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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Erstes Buch. III. Das Verbrechen als rechtswidr. Handl.
zelnen strafbaren Handlung (Beleidigung §. 193) eine ganze
Reihe von Umständen ausdrücklich hervor, die nicht nur hier,
sondern überall die Rechtswidrigkeit ausschließen; es nimmt
bei einer Anzahl von strafbaren Handlungen das Merkmal
der Rechtswidrigkeit in den besonderen Thatbestand auf, um
damit bei diesen (und nur bei diesen) Delikten das Bewußt-
sein der Rechtswidrigkeit als zum Vorsatze wesentlich zu be-
zeichnen (vgl. unten §. 28 II); es regelt endlich in seinem
allgemeinen Teile die Behandlung der Notwehr und des
Notstandes, durch deren Vorliegen die Rechtswidrigkeit
des in Frage stehenden Thuns ausgeschlossen wird.

Ohne Rechtswidrigkeit des Handelns kann weder von De-
likt noch von Verbrechen die Rede sein. Es ist daher straf-
bare Teilnahme an einer solchen Handlung nicht möglich
(vgl. unten 35 II), während allerdings dritte Personen,
welchen gegenüber die Gründe für die Ausschließung nicht
zutreffen, durch ihre Beteiligung sich (als Thäter) eines
strafbaren Thuns schuldig machen können. Wohl aber ist die
an sich nicht rechtswidrige Handlung, sobald sie über das
eng umgrenzte Gebiet der ausnahmsweisen Nichtherrschaft der
Norm hinausgreift, bezüglich dieses Uebermaßes (soweit das-
selbe ausgeschieden werden kann) den allgemeinen Regeln
unterworfen. Auch steht die irrige Subsumption der That
unter eine der Ausnahmen der irrigen Nichtsubsumption
unter die Regel juristisch durchaus gleich. (Vgl. unten
§. 35 II 3).

II. Unter den nicht im StGB. selbst enthaltenen Aus-
nahmen von der regelmäßigen Herrschaft der Normen sind
(abgesehen von den bereits oben §. 14 I besprochenen Fällen)
die folgenden von größerer Wichtigkeit.

1. Pflichtgemäße Ausübung eines öffentlichen

Erſtes Buch. III. Das Verbrechen als rechtswidr. Handl.
zelnen ſtrafbaren Handlung (Beleidigung §. 193) eine ganze
Reihe von Umſtänden ausdrücklich hervor, die nicht nur hier,
ſondern überall die Rechtswidrigkeit ausſchließen; es nimmt
bei einer Anzahl von ſtrafbaren Handlungen das Merkmal
der Rechtswidrigkeit in den beſonderen Thatbeſtand auf, um
damit bei dieſen (und nur bei dieſen) Delikten das Bewußt-
ſein der Rechtswidrigkeit als zum Vorſatze weſentlich zu be-
zeichnen (vgl. unten §. 28 II); es regelt endlich in ſeinem
allgemeinen Teile die Behandlung der Notwehr und des
Notſtandes, durch deren Vorliegen die Rechtswidrigkeit
des in Frage ſtehenden Thuns ausgeſchloſſen wird.

Ohne Rechtswidrigkeit des Handelns kann weder von De-
likt noch von Verbrechen die Rede ſein. Es iſt daher ſtraf-
bare Teilnahme an einer ſolchen Handlung nicht möglich
(vgl. unten 35 II), während allerdings dritte Perſonen,
welchen gegenüber die Gründe für die Ausſchließung nicht
zutreffen, durch ihre Beteiligung ſich (als Thäter) eines
ſtrafbaren Thuns ſchuldig machen können. Wohl aber iſt die
an ſich nicht rechtswidrige Handlung, ſobald ſie über das
eng umgrenzte Gebiet der ausnahmsweiſen Nichtherrſchaft der
Norm hinausgreift, bezüglich dieſes Uebermaßes (ſoweit das-
ſelbe ausgeſchieden werden kann) den allgemeinen Regeln
unterworfen. Auch ſteht die irrige Subſumption der That
unter eine der Ausnahmen der irrigen Nichtſubſumption
unter die Regel juriſtiſch durchaus gleich. (Vgl. unten
§. 35 II 3).

II. Unter den nicht im StGB. ſelbſt enthaltenen Aus-
nahmen von der regelmäßigen Herrſchaft der Normen ſind
(abgeſehen von den bereits oben §. 14 I beſprochenen Fällen)
die folgenden von größerer Wichtigkeit.

1. Pflichtgemäße Ausübung eines öffentlichen

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[84/0110] Erſtes Buch. III. Das Verbrechen als rechtswidr. Handl. zelnen ſtrafbaren Handlung (Beleidigung §. 193) eine ganze Reihe von Umſtänden ausdrücklich hervor, die nicht nur hier, ſondern überall die Rechtswidrigkeit ausſchließen; es nimmt bei einer Anzahl von ſtrafbaren Handlungen das Merkmal der Rechtswidrigkeit in den beſonderen Thatbeſtand auf, um damit bei dieſen (und nur bei dieſen) Delikten das Bewußt- ſein der Rechtswidrigkeit als zum Vorſatze weſentlich zu be- zeichnen (vgl. unten §. 28 II); es regelt endlich in ſeinem allgemeinen Teile die Behandlung der Notwehr und des Notſtandes, durch deren Vorliegen die Rechtswidrigkeit des in Frage ſtehenden Thuns ausgeſchloſſen wird. Ohne Rechtswidrigkeit des Handelns kann weder von De- likt noch von Verbrechen die Rede ſein. Es iſt daher ſtraf- bare Teilnahme an einer ſolchen Handlung nicht möglich (vgl. unten 35 II), während allerdings dritte Perſonen, welchen gegenüber die Gründe für die Ausſchließung nicht zutreffen, durch ihre Beteiligung ſich (als Thäter) eines ſtrafbaren Thuns ſchuldig machen können. Wohl aber iſt die an ſich nicht rechtswidrige Handlung, ſobald ſie über das eng umgrenzte Gebiet der ausnahmsweiſen Nichtherrſchaft der Norm hinausgreift, bezüglich dieſes Uebermaßes (ſoweit das- ſelbe ausgeſchieden werden kann) den allgemeinen Regeln unterworfen. Auch ſteht die irrige Subſumption der That unter eine der Ausnahmen der irrigen Nichtſubſumption unter die Regel juriſtiſch durchaus gleich. (Vgl. unten §. 35 II 3). II. Unter den nicht im StGB. ſelbſt enthaltenen Aus- nahmen von der regelmäßigen Herrſchaft der Normen ſind (abgeſehen von den bereits oben §. 14 I beſprochenen Fällen) die folgenden von größerer Wichtigkeit. 1. Pflichtgemäße Ausübung eines öffentlichen

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/110>, abgerufen am 29.03.2024.