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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Gegen den Monarchen: Majestätsbeleidigung. §. 96.
trägen, die mit einer Behörde über Bedürfnisse des Heeres
oder der Marine zur Zeit eines Krieges geschlossen wurden
(StGB. §. 329), könnte hieher gestellt werden, wurde aber
von uns des Zusammenhanges wegen bereits an anderer
Stelle (vgl. oben §. 84 VIII) behandelt.

II. Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt
und ihre Organe.
1.
§. 96. Gegen den Monarchen: Majestätsbeleidigung.

I. 1. Die Ehre des Trägers der staatlichen Souverä-
nität ist begrifflich keine andere als die des Privatmannes;
der Ehrbegriff selbst, richtig gefaßt (vgl. oben §. 80 I) ist
dehnbar genug, um sich jeder Lebensstellung des Individuums
anzupassen. Wir bewegen uns innerhalb der allgemeinen
Definition der Beleidigung, wenn wir die Majestätsbeleidi-
gung bestimmen als die Verletzung der dem Souverän
(nicht als Menschen, sondern eben als dem Repräsentanten
der Souveränität) geschuldeten Achtung; und es bedarf
nach dem oben §. 80 I Gesagten keiner weiteren Ausfüh-
rungen darüber, daß diese Achtung nach Inhalt und Umfang
die dem Privatmanne geschuldete ebensoweit überragt, als
die Stellung des Souveräns im staatlichen Leben die des
Privatmannes. Die Aufstellung des besonderen Deliktes
Majestätsbeleidigung in der modernen Gesetzgebung hat dem-
nach, wenn wir von den veränderten, der Schwere wie der
politischen Natur des Deliktes rechnungtragenden Straf-
rahmen absehen, juristische Bedeutung nur nach der Richtung

von Liszt, Strafrecht. 26

Gegen den Monarchen: Majeſtätsbeleidigung. §. 96.
trägen, die mit einer Behörde über Bedürfniſſe des Heeres
oder der Marine zur Zeit eines Krieges geſchloſſen wurden
(StGB. §. 329), könnte hieher geſtellt werden, wurde aber
von uns des Zuſammenhanges wegen bereits an anderer
Stelle (vgl. oben §. 84 VIII) behandelt.

II. Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt
und ihre Organe.
1.
§. 96. Gegen den Monarchen: Majeſtätsbeleidigung.

I. 1. Die Ehre des Trägers der ſtaatlichen Souverä-
nität iſt begrifflich keine andere als die des Privatmannes;
der Ehrbegriff ſelbſt, richtig gefaßt (vgl. oben §. 80 I) iſt
dehnbar genug, um ſich jeder Lebensſtellung des Individuums
anzupaſſen. Wir bewegen uns innerhalb der allgemeinen
Definition der Beleidigung, wenn wir die Majeſtätsbeleidi-
gung beſtimmen als die Verletzung der dem Souverän
(nicht als Menſchen, ſondern eben als dem Repräſentanten
der Souveränität) geſchuldeten Achtung; und es bedarf
nach dem oben §. 80 I Geſagten keiner weiteren Ausfüh-
rungen darüber, daß dieſe Achtung nach Inhalt und Umfang
die dem Privatmanne geſchuldete ebenſoweit überragt, als
die Stellung des Souveräns im ſtaatlichen Leben die des
Privatmannes. Die Aufſtellung des beſonderen Deliktes
Majeſtätsbeleidigung in der modernen Geſetzgebung hat dem-
nach, wenn wir von den veränderten, der Schwere wie der
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von Liszt, Strafrecht. 26
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[401/0427] Gegen den Monarchen: Majeſtätsbeleidigung. §. 96. trägen, die mit einer Behörde über Bedürfniſſe des Heeres oder der Marine zur Zeit eines Krieges geſchloſſen wurden (StGB. §. 329), könnte hieher geſtellt werden, wurde aber von uns des Zuſammenhanges wegen bereits an anderer Stelle (vgl. oben §. 84 VIII) behandelt. II. Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt und ihre Organe. 1. §. 96. Gegen den Monarchen: Majeſtätsbeleidigung. I. 1. Die Ehre des Trägers der ſtaatlichen Souverä- nität iſt begrifflich keine andere als die des Privatmannes; der Ehrbegriff ſelbſt, richtig gefaßt (vgl. oben §. 80 I) iſt dehnbar genug, um ſich jeder Lebensſtellung des Individuums anzupaſſen. Wir bewegen uns innerhalb der allgemeinen Definition der Beleidigung, wenn wir die Majeſtätsbeleidi- gung beſtimmen als die Verletzung der dem Souverän (nicht als Menſchen, ſondern eben als dem Repräſentanten der Souveränität) geſchuldeten Achtung; und es bedarf nach dem oben §. 80 I Geſagten keiner weiteren Ausfüh- rungen darüber, daß dieſe Achtung nach Inhalt und Umfang die dem Privatmanne geſchuldete ebenſoweit überragt, als die Stellung des Souveräns im ſtaatlichen Leben die des Privatmannes. Die Aufſtellung des beſonderen Deliktes Majeſtätsbeleidigung in der modernen Geſetzgebung hat dem- nach, wenn wir von den veränderten, der Schwere wie der politiſchen Natur des Deliktes rechnungtragenden Straf- rahmen abſehen, juriſtiſche Bedeutung nur nach der Richtung von Liszt, Strafrecht. 26

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/427>, abgerufen am 16.04.2024.