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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Respiration und Ernährung.
chemische Eigenschaft mit einander gemein, daß sie sich beide
in starker Salzsäure zu einer intensiv indigblauen Flüssigkeit
lösen, welche gegen alle Materien, die man damit zusam-
menbringt, ein ganz gleiches Verhalten zeigt.

Albumin und Fibrin können beide in dem Ernährungs-
processe zu Muskelfaser werden, und Muskelfaser kann rück-
wärts wieder in Blut übergehen. Dieser Uebergang ist von
den Physiologen längst außer allen Zweifel gestellt, und die
Chemie hat also nur nachgewiesen, daß die Metamorphose
rückwärts und vorwärts erfolgen kann, kraft einer einwir-
kenden Thätigkeit, ohne Zuhülfenahme eines dritten Körpers
oder seiner Bestandtheile, ohne daß also ein fremdes Ele-
ment aufgenommen zu werden oder ein in Verbindung vor-
handenes auszutreten braucht.

Wenn wir nun die Zusammensetzung aller Gebilde mit
der des Fibrins und Albumins im Blute vergleichen, so er-
geben sich folgende Beziehungen.

Alle Theile des Thierkörpers, die eine bestimmte Form
besitzen, welche Bestandtheile von Organen sind, enthalten
Stickstoff. Kein Theil oder Bestandtheil eines Organs, wel-
ches Bewegung und Leben besitzt, ist frei von Stickstoff, alle
enthalten Kohlenstoff und die Elemente des Wassers, wie-
wohl diese letzteren nie in dem Verhältniß, wie im Wasser.

Die Hauptbestandtheile des Blutes enthalten nahe an
17 pCt. Stickstoff, kein Theil eines Organs enthält weni-
ger, wie siebzehn Procent Stickstoff 7).

Die entscheidendsten Versuche und Beobachtungen haben

Reſpiration und Ernährung.
chemiſche Eigenſchaft mit einander gemein, daß ſie ſich beide
in ſtarker Salzſäure zu einer intenſiv indigblauen Flüſſigkeit
löſen, welche gegen alle Materien, die man damit zuſam-
menbringt, ein ganz gleiches Verhalten zeigt.

Albumin und Fibrin können beide in dem Ernährungs-
proceſſe zu Muskelfaſer werden, und Muskelfaſer kann rück-
wärts wieder in Blut übergehen. Dieſer Uebergang iſt von
den Phyſiologen längſt außer allen Zweifel geſtellt, und die
Chemie hat alſo nur nachgewieſen, daß die Metamorphoſe
rückwärts und vorwärts erfolgen kann, kraft einer einwir-
kenden Thätigkeit, ohne Zuhülfenahme eines dritten Körpers
oder ſeiner Beſtandtheile, ohne daß alſo ein fremdes Ele-
ment aufgenommen zu werden oder ein in Verbindung vor-
handenes auszutreten braucht.

Wenn wir nun die Zuſammenſetzung aller Gebilde mit
der des Fibrins und Albumins im Blute vergleichen, ſo er-
geben ſich folgende Beziehungen.

Alle Theile des Thierkörpers, die eine beſtimmte Form
beſitzen, welche Beſtandtheile von Organen ſind, enthalten
Stickſtoff. Kein Theil oder Beſtandtheil eines Organs, wel-
ches Bewegung und Leben beſitzt, iſt frei von Stickſtoff, alle
enthalten Kohlenſtoff und die Elemente des Waſſers, wie-
wohl dieſe letzteren nie in dem Verhältniß, wie im Waſſer.

Die Hauptbeſtandtheile des Blutes enthalten nahe an
17 pCt. Stickſtoff, kein Theil eines Organs enthält weni-
ger, wie ſiebzehn Procent Stickſtoff 7).

Die entſcheidendſten Verſuche und Beobachtungen haben

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[43/0067] Reſpiration und Ernährung. chemiſche Eigenſchaft mit einander gemein, daß ſie ſich beide in ſtarker Salzſäure zu einer intenſiv indigblauen Flüſſigkeit löſen, welche gegen alle Materien, die man damit zuſam- menbringt, ein ganz gleiches Verhalten zeigt. Albumin und Fibrin können beide in dem Ernährungs- proceſſe zu Muskelfaſer werden, und Muskelfaſer kann rück- wärts wieder in Blut übergehen. Dieſer Uebergang iſt von den Phyſiologen längſt außer allen Zweifel geſtellt, und die Chemie hat alſo nur nachgewieſen, daß die Metamorphoſe rückwärts und vorwärts erfolgen kann, kraft einer einwir- kenden Thätigkeit, ohne Zuhülfenahme eines dritten Körpers oder ſeiner Beſtandtheile, ohne daß alſo ein fremdes Ele- ment aufgenommen zu werden oder ein in Verbindung vor- handenes auszutreten braucht. Wenn wir nun die Zuſammenſetzung aller Gebilde mit der des Fibrins und Albumins im Blute vergleichen, ſo er- geben ſich folgende Beziehungen. Alle Theile des Thierkörpers, die eine beſtimmte Form beſitzen, welche Beſtandtheile von Organen ſind, enthalten Stickſtoff. Kein Theil oder Beſtandtheil eines Organs, wel- ches Bewegung und Leben beſitzt, iſt frei von Stickſtoff, alle enthalten Kohlenſtoff und die Elemente des Waſſers, wie- wohl dieſe letzteren nie in dem Verhältniß, wie im Waſſer. Die Hauptbeſtandtheile des Blutes enthalten nahe an 17 pCt. Stickſtoff, kein Theil eines Organs enthält weni- ger, wie ſiebzehn Procent Stickſtoff 7). Die entſcheidendſten Verſuche und Beobachtungen haben

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/67>, abgerufen am 25.04.2024.