Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

kann man sich hierüber schon einigen Eindruck verschaffen,
wenn man fühlt, wie der seitlich hin und her bewegte Thee-
löffel das deutlich erkennbare Bestreben hat, nach der Richtung
seiner Wölbung hin auszuweichen.

Also auch in den tropfbaren Flüssigkeiten erfahren die
gewölbten Flächen nach der Richtung ihrer Sehne bewegt
einen stärkeren nach der Seite der Wölbung zu liegenden
Druck, und man kann annehmen, dass auch die an die Fig. 30
in Abschnitt 25 angeknüpften Betrachtungen in gewissem
Grade für die Bewegungen im Wasser zutreffen. Sollte nun
nicht die Theorie der Schiffsschraube auch noch eine Lücke
darin enthalten, dass diese Querschnittswölbung nicht genü-
gend gewürdigt ist?


37. Über die Möglichkeit des Segelfluges.

Die im letzten Abschnitt beschriebenen und von uns viel-
fältig ausgeführten Versuche zeigen, dass der Luftwiderstand
gewölbter Flächen Eigenschaften besitzt, mit Hülfe deren ein
wirkliches Segeln in der Luft sich ausführen lässt. Der
segelnde Vogel, ein Drachen ohne Schnur, er existiert nicht
bloss in der Phantasie, sondern in der Wirklichkeit.

Vielleicht ist es nicht jedem, der für die Vorgänge beim
Vogelfluge Interesse hat, vergönnt gewesen, grosse segelnde
Vögel so genau zu beobachten, dass die Überzeugung von der
Arbeitslosigkeit eines solchen Fluges tiefe Wurzeln schlagen
konnte, und doch giebt es jetzt wohl schon sehr viele Beobachter,
die davon durchdrungen sind, dass hier in dem anstrengungs-
losen Segeln der Vögel eine allerdings höchst wunderbare,
aber doch unumstössliche Thatsache obwaltet.

Wie schon erwähnt, gehören zu den Vögeln, welche das
Segeln ohne Flügelschlag verstehen, vor allem die Raubvögel,
Sumpfvögel und die meerbewohnenden Vögel. Es ist damit

kann man sich hierüber schon einigen Eindruck verschaffen,
wenn man fühlt, wie der seitlich hin und her bewegte Thee-
löffel das deutlich erkennbare Bestreben hat, nach der Richtung
seiner Wölbung hin auszuweichen.

Also auch in den tropfbaren Flüssigkeiten erfahren die
gewölbten Flächen nach der Richtung ihrer Sehne bewegt
einen stärkeren nach der Seite der Wölbung zu liegenden
Druck, und man kann annehmen, daſs auch die an die Fig. 30
in Abschnitt 25 angeknüpften Betrachtungen in gewissem
Grade für die Bewegungen im Wasser zutreffen. Sollte nun
nicht die Theorie der Schiffsschraube auch noch eine Lücke
darin enthalten, daſs diese Querschnittswölbung nicht genü-
gend gewürdigt ist?


37. Über die Möglichkeit des Segelfluges.

Die im letzten Abschnitt beschriebenen und von uns viel-
fältig ausgeführten Versuche zeigen, daſs der Luftwiderstand
gewölbter Flächen Eigenschaften besitzt, mit Hülfe deren ein
wirkliches Segeln in der Luft sich ausführen läſst. Der
segelnde Vogel, ein Drachen ohne Schnur, er existiert nicht
bloſs in der Phantasie, sondern in der Wirklichkeit.

Vielleicht ist es nicht jedem, der für die Vorgänge beim
Vogelfluge Interesse hat, vergönnt gewesen, groſse segelnde
Vögel so genau zu beobachten, daſs die Überzeugung von der
Arbeitslosigkeit eines solchen Fluges tiefe Wurzeln schlagen
konnte, und doch giebt es jetzt wohl schon sehr viele Beobachter,
die davon durchdrungen sind, daſs hier in dem anstrengungs-
losen Segeln der Vögel eine allerdings höchst wunderbare,
aber doch unumstöſsliche Thatsache obwaltet.

Wie schon erwähnt, gehören zu den Vögeln, welche das
Segeln ohne Flügelschlag verstehen, vor allem die Raubvögel,
Sumpfvögel und die meerbewohnenden Vögel. Es ist damit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0146" n="130"/>
kann man sich hierüber schon einigen Eindruck verschaffen,<lb/>
wenn man fühlt, wie der seitlich hin und her bewegte Thee-<lb/>
löffel das deutlich erkennbare Bestreben hat, nach der Richtung<lb/>
seiner Wölbung hin auszuweichen.</p><lb/>
        <p>Also auch in den tropfbaren Flüssigkeiten erfahren die<lb/>
gewölbten Flächen nach der Richtung ihrer Sehne bewegt<lb/>
einen stärkeren nach der Seite der Wölbung zu liegenden<lb/>
Druck, und man kann annehmen, da&#x017F;s auch die an die Fig. 30<lb/>
in Abschnitt 25 angeknüpften Betrachtungen in gewissem<lb/>
Grade für die Bewegungen im Wasser zutreffen. Sollte nun<lb/>
nicht die Theorie der Schiffsschraube auch noch eine Lücke<lb/>
darin enthalten, da&#x017F;s diese Querschnittswölbung nicht genü-<lb/>
gend gewürdigt ist?</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">37. Über die Möglichkeit des Segelfluges.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Die im letzten Abschnitt beschriebenen und von uns viel-<lb/>
fältig ausgeführten Versuche zeigen, da&#x017F;s der Luftwiderstand<lb/>
gewölbter Flächen Eigenschaften besitzt, mit Hülfe deren ein<lb/>
wirkliches Segeln in der Luft sich ausführen lä&#x017F;st. Der<lb/>
segelnde Vogel, ein Drachen ohne Schnur, er existiert nicht<lb/>
blo&#x017F;s in der Phantasie, sondern in der Wirklichkeit.</p><lb/>
        <p>Vielleicht ist es nicht jedem, der für die Vorgänge beim<lb/>
Vogelfluge Interesse hat, vergönnt gewesen, gro&#x017F;se segelnde<lb/>
Vögel so genau zu beobachten, da&#x017F;s die Überzeugung von der<lb/>
Arbeitslosigkeit eines solchen Fluges tiefe Wurzeln schlagen<lb/>
konnte, und doch giebt es jetzt wohl schon sehr viele Beobachter,<lb/>
die davon durchdrungen sind, da&#x017F;s hier in dem anstrengungs-<lb/>
losen Segeln der Vögel eine allerdings höchst wunderbare,<lb/>
aber doch unumstö&#x017F;sliche Thatsache obwaltet.</p><lb/>
        <p>Wie schon erwähnt, gehören zu den Vögeln, welche das<lb/>
Segeln ohne Flügelschlag verstehen, vor allem die Raubvögel,<lb/>
Sumpfvögel und die meerbewohnenden Vögel. Es ist damit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0146] kann man sich hierüber schon einigen Eindruck verschaffen, wenn man fühlt, wie der seitlich hin und her bewegte Thee- löffel das deutlich erkennbare Bestreben hat, nach der Richtung seiner Wölbung hin auszuweichen. Also auch in den tropfbaren Flüssigkeiten erfahren die gewölbten Flächen nach der Richtung ihrer Sehne bewegt einen stärkeren nach der Seite der Wölbung zu liegenden Druck, und man kann annehmen, daſs auch die an die Fig. 30 in Abschnitt 25 angeknüpften Betrachtungen in gewissem Grade für die Bewegungen im Wasser zutreffen. Sollte nun nicht die Theorie der Schiffsschraube auch noch eine Lücke darin enthalten, daſs diese Querschnittswölbung nicht genü- gend gewürdigt ist? 37. Über die Möglichkeit des Segelfluges. Die im letzten Abschnitt beschriebenen und von uns viel- fältig ausgeführten Versuche zeigen, daſs der Luftwiderstand gewölbter Flächen Eigenschaften besitzt, mit Hülfe deren ein wirkliches Segeln in der Luft sich ausführen läſst. Der segelnde Vogel, ein Drachen ohne Schnur, er existiert nicht bloſs in der Phantasie, sondern in der Wirklichkeit. Vielleicht ist es nicht jedem, der für die Vorgänge beim Vogelfluge Interesse hat, vergönnt gewesen, groſse segelnde Vögel so genau zu beobachten, daſs die Überzeugung von der Arbeitslosigkeit eines solchen Fluges tiefe Wurzeln schlagen konnte, und doch giebt es jetzt wohl schon sehr viele Beobachter, die davon durchdrungen sind, daſs hier in dem anstrengungs- losen Segeln der Vögel eine allerdings höchst wunderbare, aber doch unumstöſsliche Thatsache obwaltet. Wie schon erwähnt, gehören zu den Vögeln, welche das Segeln ohne Flügelschlag verstehen, vor allem die Raubvögel, Sumpfvögel und die meerbewohnenden Vögel. Es ist damit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/146
Zitationshilfe: Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/146>, abgerufen am 19.04.2024.