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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung.
langsam zum Tode: aber von jenem Augenblicke an hat der
Thäter das Werkzeug aus der Hand gelegt, um passiv das
Resultat abzuwarten. Das Verbrechen wird also begangen
während der ganzen Dauer des oben unter III 3 bezeich-
neten Zeitraumes; es ist begangen (Perfektum) in dem
Augenblicke in welchem, an dem Orte an welchem die
ablaufende Kausalitätsreihe das bedrohte Objekt trifft.
Dasselbe meint wohl auch das RGR., wenn es (13. März
1880, E I 274) jenen Ort als Thatort bezeichnet, an welchem
die von dem Thäter durch die von ihm benutzten oder in
Bewegung gesetzten Kräfte "erzielte Wirksamkeit mit seinem
Willen in die Erscheinung tritt". Beispiele: A in Paris
schickt am 1. Januar 1880 einen beleidigenden Brief an B
in Berlin, den dieser am 3. Januar 1880 erhält und liest;
Berlin ist Begehungsort, der 3. Januar der Zeitpunkt der
Begehung. A hat am 1. Januar 1880 diesseits der deut-
schen Grenze stehend einen jenseits derselben befindlichen
Franzosen durch einen Schuß verwundet; der Getroffene
stirbt in einem deutschen Spitale am 8. Januar 1880; die
That ist am 1. Januar 1880 und zwar in Frankreich be-
gangen. Besonders bei fahrlässigen Delikten ist ein solches
Auseinanderfallen des ersten und des letzten Gliedes der
kausalen Kette in zeitlicher wie in örtlicher Beziehung häufig.3

Einzelanwendungen.

1. Anstiftung und Beihülfe stehen unter der allge-
meinen Regel. Dort wo der Anzustiftende den Rat usw.,
wo der Thäter die Hülfeleistung empfängt, und in dem Augen-
blicke, in welchem dies geschieht, dort und dann ist Anstif-

3 Bezügl. der vielbesprochenen Preßdelikte vgl. mein Reichs-
preßrecht §. 41.

Erſtes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung.
langſam zum Tode: aber von jenem Augenblicke an hat der
Thäter das Werkzeug aus der Hand gelegt, um paſſiv das
Reſultat abzuwarten. Das Verbrechen wird alſo begangen
während der ganzen Dauer des oben unter III 3 bezeich-
neten Zeitraumes; es iſt begangen (Perfektum) in dem
Augenblicke in welchem, an dem Orte an welchem die
ablaufende Kauſalitätsreihe das bedrohte Objekt trifft.
Dasſelbe meint wohl auch das RGR., wenn es (13. März
1880, E I 274) jenen Ort als Thatort bezeichnet, an welchem
die von dem Thäter durch die von ihm benutzten oder in
Bewegung geſetzten Kräfte „erzielte Wirkſamkeit mit ſeinem
Willen in die Erſcheinung tritt“. Beiſpiele: A in Paris
ſchickt am 1. Januar 1880 einen beleidigenden Brief an B
in Berlin, den dieſer am 3. Januar 1880 erhält und lieſt;
Berlin iſt Begehungsort, der 3. Januar der Zeitpunkt der
Begehung. A hat am 1. Januar 1880 diesſeits der deut-
ſchen Grenze ſtehend einen jenſeits derſelben befindlichen
Franzoſen durch einen Schuß verwundet; der Getroffene
ſtirbt in einem deutſchen Spitale am 8. Januar 1880; die
That iſt am 1. Januar 1880 und zwar in Frankreich be-
gangen. Beſonders bei fahrläſſigen Delikten iſt ein ſolches
Auseinanderfallen des erſten und des letzten Gliedes der
kauſalen Kette in zeitlicher wie in örtlicher Beziehung häufig.3

Einzelanwendungen.

1. Anſtiftung und Beihülfe ſtehen unter der allge-
meinen Regel. Dort wo der Anzuſtiftende den Rat uſw.,
wo der Thäter die Hülfeleiſtung empfängt, und in dem Augen-
blicke, in welchem dies geſchieht, dort und dann iſt Anſtif-

3 Bezügl. der vielbeſprochenen Preßdelikte vgl. mein Reichs-
preßrecht §. 41.
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[74/0100] Erſtes Buch. II. Das Verbrechen als Handlung. langſam zum Tode: aber von jenem Augenblicke an hat der Thäter das Werkzeug aus der Hand gelegt, um paſſiv das Reſultat abzuwarten. Das Verbrechen wird alſo begangen während der ganzen Dauer des oben unter III 3 bezeich- neten Zeitraumes; es iſt begangen (Perfektum) in dem Augenblicke in welchem, an dem Orte an welchem die ablaufende Kauſalitätsreihe das bedrohte Objekt trifft. Dasſelbe meint wohl auch das RGR., wenn es (13. März 1880, E I 274) jenen Ort als Thatort bezeichnet, an welchem die von dem Thäter durch die von ihm benutzten oder in Bewegung geſetzten Kräfte „erzielte Wirkſamkeit mit ſeinem Willen in die Erſcheinung tritt“. Beiſpiele: A in Paris ſchickt am 1. Januar 1880 einen beleidigenden Brief an B in Berlin, den dieſer am 3. Januar 1880 erhält und lieſt; Berlin iſt Begehungsort, der 3. Januar der Zeitpunkt der Begehung. A hat am 1. Januar 1880 diesſeits der deut- ſchen Grenze ſtehend einen jenſeits derſelben befindlichen Franzoſen durch einen Schuß verwundet; der Getroffene ſtirbt in einem deutſchen Spitale am 8. Januar 1880; die That iſt am 1. Januar 1880 und zwar in Frankreich be- gangen. Beſonders bei fahrläſſigen Delikten iſt ein ſolches Auseinanderfallen des erſten und des letzten Gliedes der kauſalen Kette in zeitlicher wie in örtlicher Beziehung häufig. 3 Einzelanwendungen. 1. Anſtiftung und Beihülfe ſtehen unter der allge- meinen Regel. Dort wo der Anzuſtiftende den Rat uſw., wo der Thäter die Hülfeleiſtung empfängt, und in dem Augen- blicke, in welchem dies geſchieht, dort und dann iſt Anſtif- 3 Bezügl. der vielbeſprochenen Preßdelikte vgl. mein Reichs- preßrecht §. 41.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/100>, abgerufen am 29.03.2024.