchtiger wie ſtarke Eſſigſäure, auf der Haut Bla- ſen zieht und mit Waſſer nicht zuſammengebracht werden kann, ohne augenblicklich in neue Produkte zerlegt zu werden.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. [105]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/129>, abgerufen am 19.04.2024.