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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erst. Buch. IV. Das Verbr. als schuldh. rechtswidr. Handl.
lung ist auch in diesen Fällen eine schuldhafte; mit anderen
Worten: Verursachung eines gewissen Erfolges ohne Rück-
sicht auf Schuld in Bezug auf diesen Erfolg ist im
Reichsstrafrecht immer nur Strafschärfungsgrund, nicht
aber Deliktsmerkmal oder Bedingung der Strafbarkeit.

III. Die Schuld muß, sei sie Vorsatz, sei sie Fahrlässig-
keit, im Augenblicke der willkürlichen Körperbewegung vor-
handen sein. Späterer Eintritt, sowie späteres Entfallen
der Schuld ist ohne juristische Bedeutung. Vgl. das oben
§. 25 V bezüglich der Zurechnungsfähigkeit Gesagte.

IV. Die Erklärung, daß die Handlung eines Zurech-
nungsfähigen auf dessen Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruhe,
heißt Zurechnung oder Imputation. Die betreffende
Handlung wird als zurechenbar bezeichnet. Es giebt
also zurechenbare und nicht zurechenbare Handlungen eines
Handlungsfähigen, während die Handlungen eines Zurech-
nungsunfähigen, soweit er überhaupt willkürlicher körperlicher
Bewegungen fähig ist, nie zurechenbar sind.

§. 28.
Der Vorsatz.1

I. Vorsatz ist der Wille (in dem oben §. 17 I ange-
gebenen Sinne) als Ursache einer Handlung im engeren
Sinne (oben §. 19 I) begleitet von der Vorstellung
der Kausalität derselben
; d. h. begleitet von der Vor-
stellung jener Veränderungen (oben §. 19 II), welche
die Handlung in der Außenwelt hervorruft, und von der

1 [Spaltenumbruch] Lit. bei Binding Grund-
riß S. 65, Normen II Note 614.[Spaltenumbruch] Dazu Ortmann GS. XXX,
Geyer in HR. "dolus".

Erſt. Buch. IV. Das Verbr. als ſchuldh. rechtswidr. Handl.
lung iſt auch in dieſen Fällen eine ſchuldhafte; mit anderen
Worten: Verurſachung eines gewiſſen Erfolges ohne Rück-
ſicht auf Schuld in Bezug auf dieſen Erfolg iſt im
Reichsſtrafrecht immer nur Strafſchärfungsgrund, nicht
aber Deliktsmerkmal oder Bedingung der Strafbarkeit.

III. Die Schuld muß, ſei ſie Vorſatz, ſei ſie Fahrläſſig-
keit, im Augenblicke der willkürlichen Körperbewegung vor-
handen ſein. Späterer Eintritt, ſowie ſpäteres Entfallen
der Schuld iſt ohne juriſtiſche Bedeutung. Vgl. das oben
§. 25 V bezüglich der Zurechnungsfähigkeit Geſagte.

IV. Die Erklärung, daß die Handlung eines Zurech-
nungsfähigen auf deſſen Vorſatz oder Fahrläſſigkeit beruhe,
heißt Zurechnung oder Imputation. Die betreffende
Handlung wird als zurechenbar bezeichnet. Es giebt
alſo zurechenbare und nicht zurechenbare Handlungen eines
Handlungsfähigen, während die Handlungen eines Zurech-
nungsunfähigen, ſoweit er überhaupt willkürlicher körperlicher
Bewegungen fähig iſt, nie zurechenbar ſind.

§. 28.
Der Vorſatz.1

I. Vorſatz iſt der Wille (in dem oben §. 17 I ange-
gebenen Sinne) als Urſache einer Handlung im engeren
Sinne (oben §. 19 I) begleitet von der Vorſtellung
der Kauſalität derſelben
; d. h. begleitet von der Vor-
ſtellung jener Veränderungen (oben §. 19 II), welche
die Handlung in der Außenwelt hervorruft, und von der

1 [Spaltenumbruch] Lit. bei Binding Grund-
riß S. 65, Normen II Note 614.[Spaltenumbruch] Dazu Ortmann GS. XXX,
Geyer in HR. „dolus“.
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[108/0134] Erſt. Buch. IV. Das Verbr. als ſchuldh. rechtswidr. Handl. lung iſt auch in dieſen Fällen eine ſchuldhafte; mit anderen Worten: Verurſachung eines gewiſſen Erfolges ohne Rück- ſicht auf Schuld in Bezug auf dieſen Erfolg iſt im Reichsſtrafrecht immer nur Strafſchärfungsgrund, nicht aber Deliktsmerkmal oder Bedingung der Strafbarkeit. III. Die Schuld muß, ſei ſie Vorſatz, ſei ſie Fahrläſſig- keit, im Augenblicke der willkürlichen Körperbewegung vor- handen ſein. Späterer Eintritt, ſowie ſpäteres Entfallen der Schuld iſt ohne juriſtiſche Bedeutung. Vgl. das oben §. 25 V bezüglich der Zurechnungsfähigkeit Geſagte. IV. Die Erklärung, daß die Handlung eines Zurech- nungsfähigen auf deſſen Vorſatz oder Fahrläſſigkeit beruhe, heißt Zurechnung oder Imputation. Die betreffende Handlung wird als zurechenbar bezeichnet. Es giebt alſo zurechenbare und nicht zurechenbare Handlungen eines Handlungsfähigen, während die Handlungen eines Zurech- nungsunfähigen, ſoweit er überhaupt willkürlicher körperlicher Bewegungen fähig iſt, nie zurechenbar ſind. §. 28. Der Vorſatz. 1 I. Vorſatz iſt der Wille (in dem oben §. 17 I ange- gebenen Sinne) als Urſache einer Handlung im engeren Sinne (oben §. 19 I) begleitet von der Vorſtellung der Kauſalität derſelben; d. h. begleitet von der Vor- ſtellung jener Veränderungen (oben §. 19 II), welche die Handlung in der Außenwelt hervorruft, und von der 1 Lit. bei Binding Grund- riß S. 65, Normen II Note 614. Dazu Ortmann GS. XXX, Geyer in HR. „dolus“.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/134>, abgerufen am 28.03.2024.