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Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.

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Vergleich zum Gewichte beträchtlich zunimmt, kleinen Tieren,
also allen Insekten, das Fliegen besonders leicht gemacht ist.
1 kg Sperlinge hat zusammen 0,25 qm Flugfläche; die Flügel
von 1 kg Libellen besitzen dagegen 2,5 qm Fläche.

Aus diesem Grunde dürfen wir auch die Insektenwelt
beim Fliegen nicht als Vorbild wählen, sondern haben uns an
die möglichst grossen Flieger zu halten, bei denen das Ver-
hältnis von Flugfläche zum Gewicht ein möglichst ähnliches
von dem ist, welches der Mensch für sich ausführen müsste.

Also auf die Form der Flugfläche wurde unsere Aufmerk-
samkeit gelenkt, und wir wissen alle, dass der Vogelflügel
keine Ebene ist, sondern eine etwas gewölbte Form hat.

Es fragt sich nun, ob diese Form ausschlaggebend ist
für eine Erklärung der geringen Arbeit beim natürlichen Fluge,
und inwieweit andere nicht ebene Flächen die Arbeit beim
Fliegen vermindern können.

Hier scheinen die theoretischen Vorausbestimmungen uns
nun vollends im Stich zu lassen, ausgenommen, dass wir nach
derjenigen Theorie handeln, welche uns immer wieder auf die
Natur als unsere Lehrmeisterin verweist und die genaue Nach-
bildung des Vogelflügels empfiehlt.


22. Wertbestimmung der Flügelformen.

Die Wölbung, welche die Vogelflügel besitzen, scheint
aber doch fast zu gering zu sein, um solche hervorragenden
Unterschiede in der Wirkung zu erzeugen. So dachten auch
wir, als wir im Jahre 1873 in einer grossen Berliner Turn-
halle während der Sommerferien einen Messapparat aufstellten
und mit allerhand gekrümmten Flächen versahen, um womög-
lich noch bessere Flügelformen herauszufinden, als die Natur
sie verwendet.

Ein solcher Messapparat ist bereits beschrieben und in
Fig. 14 dargestellt; er gestattete, Grösse und Richtung des

Vergleich zum Gewichte beträchtlich zunimmt, kleinen Tieren,
also allen Insekten, das Fliegen besonders leicht gemacht ist.
1 kg Sperlinge hat zusammen 0,25 qm Flugfläche; die Flügel
von 1 kg Libellen besitzen dagegen 2,5 qm Fläche.

Aus diesem Grunde dürfen wir auch die Insektenwelt
beim Fliegen nicht als Vorbild wählen, sondern haben uns an
die möglichst groſsen Flieger zu halten, bei denen das Ver-
hältnis von Flugfläche zum Gewicht ein möglichst ähnliches
von dem ist, welches der Mensch für sich ausführen müſste.

Also auf die Form der Flugfläche wurde unsere Aufmerk-
samkeit gelenkt, und wir wissen alle, daſs der Vogelflügel
keine Ebene ist, sondern eine etwas gewölbte Form hat.

Es fragt sich nun, ob diese Form ausschlaggebend ist
für eine Erklärung der geringen Arbeit beim natürlichen Fluge,
und inwieweit andere nicht ebene Flächen die Arbeit beim
Fliegen vermindern können.

Hier scheinen die theoretischen Vorausbestimmungen uns
nun vollends im Stich zu lassen, ausgenommen, daſs wir nach
derjenigen Theorie handeln, welche uns immer wieder auf die
Natur als unsere Lehrmeisterin verweist und die genaue Nach-
bildung des Vogelflügels empfiehlt.


22. Wertbestimmung der Flügelformen.

Die Wölbung, welche die Vogelflügel besitzen, scheint
aber doch fast zu gering zu sein, um solche hervorragenden
Unterschiede in der Wirkung zu erzeugen. So dachten auch
wir, als wir im Jahre 1873 in einer groſsen Berliner Turn-
halle während der Sommerferien einen Meſsapparat aufstellten
und mit allerhand gekrümmten Flächen versahen, um womög-
lich noch bessere Flügelformen herauszufinden, als die Natur
sie verwendet.

Ein solcher Meſsapparat ist bereits beschrieben und in
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[74/0090] Vergleich zum Gewichte beträchtlich zunimmt, kleinen Tieren, also allen Insekten, das Fliegen besonders leicht gemacht ist. 1 kg Sperlinge hat zusammen 0,25 qm Flugfläche; die Flügel von 1 kg Libellen besitzen dagegen 2,5 qm Fläche. Aus diesem Grunde dürfen wir auch die Insektenwelt beim Fliegen nicht als Vorbild wählen, sondern haben uns an die möglichst groſsen Flieger zu halten, bei denen das Ver- hältnis von Flugfläche zum Gewicht ein möglichst ähnliches von dem ist, welches der Mensch für sich ausführen müſste. Also auf die Form der Flugfläche wurde unsere Aufmerk- samkeit gelenkt, und wir wissen alle, daſs der Vogelflügel keine Ebene ist, sondern eine etwas gewölbte Form hat. Es fragt sich nun, ob diese Form ausschlaggebend ist für eine Erklärung der geringen Arbeit beim natürlichen Fluge, und inwieweit andere nicht ebene Flächen die Arbeit beim Fliegen vermindern können. Hier scheinen die theoretischen Vorausbestimmungen uns nun vollends im Stich zu lassen, ausgenommen, daſs wir nach derjenigen Theorie handeln, welche uns immer wieder auf die Natur als unsere Lehrmeisterin verweist und die genaue Nach- bildung des Vogelflügels empfiehlt. 22. Wertbestimmung der Flügelformen. Die Wölbung, welche die Vogelflügel besitzen, scheint aber doch fast zu gering zu sein, um solche hervorragenden Unterschiede in der Wirkung zu erzeugen. So dachten auch wir, als wir im Jahre 1873 in einer groſsen Berliner Turn- halle während der Sommerferien einen Meſsapparat aufstellten und mit allerhand gekrümmten Flächen versahen, um womög- lich noch bessere Flügelformen herauszufinden, als die Natur sie verwendet. Ein solcher Meſsapparat ist bereits beschrieben und in Fig. 14 dargestellt; er gestattete, Gröſse und Richtung des

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Zitationshilfe: Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/90>, abgerufen am 23.04.2024.